Ruine der Burg Hunaudaye in der Bretagne
Frankreich,  Unterwegs

Château de la Hunaudaye


Das Département Côtes-d’Armor an der Nordküste der Bretagne ist bekannt für steile Klippen, enorme Gezeitenunterschiede, rosa Granitfelsen, wildromantische Küstenwanderwege und blumige Inseln. Doch auch Burgenliebhaber kommen hier voll und ganz auf ihre Kosten. Das Château de la Hunaudaye liegt zwar ein wenig abseits im Hinterland ist aber jeden Umweg wert.

Umgeben von Feldern und Wäldern blickt die mittelalterliche Burgruine auf eine turbulente 800-jährige Geschichte zurück. Sie erlebte Blütezeiten, stand wie Phoenix aus der Asche aus ihrer kleinen Senke auf und zählte Anne de Bretagne als auch den französischen König François I. zu ihren illustren Gästen. Aber sie kannte auch Zerstörung, wurde vernachlässigt und niedergebrannt. Nach umfangreichen Restaurierungs- und Konsolidierungsmaßnahmen empfängt sie heute wieder über 20.000 begeisterte Besucher im Jahr.

Landschaft in der Naehe des Chateau de la Hunaudaye in der Bretagne

Krieg und Frieden

Olivier de Tournemine, loyaler Gefolgsmann des Grafen von Penthièvre, errichtete im Jahre 1220 ein erstes kleines Verteidigungsbollwerk an der Ostgrenze der Grafschaft. Es galt, im ständig schwelenden Nachbarschaftskonflikt mit dem Grafen von Dinan, das eigene Territorium erfolgreich zu sichern und Stärke zu demonstrieren. Als idealer Standort bot sich das sumpfige Gebiet unweit der natürlichen Herrschaftsgrenze, dem Fluss Arguenon, an. Die Lage hatte nämlich gleich zwei entscheidende Vorteile. Erstens führte die einstige gallo-romanischen Nord-Süd-Verbindungsstraße direkt an der Burg vorbei. Sie diente im Mittelalter immer noch als Haupt-Warenverkehrsachse, sodass der Herr von Tournemine über eine unerschöpfliche Einkommensquelle aus dem zu entrichtenden Wegzoll besaß. Zweitens erwies sich die waldreiche Umgebung als Quelle natürlichen Reichtums. Wildschweine, Rehe und Hasen sorgten für volle Mägen, während das Holz als Baumaterial, zum Heizen oder als Handelsgut diente.

Es ließ sich also gut leben im Château de la Hunaudaye. Bis auf einige kleinere Scharmützel und Grenzstreitigkeiten sah sich die Burg keinerlei Kampfhandlungen ausgesetzt. Die Strategie der Abschreckung zeigte Wirkung. Einhundert Jahre lang. Dann brach der bretonische Erbfolgekrieg aus. 1341, gleich im ersten Jahr des blutigen Konflikts um die Herrschaft im Herzogtum Bretagne, traf es die Festung schwer. Bis auf einen Befestigungsturm im Südwesten, einen weiteren im Osten und Teile des Mauerrings glich die Anlage einem „Scherbenhaufen“.

Ein Musterexemplar einer mittelalterlichen Festung

Allerdings half kein Jammern und Klagen. Die Burg musste neu aufgebaut werden. Und die Herren von Tournemine waren ganz offensichtlich Männer der Tat. Als endlich wieder Frieden im Herzogtum Bretagne herrschte, machte man sich umgehend an die Arbeit. Und da man schon dabei war, nutzte man die Gelegenheit, gleich ein paar Modernisierungsmaßnahmen umzusetzen. Neben drei neuen Türmen, die in ihrem Innern nun wesentlich großzügiger und komfortabler ausgestattet waren als die Vorgängerbauten, entstand auch ein gänzlich neues Gebäude. Mit einem zweistöckigen Wohnhaus samt Festsaal zog der Komfort in die Festungsanlage ein.

Die umfangreichen Restaurierungs- und Umbauarbeiten zogen sich über ein Jahrhundert hin. Eine lange Zeitspanne, die das Adelsgeschlecht auch politisch nutzte, um die Erfolgsleiter im Herzogtum weiter aufzusteigen. In Anerkennung treuer Dienste verlieh der bretonische Herzog zu Beginn des 16. Jahrhunderts den Herren von Tournemine den Titel eines Barons von Hunaudaye. Damit verbunden war ein enormer Zuwachs an Grundbesitz. An die 80 Pfarreien gehörten nun zum Lehen. Also leistete man sich eine letzte Luxusinstallation, nämlich die prestigeträchtige Renaissance-Treppe als Zugang zum Festsaal und den Privatgemächern des Burgherrn.

