Blick auf die Westfassade und die Ruinen der Abteikirche von Beauport, Bretagne
Frankreich,  Unterwegs

Beauport – Die schönste Abtei der Bretagne


Die Abbaye de Beauport zählt zu den beliebtesten Ausflugszielen an der bretonischen Côtes d’Armor. Jährlich zieht es weit über 50.000 Besucher in das nur drei Kilometer von Paimpol gelegene Dorf Kérity zur einst schönsten Abtei der Bretagne. Auf einer Anhöhe gelegen, mit Blick auf die Bucht von Paimpol sowie den dahinterliegenden Archipel von Bréhat lassen die Klosterruinen sowohl Romantiker-, als auch Kultur- und Naturliebhaber-Herzen höherschlagen.

Die Abtei von Beauport im Wandel der Zeit

Die 800-jährige Geschichte von Beauport, was sinngemäß „schöner Hafen“ bedeutet, lässt sich grob in fünf Abschnitte einteilen. Die mittelalterliche Gründer- und Blütezeit, der Niedergang im 15. und 16. Jahrhundert, der kurz andauernde, barocke Aufschwung, dem die von der Französischen Revolution angeordnete, endgültige Auflösung der Abtei folgte, sowie die bis heute andauernde postklerikale Periode.

Die Wiege der Gotik an der Côtes d’Armor

Die Gründung von Beauport geht auf das Jahr 1202 zurück. Graf Alain I. de Goëlo, Penthièvre und Trégor ließ zu Ehren seiner verstorbenen Eltern, der Heiligen Maria und aller anderen Heiligen, die Abtei bauen. Sie löste das erst wenige Jahre zuvor auf der Insel Saint-Riom ins Leben gerufene Kloster ab. Auch wenn die Bucht von Paimpol,  oftmals trocken und das Festland nur wenige Kilometer entfernt lag, war das Inseldasein des Klosters alsbald zum Scheitern verurteilt. Die schwierige Versorgungslage einerseits und die gezeitenabhängige Koordination des Tagesablaufs andererseits, stellte die Ordensbrüder bei der Erfüllung ihrer seelsorgerischen Auftrags vor unlösbare Aufgaben.

Eine Abtei auf dem Festland musste her und mit ihr 25 Kanoniker des Prämonstratenser-Ordens aus dem Mutterkloster La Lucerne in der Normandie. Es war bestimmt kein Leichtes, auf dem sumpfigen Gelände, auch als „Pré aux oies“, sprich Gänseweide, bekannt, eine Klosteranlage samt Abteikirche zu errichten, aber um 1260 war es dann vollbracht. Sogar die Deiche zum Schutz vor Ebbe und Flut standen.

Die Fertigstellung erlebte der Gründer selbst nicht mehr. Auch nicht, dass seine Abtei die erste und einzige in der Bretagne bleiben sollte, die den Regularkanonikern des Prämonstratenser-Ordens anvertraut wurde. Und noch ein weiteres Superlativ entging dem Grafen. Seine Abtei galt als Wiege der Gotik in der Region.

Abtei Beauport, Bretagne

Die Abtei als Wirtschaftsunternehmen

Der Stifter, Alain I. de Goëlo, hatte schon zu Lebzeiten für sein Seelenheil und damit für die Klostergemeinschaft gut vorgesorgt. Zu den mehreren Hundert Hektar Wald und Land, die er den Prämonstratensern zum Bewirtschaften oder Verpachten übergab, gehörten gleichfalls 15 Pfarreien in der näheren Umgebung und neun auf englischem Boden. Die Kirchen in der Grafschaft Lincolnshire waren ein Geschenk Wilhelm des Eroberers für die Unterstützung des Grafen bei der Eroberung Englands.

Neben dem Grundbesitz wurde die Abtei mit zahlreichen Privilegien ausgestattet, wie der Rechtsprechung über die anvertrauten Gemeinden, das Messrecht auf Salz und Getreide oder die Gebührenbefreiung für die Hafeneinfahrt. Die Kanoniker besaßen Jagd- und Fischereirechte, die Erlaubnis zur Taubenzucht, sie durften Holz im Wald schlagen, um sich ausreichend mit Heiz- und Baumaterial zu versorgen und Wind-, Gezeiten oder Wassermühlen zum Mahlen von Korn unterhalten.