Über 300 Jahre lang befand sich die Burg im Besitz der Herren von Tournemine. Jahre, die dem Château de la Hunaudaye zu Ruhm und Ehre gereichten. Sie stand im Ruf, die am besten befestigte und am schwersten einzunehmende Festung in der Grafschaft Penthièvre zu sein. Kein Wunder, sie hatte alles, was das Ideal einer mittelalterlichen Festung ausmachte: einen tiefen Wassergraben, eine schnell zu bedienende Zugbrücke, mächtige Befestigungstürme mit Maschikulis, sowie hoch aufragende und mit überdachten Wehrgängen ausgestattete Kurtinen.

Gute Zeiten – schlechte Zeiten

Doch leider waren dem letzten Herrn von Tournemine keine männlichen Nachkommen beschert. Das Adelsgeschlecht starb Ende des 16. Jahrhunderts aus und mit ihm der Glanz der Burg von Hunaudaye. Das château sah in den folgende Jahrhunderten mehrere neue Eigentümer kommen und gehen, doch keiner schien nachhaltig in seinen Erhalt investieren zu wollen. Und bevor sich der letzte Schlossherr weitreichende Gedanken hierzu machen musste, nahm die Französische Revolution das weitere Schicksal vorweg. Die Burg wurde 1793 geplündert und in Brand gesteckt, um zu verhindern, dass sich mögliche Revolutionsgegner in ihren Mauern verschanzten.

Selbst als das Feuer der Revolution längst erloschen war, suchte die Burg von Hunaudaye vergeblich nach einem Protagonisten. Nur ihre massiven Steine stießen auf öffentliches Interesse. Denn an ihnen konnte man sich kostenfrei und ungestraft bedienen, bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts sowohl die nördliche Ringmauer als auch der „Eisturm“ teilweise einstürzten. Danach wurde die Burg unter Denkmalschutz gestellt.

Das jetzige Aussehen des Château de la Hunaudaye und die erfolgreiche touristische Erschließung ist den von 2005 bis 2008 durchgeführten Restaurierungs- und Konservierungsarbeiten zu verdanken. Ein Wiederaufbau von Gebäudeteilen wurde nur an Stellen vorgenommen, an denen durch gesicherte Dokumente eine originalgetreue Rekonstruktion gewährleistet war. Andernfalls beschränkte man sich auf den Erhalt der vorhandenen Bausubstanz. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen.

Militaerturm und Eingangsbereich mit ehemaliger Zugbruecke des Chateau de la Hunaudaye in der Bretagne

Ein Rundgang durch die Burg von Hunaudaye

Wo sich lange Zeit nur Schwalben, Insekten, Wildpflanzen und der Wind die Vorherrschaft in der mittelalterlichen Burgruine streitig machten, herrscht nun in den Sommermonaten wieder ein buntes und quirliges Treiben innerhalb der Festungsmauern.

Habt auch Ihr Lust auf einen Streifzug durch die alten Gemäuer?
Dann lasst uns gemeinsam auf Entdeckungstour gehen!

1. Eingang

Die Zugbrücke war der einzige Zugang zur polygonal angelegten und von einem tiefen Wassergraben umgebenen Burg. Im Zuge des Wiederaufbaus im 15. Jahrhundert wurde die schwer bedienbare Kettenwindenbrücke mit dem neuen Modell der Schwungrutenbrücke ersetzt. Dieses System aus Gewichten und Gegengewichten konnte, dank des physikalischen Geheimnisses der Hebelkräfte, in Windeseile von nur zwei Mann bedient werden. Einziger Nachteil, das bisherige Fallgitter als letzte Schutzinstanz entfiel. Dafür gab es nun einen schmalen Durchgang für das Fußvolk und ein breiteres Tor für Reiter und Karren. Neben den massiven, eisenverstärkten Holztoren existierte ein weiteres Mittel, den Gegner schon vor dem Eindringen in das Burginnere, wieder in die Flucht zu schlagen. Durch die sogenannten Mordlöcher im Torgewölbe konnte der Feind beschossen oder alternativ mit Teer, heißem Öl und anderen abschreckenden Flüssigkeiten übergossen werden.