Zum natürlichen Reichtum kamen beträchtliche Pacht-, Zehnt und Steuereinnahmen sowie weitere Schenkungen als Garantieversprechen für eine Bestattung innerhalb der Klostermauern hinzu. Die geistliche Gemeinschaft entwickelte sich zum prosperierenden Wirtschafts- und Handelsunternehmen.

Ein sinkender Stern

Die Prämonstratenser waren so mit ihrer Gelddruckmaschinerie ausgelastet, dass ihre eigentlichen Pflichten immer weiter in den Hintergrund traten. Die Seelsorge, die Betreuung und Pflege kranker Mitmenschen oder das Verteilen von Almosen nahm einen immer geringeren Stellenwert ein. Die Ordensregeln verlotterten, „ora“ wurde beinahe zum Fremdwort, „labora“ galt nur noch für die Laien, während die Chorherren mit Geld zählen oder der Vergabe von Krediten und Darlehen beschäftigt waren.

Wie nicht anders zu erwarten, rächte sich die Abkehr vom religiösen Leben hin zum Sumpf der menschlichen Versuchungen. Das Ansehen der Abtei schwand, die Spenden blieben aus, und zu allem Unglück entzog der englische König der Abtei ihre Besitztümer in Lincolnshire. Ab Mitte des 15. Jahrhunderts sank der Stern der Abbaye de Beauport.

Im Jahr 1532 griff der französische König in die Geschicke des Klosters ein und beauftragte einen Kommendatarabt mit der Leitung der Abtei. Dies verschlimmerte die Situation zusehends. Da der Kommendatarabt nicht zwangsläufig einer Ordensgemeinschaft angehörte, sondern nur finanziellen Profit aus ihr zog, musste er weder in der Abtei leben, noch deren Ordensregeln befolgen. Also kein echtes Vorbild, um Gehorsam, Enthaltsamkeit und Frömmigkeit vorzuleben.

Weitere Privilegien gingen durch die Verweltlichung verloren, die finanzielle Decke wurde immer dünner, ebenso wie die Gezeitendämme, die eigentlich einer permanenten Nachbesserung bedurften.

Ruine der Abteikirche Beauport in der Bretagne

Ein kurzes Nachglühen bis zum Shutdown

Als auch die Abteigebäude schwer unter der Vernachlässigung litten, nahm Mitte des 17. Jahrhunderts der Generalabt der Prämonstratenser, das Heft selbst in die Hand. Er nahm umfassende Umbauten und Restaurierungen vor, richtete eine Bibliothek ein, setzte mit strenger Hand Reformen durch, kontrollierte Disziplin und Gehorsam und verhalf der Abtei mit der Durchführung von Philosophie- und Theologiekursen wieder zu Renommee. Beauport erlebte eine einhundert Jahre anhaltende Renaissance.

Mit wechselnden Prioren zog nach geraumer Zeit wieder der Schludrian ein und riss mit der einhergehenden Vernachlässigung morbide Gebäudeteile wie die Gewölbedecke der Abteikirche mit sich. Für den endgültigen Todesstoß sorgte die Französische Revolution, in deren Verlauf alle religiösen Einrichtungen geschlossen wurden. Beauport stand zum Verkauf. Einen Teil erwarb der Reeder und wohlhabende Islandfischer Louis Morand, den Rest die Gemeinde Kérity, um darin eine Schule und das Rathaus unterzubringen.

Als der Inspektor des französischen Denkmalamtes, Prosper Merimée, 1862 weite Teile der Abteikirche, des Kreuzgangs und des Refektoriums in Ruinen vorfand, stellte er die ehemalige Klosteranlage unter Denkmalschutz. Tatkräftige finanzielle Unterstützung zur Konservierung des Bestandes erhielt er vom Grafen Poninski und seiner Frau, deren Grabsteine im Nordflügel der Kirche nicht zu übersehen sind.

Biodiversität hinter Klostermauern

Mit dem Erwerb der Klosteranlagen und der dazugehörigen 110 Hektar Wald-, Heide-, Weide-, Sumpf- und Küstenlandschaft durch die französische Küstenschutzbehörde trat 1992 der größtmögliche Glücksfall für das Monument historique ein.

Das Küstenkonservatorium verfolgt mit seiner Arbeit zwei Ansätze. Für die Abtei gilt: „Bestehendes bewahren, aber in Ruinen liegende Strukturen nicht wieder aufbauen“. So sollen das religiöse Kulturgut langfristig konsolidiert und seine Authentizität gewährleistet werden.

Im Falle der ganz unterschiedlichen Landschaftsräume mit ihrer reichhaltigen Flora und Fauna steht der Schutz des fragilen Ökosystems im Fokus. Hierzu gehören Maßnahmen, die für ausreichend Brut- und Nistplätze im alten Mauerwerk sorgen, denn über die letzten Jahrzehnte hat eine erstaunliche Artenvielfalt aus Meisen, Schwalben, Rotkehlchen, Tauben, Turmfalken oder Mauerseglern die Abteiruinen zu ihrer Wahlheimat gemacht. Im Herzogsaal steht zum Beispiel immer ein Fenster für die fliegenden Saisongäste offen, damit sie sich im Dachgebälk einnisten können, während die Fledermäuse mit Sicherheit die dunklen und kühlen Gewölbekeller bevorzugen.

Ein Rundgang durch die Abtei

Die Abbaye de Beauport entspricht in ihrem baulichen Grundriss grundsätzlich dem Idealtypus der westlichen Klöster. Mit einer Ausnahme. Die tonnenschweren Pfeiler, Bögen und Mauern der Abteikirche mussten möglichst weit entfernt vom sumpfigen Gelände der Meeresbucht, auf festem und erhöhtem Terrain, platziert werden. Damit fiel die ansonsten übliche Platzierung auf der Nordseite des Kreuzganges aus. Im Süden war der Untergrund fester und somit besser geeignet, der Kirche die nötige architektonische Standfestigkeit zu verleihen. Ansonsten findet sich in Beauport, wie andern Orts auch, die Trennung der Klostergebäude in weltliche, geistliche und dem täglichen Leben gewidmete Bereiche.

  1. Flügel der Laienbrüder und Sprechzimmer
  2. Kreuzgang
  3. Abteikirche
  4. Kapitelsaal
  5. Refektorium
  6. Küche
  7. Herzogsaal
  8. Vorratskeller im UG des Refektoriums
  9. Obstgärten

Mit einem Klick auf die jeweilige Überschrift könnt Ihr zwischen der Übersichtskarte und dem Text hin und her springen.

[1] Flügel der Laienbrüder und Sprechzimmer

Mein Rundgang beginnt im ehemaligen Flügel der Laienbrüder. Die Konversen, wie sie auch genannt wurden, hatten sich zwar der Einhaltung der Ordensregel verpflichtet, übernahmen allerdings ausschließlich weltliche Aufgaben. So konnten sich die Prämonstratenser Chorherren ganz ihren priesterlichen und seelsorgerischen Tätigkeiten widmen. Da die Konversen keine Priesterweihe empfangen hatten, durften sie nicht mit den Regularkanonikern unter einem Dach leben. Deshalb hatten sie ihren eigenen Lebens- und Schlafbereich im heutigen Empfangsgebäude.

Im sich daran anschließenden Sprechzimmer erhielten die Laien jeden Morgen vom Vorsteher der Abtei die Order des Tages. Dementsprechend bestellten sie die Felder, kümmerten sich um Fischfang und Ernte, legten Obst-, Gemüse und Kräutergärten an, schlugen Holz, kelterten Cidre oder hielten die Abtei instand. Kurzum, ohne sie wäre ein funktionierendes Klosterwesen undenkbar gewesen.

[2] Kreuzgang

Das Sprechzimmer hatte direkten Zugang zum Kreuzgang, dem räumlichen als auch kontemplativen Mittelpunkt des monastischen Lebens. Er war das verbindende und zugleich trennende Element der vier „Betriebseinheiten“ der Abtei. Jede Himmelsrichtung hatte ihre eigene Bestimmung. Im Süden schloss sich die Kirche als Ort des Gebets an, im Osten lagen die Gemeinschaftsräume, sprich der Kapitel- und Schlafsaal der Priester, der Westflügel war Dienstboten, Laien und Gästen vorbehalten, während der Speisesaal im Norden der Sorge für das leibliche Wohl angedacht war.