Eingang mit Zugbruecke zum Chateau de la Hunaudaye an der Cotes d'Armor in der Bretagne

2. Burghof

Im Burghof herrschte im Mittelalter durchgehend hektisches Treiben. Alle Gebäude von militärischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bedeutung gruppierten sich um das Herzstück der Anlage, in dessen Zentrum der überlebensnotwendige Brunnen stand. Noch heute lassen sich die Unterkünfte für die Bediensteten, die Küche als auch die Bäckerei, ein Pferdestall sowie die Wohngebäude des Burgherrn und seiner engsten Gefolgsleute ausmachen.

Suedseite des Chateau de la Hunaudaye in der Bretagne vom Innenhof aus gesehen

3. Küche

Die mittelalterliche Küche stand unter Dauerbetrieb. Während im großen Ofen riesige Brotlaibe auf Temperatur gebracht wurden, buken im kleineren Ofen Pasteten und Kuchen. Auch das Feuer im Kamin erlosch praktisch nie. Brutzelte nicht gerade ein Wildschwein am Spieß, standen zur Abwechslung Rehe, Rebhühner oder Kaninchen auf dem Speiseplan. Es gab sogar einen Abfluss für das Abwasser, das einfach in den Wassergraben eingeleitet wurde.

4. Wohngebäude und Festsaal

Vom einstigen Glanz und Prunk des Festsaals, in dem schillernde Feste, hochrangige Empfänge und wichtige Audienzen stattfanden, sind nur noch wenige Mauerfragmente erhalten. Dieser Gebäudeteil im Westen der Burg entstand erst im späten 15. Jahrhundert. Das Land war befriedet, der reine Wehrcharakter der Burg trat in den Hintergrund. Es galt nun zu zeigen, wer man war und was man hatte.

Ein herrschaftliches Wohnhaus mitsamt einem repräsentativen Festsaal waren als Statussymbole bestens dazu angetan, die soziale Stellung hervorzuheben. Die geräumigen Privatgemächer des Burgherrn und seiner Familie im Obergeschoss erhielten große Fenster zur Außenwelt. Helligkeit als auch Wärme zogen ein. Dazu bedienten Fresken sowie Wandteppiche die ästhetischen Ansprüche an eine herrschaftliche Residenz. Die Zeit der kalten, engen und finsteren Wohnräume in den Verteidigungstürmen war endgültig passé.

5. Schwarzer Turm – Tour Noire

Duster klingt sein Name und duster ist es in seinem Innern.
Zusammen mit der Tour de la Chapelle legt der Tour Noire das letzte Zeugnis der ursprünglichen Burg aus dem 13. Jahrhundert ab. Über seinen originären Bestimmungszweck ist so gut wie nichts bekannt. Möglicherweise diente der Turm den engsten Vertrauten oder Bediensteten des Burgherrn als Unterkunft. Dafür sprechen die kleinen, mit Latrinen ausgestatteten Räume und der Zugang zu den Privatgemächern im westlichen Wohngebäude.

6. Eisturm – Tour de la Glacière

Der Einsturz dieses Verteidigungsturmes aus dem 15 Jahrhundert war der Auslöser, dass die Burg von Hunaudaye heute als Monument Historique unter Denkmalschutz steht. Seinen Namen erhielt er von den im Kellergewölbe untergebrachten Vorratsräumen. Durch die Nordausrichtung herrschten im Untergeschoss konstant niedrige Temperaturen. Ideal um Lebensmittel zu lagern. Allerdings verlangte der Einstieg in den Keller akrobatisches Können. Eine Treppe gab es nämlich keine. Nur über eine Luke im Boden sowie einer Leiter gelangte das Küchenpersonal an die gut gehüteten Vorräte. Im Vergleich dazu, ging es in den überirdischen fünf Etagen wesentlich komfortabler zu. Jeder der 30 Quadratmeter großen Säle verfügte über einen Kamin.

7. Renaissance-Treppe

Die Prunktreppe war die letzte bauliche Veränderung im Château de la Hunaudaye. Der prächtige Festsaal und die westlichen Gemächer verlangten nach einem adäquaten Zugang. Keinesfalls wollte sich der Herr von Tournemine die Blöße geben, und seine Gäste über die dunkle Treppe des Schwarzen Turms in den Prunksaal führen. Demzufolge entstand im 16. Jahrhundert das mit Kapitellen verzierte Meisterstück der Renaissance, das heftig unter dem Missbrauch der verlassenen Burg als Steinbruch gelitten hat.

Renaissance-Treppe und Eisturm des Chateau de la Hunaudaye

8. Turm des Lehnherren – Tour Seigneuriale

Der Name des viergeschossigen Turms im Osten der Festungsmauern verrät uns, dass er als Residenz und Wohnung der Adelsfamilie La Tournemine diente, bevor diese in das gegenüberliegende, wesentlich luxuriöser ausgestattete Wohnhaus übersiedelte. Trotzdem besaßen die Räumlichkeiten im Zwischengeschoss bereits Kamine, Wandschränke und Latrinen, wogegen das den Wachleuten und Bediensteten vorbehaltene Erd- bzw. Obergeschoss weitaus spartanischer eingerichtet war.

Eine interessante Entdeckung hält die Gewölbedecke bereit. Diverse Steinmetzzeichen reihen sich hier Stein an Stein hintereinander. Grundsätzlich verwendeten die Baumeister die Kennzeichnung zur späteren Abrechnung des eingesetzten Materials und der geleisteten Arbeit. Jedoch findet sich hier in jeder Reihe nur eine Sorte von Steinmetzzeichen. Somit könnte es sich um eine Art Bauanleitung handeln, wie das früher populäre Malen nach Zahlen.

9. Kapellenturm – Tour de la Chapelle

Es bleibt bis heute ein gut gehütetes Mysterium, was sich hinter den Mauern des ältesten Turms der Burg abgespielt haben mag. Versammelten sich die Edelleute hier zum Gebet? Stammte daher der Name des Turms? Ist dies auch die Erklärung für die in Stein gemeißelten Figuren und die Kreuzigungsszene am später hinzugefügten Treppenaufgang und dem Fenstergewölbe? Oder hinterließen eingekerkerte Gefangene an dieser Stelle ein Zeugnis des Schreckens? Die Expertenmeinungen gehen weit auseinander, denn keine Theorie kann zufriedenstellend belegt werden.

Allerdings ist nachgewiesen, dass wir hier vor dem ältesten Turm der Burg stehen. Das einfache Mauerwerk und die schmalen Pfeilschlitzscharten für die Bogenschützen weisen seine Entstehung der ersten Bauphase im 13. Jahrhundert zu. Damals übernahm der Turm die Funktion eines Bergfrieds. Seine Stockwerke standen nur über Leitern miteinander in Verbindung, die bei Gefahr eingezogen wurden. Dadurch konnte der Feind nicht in die oberen Stockwerke vordringen.

Tour de la Chapelle des Chateau de la  Hunaudaye in der Bretagne

10. Militärturm – Tour Militaire

Militärturm des Chateau de la Hunaudaye in der Bretagne

Mächtig, protzig, uneinnehmbar präsentierte sich der Tour militaire im Süden der Burg. Angesichts dieses Bollwerks resignierte mit Sicherheit jeder Angreifer. Erblickte er beim Näherkommen auch noch die runden Öffnungen im Mauerwerk, wusste er, was die Stunde geschlagen hat. Dann hieß es dem Pferd die Sporen geben und schnellstens das Weite suchen, bevor die Kanonenkugeln ihr Ziel trafen.

Von den Zinnen des 20 Meter hohen Turms, der im 15. Jahrhundert entstand, kann man einen ausgezeichneten Rundum-Fernblick genießen. Mangels Unterlagen zum Innenleben des Wehrturms, verzichteten die Restauratoren auf eine vage und womöglich historisch unauthentische Rekonstruktion. Die Wahl fiel stattdessen auf eine moderne, lichtdurchlässige Treppenkonstruktion, die die Dimensionen des Militärturms besonders gut zur Geltung bringt.

Noch mehr Burgen-Feeling

An dieser Stelle endet unser Rundgang auf der Burg von Hunaudaye. Wer eine Schwäche für mittelalterliche Burgen umgeben von einer beeindruckenden Kulisse hat, dem sei auch der Besuch der Felsenburg Fort la Latte am Cap Fréhel ans Herz gelegt.


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Anregungen für Erkundungslustige

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