Doch bevor man sich den weltlichen Genüssen hingeben durfte, hieß es Hände und Gesicht waschen. Dafür standen die in die Westwand eingelassenen Wandwaschbecken zur Verfügung. Das Wasserbecken und der Wasserzulauf sind nicht mehr erhalten, dafür zeugen die aus mehrfarbigem Gestein gearbeiteten Bögen mit den beliebten gotischen Kleeblatt- und Vielpass-Motiven an der Wandfläche vom Reichtum der Abtei.

Es ist vollkommen still hier. Ich denke mir den einst umlaufenden und ehemals überdachten Arkadengang hinzu, male mir einen gepflegten Kreuzganggarten im Zentrum als kleines Stück Garten Eden auf Erden aus und sehe im Geiste die meditierenden Kanoniker an mir vorbeiziehen. Also an diesem Teil des Lebens hinter den Abteimauern hätte auch ich nichts auszusetzen gehabt.

[3] Abteikirche

Weiter geht es durch das den Konversen vorbehaltene Rundbogentor zu den Überresten der im gotisch-normannischen Stil errichteten Abteikirche. Wie eingangs erwähnt, mussten die Bauherren bei der Wahl des Standorts auf die besonderen geologischen Gegebenheiten des Geländes Rücksicht nehmen, weshalb nur die Südseite des Kreuzganges infrage kam.

Was aus der Ferne schon einen „Wow“-Effekt hervorrief, nimmt inmitten der Ruinen noch mal ganz andere Dimensionen an. 30 x 50 Meter, also die Hälfte eines Fußballfeldes, betrug die Grundfläche der Abteikirche. Damit war sie das längste Gotteshaus in der Bretagne. Dass ihr das südliche Seitenschiff, die Apsis, der Glockenturm, die Glasfenster und die komplette Inneneinrichtung fehlen, tut dem monumentalen Gesamteindruck keinen Abbruch. Im Gegenteil. Das Himmelszelt ist ein mehr als perfekter Ersatz für die im 19. Jahrhundert eingestürzte und andernorts zweckentfremdete Gewölbedecke.

Ganz egal, in welche Ecke ich schaue, der Anblick ist überwältigend. Die sechs massiven Arkadenbögen mit den darüberliegenden, schmalen Spitzbogenfenstern, die die Seitenschiffe abtrennten, sind wahrhaftige Stützpfeiler des Glaubens. Unerschütterlich haben sie dem an der Bausubstanz nagenden Zahn der Zeit standgehalten. Auch die elegant, beinahe filigran gestaltete Westfassade kämpft tapfer gegen den Zerfall. Weniger Glück hatte dagegen der Torbogen zum ehemaligen Chor im Osten. Dafür kann er nun gut als Eintrittspforte ins Himmelreich durchgehen. Die üppig in hellrosa, purpurn oder dunkelrot blühenden Hortensiensträucher sorgen dabei für einen paradiesischen Vorgeschmack.

Ruine des Mittelschiffs der Abteikirche von Beauport in der Bretagne

Spenden für den Seelenfrieden

Zwischen der wilden Vegetation haben der Seigneur de Kergozou und seine Frau seit Beginn des 15. Jahrhunderts ihre letzte Ruhestätte gefunden. Sie gehörten zu den zahlreichen Stiftern, die die Abtei mit Ländereien oder großzügigen finanziellen Mitteln ausstattete. Dies geschah jedoch nicht ganz uneigennützig. Mit der Spende sicherte man sich im Mittelalter ein Begräbnisplatz innerhalb der Abteimauern, was schon die halbe Miete für einen Daueraufenthalt im Himmel bedeutete. Außerdem konnte man mit der Größe und Ausführung der eigenen Grabstätte ein sichtbares Zeichen für die Nachwelt setzen. Das Grab als Statussymbol für gesellschaftliche Stellung, Macht und Reichtum über den Tod hinaus.

Der Herr von Kergozou und seine Herzensdame, Marie du Périer, müssen all dies besessen haben.
Auch wenn sich beide, beinahe zwei Meter langen Grabfiguren heute in einem lamentablen Zustand befinden, geben sie immer noch viel über die darunter Begrabenen preis. Die Eheleute liegen einträchtig und mit gefalteten Händen für ihr Seelenheil betend, nebeneinander. Ihre Häupter sind bequem auf einem Kissen gebettet, die Augen weit geöffnet gen Himmel gerichtet, um das göttliche Reich zu erblicken.
Die Dame des Hauses, elegant mit Haube à la mode gekleidet, war ihrem Ehemann bis über den Tod hinaus treu ergeben. Dies symbolisiert der Hund zu ihren Füßen. Vermutlich war sie es, die die Grabskulpturen in Auftrag gab, andernfalls wäre ihr Mann nicht nur ein wahrer Ritter, sondern auch ein Hellseher gewesen. In Rüstung mit dem Langschwert zwischen den Beinen dargestellt, starb er ganz offensichtlich im Kampf. 

Gisants / Grabsteine des Grafen von Kerozou und seiner Frau in der Abteikirche von Beauport in der Bretagne

[4] Kapitelsaal

Zurück im Kreuzgang geht es an der Sakristei vorbei zum Kapitelsaal. Außer dem Eingang mit dem Zwillingsbogen, fällt mir sofort der grüne Tuffstein ins Auge. Ein aus der Region stammendes Vulkangestein, das man aufgrund seiner weichen, porösen Beschaffenheit, sehr gerne für die Ausfertigung von Säulen, Bögen, Kapitellen oder Gewölberippen verwendete. Wurde er poliert, nahm er eine dunkelgrüne Tönung an, was mit dem sandfarbenen Kalkstein aus Caen ein schönes Farbenspiel ergab.

Beim Kapitelsaal scheuten die Bauherren generell keine Mühen mit der ästhetischen Ausgestaltung. Neben der Abteikirche galt er als wichtigster Ort im Kloster. Jeden Morgen versammelten sich hier alle Kanoniker, um zunächst einer Lesung aus dem Regelkapitel zu folgen, und sich anschließend über die Belange der Abtei zu beraten. Aufgaben wurden verteilt, Probleme besprochen, Strategien diskutiert, Fehltritte gemaßregelt. Es war der einzige Ort hinter den Klostermauern, an dem Reden ausdrücklich erlaubt war.

Pierre Huet II. – ein Abt ohne Fehl und Tadel

Zudem besaßen die Äbte das Privileg, im Kapitelsaal begraben zu werden, so auch Pierre Huet II, der der Abtei von 1456-1479 vorstand. Der Abt besaß im Mittelalter eine bedeutende gesellschaftliche Rolle mit beträchtlicher Macht. Vorrangig unterstand ihm selbstverständlich die Leitung der Ordensgemeinschaft, aber darüber hinaus hielt er Gericht sowohl in seinen Pfarrgemeinden als auch auf seinen Ländereien und ihm gehörte ein Sitz im bretonischen Parlament.

Pierre Huet II. war wohl die schillerndste Persönlichkeit unter den Äbten von Beauport. Anlässlich einer päpstlichen Versammlung zur Heiligsprechung von Vincent Ferrier, dem Prediger mit dem glühenden Blick, dem ich schon in Vannes begegnet bin, wurde ihm vom Pontifex Maximus sowohl Mitra als auch Bischofsstab als Insignien der kirchlichen Jurisdiktion verliehen. Seit Gründung der Abtei war Pierre Huet der Erste, dem diese Ehre zuteil wurde. Bei seiner Grabfigur wurden dementsprechend keine Kosten und Mühen gescheut. Im prächtigen, mit Weinranken-, blättern und Trauben verzierten Ornat kann er nun dauerhaft die anglonormannische Gotik des Kapitelsaals bewundern. Die Französische Revolution hat ihn vermutlich seine Hände, den Hirtenstab als auch sein Gesicht gekostet, doch erging es ihm wesentlich besser als den beiden Schutzengeln an seiner Seite, die regelrecht guillotiniert wurden.

[5] Speisesaal (Refektorium) und [6] Küche

Welch Ausblick!
Acht Rundbögen mit kunstvollen Blattkapitellen öffnen sich zur malerischen Bucht von Paimpol. Ein Ambiente wie in einem fine dining Restaurant. Von Ostern bis September konnten die Chorherren zweimal am Tag diesen herrlichen Ausblick aus ihrem überdimensionierten Speisesaal genießen. Die Mahlzeiten waren schweigend einzunehmen, also konnten sie sich voll und ganz entweder auf den Kanoniker konzentrieren, der von seiner Empore im Südosten des Refektoriums aus der Bibel vorlas, oder sich an der grandiosen Weitsicht bis zur Insel Saint-Riom erfreuen.

Die Prämonstratenser wussten das Leben zu genießen. Auch der Küchendienst schien vielmehr Belohnung als Pflicht gewesen zu sein. Die Küche [6] war mit einem Brotbackofen, Kamin und Durchreiche zum Speisesaal gut ausgestattet. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass bei der Aussicht das Brot vor lauter Tagträumerei des Öfteren angebrannt aus dem Ofen kam. Ob dies der Grund war, dass man später die Küche in das herzogliche Gebäude verlegte?

[7] Herzogsaal

Zwischen Kapitelsaal und Chauffoir, dem einzigen Raum, der in der Klosteranlage beheizt wurde und über dem der Schlafsaal der Priester lag, befand sich einer der Zugänge zu den Feldern und zum Herzoglichen Saal. Über seine ursprüngliche Bestimmung scheiden sich heute noch die Geister. Der 26 x 8 Meter große Saal, der außerhalb des eigentlichen Klosterbereichs angesiedelt war, lässt mit den riesigen Kaminen, dem beeindruckenden Kreuzrippengewölbe und den großen Fenstern eigentlich auf eine repräsentative Funktion schließen. Empfing der Herzog und Stifter der Abtei in diesem Saal hochrangige Persönlichkeiten oder war er Pilgern und der Pflege Kranker vorbehalten?

Neuere Ausgrabungen förderten mehrere Bronzeöfen und eine Wasserleitung zutage, sodass man bis zum 15. Jahrhundert von einer handwerklichen Nutzung als Schmiede ausgeht. Ab der Ära der Kommendäräbte wurde ein Teil als Residenz abgetrennt, während im restlichen Raum, die Küche und später die Cidre-Kellerei untergebracht waren.

[8] Vorratskeller

Die Dimensionen der beiden Vorratskeller sprechen eine deutliche Sprache zum Reichtum der Abtei von Beauport. Unter dem Speisesaal bzw. der Küche, auf der Nordseite gelegen, boten die 300 Quadratmeter Gewölbekeller mit den über einen Meter dicken Mauern stabile und kühle Temperaturen. Nicht nur die zur Selbstversorgung notwendigen Vorräte wurden hier gelagert, sondern ebenfalls die Ernten und Zehntabgaben aus den verpachteten Ländereien.

Kellergewoelbe der Abtei von Beauport

[9] Apfelglück – die Obstgärten

Über 70 alte und überwiegend regionale Apfelsorten werden heute noch auf dem fruchtbaren Boden der Bucht von Paimpol kultiviert. Damit wird die Tradition des mittelalterlichen Obstgartens samt Apfelsaft und Apfelwein-Herstellung erfolgreich weitergeführt. Es lässt sich herrlich unter und zwischen dem immensen Apfelbaumbestand flanieren. Es heißt, dass Melanie Morand, in deren Familienbesitz sich die Abtei im 19. Jahrhundert befand, eine derart reichhaltige Apfelernte verzeichnete, dass sie jedes Jahr problemlos ihre Verwandtschaft in Paris mit einer Tonne Äpfel beglückte.

Zum stilgerechten Abschied von der Abtei von Beauport, nehme ich mir als Erinnerung zwei Flaschen des hausgemachten Cidre mit. Jetzt muss ich mich aber sputen, denn um 15 Uhr beginnt in der nur zwanzig Minuten entfernten Kapelle von Kermaria an Iskuit die nächste Führung.

Gut zu wissen

Anregungen für Erkundungslustige

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert