Kirchenburg von Holzmengen, Hosman im Harbachtal in Siebenbuergen
Rumänien,  Unterwegs

Holzmengen / Hosman – von Schuld und Sühne und besseren Zeiten


Mein Reiseführer verspricht mir in Holzmengen, im Harbachtal, eine Kirchenburg mit dem am besten erhaltenen romanischen Portal in ganz Siebenbürgen. Als absolute Aficionada der mittelalterlichen Kunst darf ich mir das einmalige Schmuckstück auf keinen Fall entgehen lassen. So kann ich dem heutigen wolkenverhangenen, trüben Herbsttag vielleicht doch noch eine schöne Seite abgewinnen.

Ungünstigerweise komme ich aus Richtung Kleinschenk. Keine gute Ausgangslage zur Erkundung des Valea Hârtibaciului. Aber was sich Frau in den Kopf gesetzt hat, wird auch durchgezogen. Alles läuft wie am Schnürchen, bis ich mich vor Avrig entscheide, die DN 1 zu verlassen, um den Olt zu überqueren und mir die Schleife bis Sibiu zu ersparen.

Von hier aus rumpelt es sich bis Săcădate von einer gegossenen Betonplatte zur nächsten, bevor sich eine gekieste Fahrbahn nach Nucet hineinwindet. Dank einer Vollsperrung der Durchgangsstraße in dem Minidorf, kann hier jeder Autofahrer seinen fahrbaren Untersatz einem kostenlosen Stoßdämpfer-Härtetest unterziehen. Inklusive Überprüfung der Funktionstüchtigkeit der Bremsklötze. Und als besonderes Goodie gibt es noch eine nachhaltig haftende Unterboden-Schlamm-Packung obendrauf. Sozusagen ein Rundum-Sorglos-Paket. Was wünscht man sich mehr. Trotzdem zögere ich und überlege, ob ich dieses Umleitungs-Himmelfahrtskommando meinem Auto antun möchte, als mir ein Porsche die Entscheidung abnimmt. Das muss man sich einmal vorstellen. Ein im Niemandsland vom Himmel gefallenes Luxusgefährt (so kommt es mir zumindest vor) schneidet meinen Weg. Gnadenlos arbeitet es sich durch die Schlaglöcher und Fahrrinnen des unbefestigten Wegs voran und ich? … Zack hinterher. Wenn schon Achsbruch, dann wenigstens nicht mutterseelenallein auf weiter Flur.

Nachdem ich mich, für das überstandene Abenteuer, selbst zur Rallyekönigin erklärt habe, ist der Rest der Strecke über Cornăţel nach Hosman ein Kinderspiel.

Ein böses Erwachen aus dem Dornröschenschlaf

Die Kirchenburg von Holzmengen thront auf einer Anhöhe am Südrand des Dorfes. Ein guter Ort, um Freund und Feind frühzeitig auszuspähen. Wobei ich mit feindlichen Angreifern nun nicht wirklich gerechnet habe. Dafür aber mit der Kirchenburgführerin, die noch auf sich warten lässt. Dann stimme ich mich eben mit den essenziellen geschichtlichen Fakten zu dem knapp 800-Seelen-Dorf ein wenig auf die spätere Führung ein.

Daecher von Holzmengen, Hosman im Harbachtal

Im Archiv des päpstlichen Steuerregisters im Vatikan schlummert seit 1318 die erste urkundliche Erwähnung der Kirchengemeinde Holzmenia. Demzufolge hatte Pfarrer Henricus die Abgaben seiner sächsischen Schäfchen ordnungsgemäß abgeführt, die danach in einen über hundertjährigen Dornröschenschlaf fielen. So könnte man meinen, denn die Kirchenchronik schweigt sich über lange Strecken zum weiteren Dorfgeschehen aus.

Nach knapp 150 Jahren Schönheitsschlaf wurde die Siedlung am linken Harbachufer unsanft vom walachischen Woiwoden Vlad III. Drăculea geweckt. Zahlreiche siebenbürgische Dörfer verweigerten dem berüchtigten Pfähler aus diversen Gründen ihre Gefolgschaft, woraufhin dieser ganze Landstriche dem Erdboden gleichmachte. Kaum wieder auf die Beine gekommen, wurde Holczmangen, wie es sich zwischenzeitlich nannte, erneut niedergebrannt.
Dies zog den Bauern den Boden unter den Füßen weg. 1479 galt die Siedlung als verödet. Selbst der Pfarrer hatte das sinkende Schiff verlassen und das Kirchenvermögen dem benachbarten Leschkirch zur sicheren Aufbewahrung übereignet.

Mit Gottes Hilfe

Mit dem Anbruch des neuen Jahrhunderts zeigte sich ein Silberstreif am Holzmenger Horizont. Etwa 15 Wirte, ein Hirte, sowie ein Schulmeister bevölkerten das einst wüste Dorf. Allein die Anwesenheit eines Lehrers und damit eines Schulgebäudes setzte ein deutliches Zeichen. Das Dorfleben begann wieder aufzublühen. Mit der Hilfe Gottes, so steht es zumindest im Bogen des Westportals fragmentarisch zu lesen, konnte nicht nur die zerstörte Kirche, sondern auch die Befestigungsanlagen, bestehend aus zwei Mauerringen, Wehrtürmen, einer Bastei und einem Torturm aufgebaut werden.

Bald darauf erhielt die Gemeinde ihr Kirchenvermögen aus Leschkirch zurück, wofür sie in Hermannstadt eine Bombarde erstand. Mit dem Steilfeuergeschütz wollten sich die mittlerweile über 200 Sachsen zukünftig den Feind vom Leib halten.

Vielleicht war ein schweres Geschütz einfach nicht genug. Vielleicht war es auch miserables Timing und der Woiwode Mihai Viteazul überraschte die Bauern mit seinem Angriff im Schlaf. Fakt bleibt, der Fürst aus der Walachei fackelte während seines Siebenbürger Eroberungsfeldzugs Dorf und Kirchenburg ab.
Während 1695 immer noch 47 Höfe verwaist waren, sorgte keine zwanzig Jahre später, entweder ein erstaunlicher Baby-Boom oder eine Zuwanderungswelle dafür, dass Holzmengen erstaunliche 400 Wirte zählte.

Eine verhängnisvolle Rettungstat

Die Blütezeit war nur von kurzer Dauer. Die Kurutzen, ein Sammelbecken aufständischer Anti-Habsburger, brachten erneutes Leid nach Siebenbürgen. Dabei machten sie auch vor Hosman nicht Halt, das, wenn man der Legende glauben darf, durch einen besonders unglücklichen Umstand 95 % seiner Einwohner auf einen Schlag verlor. Wie konnte das geschehen?

Um die feindlichen Belagerer in die Flucht zuschlagen, ersann die Tochter des Kirchenburghüters eine besonders stichhaltige Waffe. Mutig ergriff sie die Eigeninitiative und schleuderte alle innerhalb des Zwingers aufgestellten Bienenstöcke über die Wehrmauer. Zunächst brachte dies den gewünschten Erfolg. Die Kurutzen gaben die Umstellung der Kirchenburg auf. Dass sich der Feind jedoch unerwartet in die Waldgebiete um Holzmengen (daher auch der Ortsname, denn im Wald gibt es eine Menge Holz) zurückzog, konnte niemand vorausahnen. Am wenigsten die junge Maid, die mit der Bienenaktion ihre Mitmenschen ins Verderben stürzte.

In den Wäldern hatten sich nämlich Frauen, Alte und Kinder verschanzt, denn für sie war der Weg bis zur Kirchenburg am Rande des Dorfes oftmals zu weit. Vielleicht hätte das nachfolgende Drama verhindert werden können, wenn die Holzmenger, wie die meisten Siebenbürger Gemeinden, ihre Kirche auf einem zentralen Dorfanger gebaut hätten. Doch hätte, hätte, Fahrradkette. Im Nachhinein lässt sich das Schicksalsrad nicht mehr zurückdrehen.

Die Kurutzen stöberten also die wehrlosen Einwohner im Wald auf und metzelten sie gnadenlos nieder. Auch die aus der Kirchenburg zu Hilfe geeilten Männer, konnten gegen die Übermacht der Soldaten nichts ausrichten. Von 400 Familien konnten sich nur 14 in Sicherheit bringen. Alle anderen ließen auf dem Mürderack, dem Mörderacker, wie er heute noch genannt wird, ihr Leben.

Vergebliche Täuschungsmanöver

Der Klingelton meines Handys schreckt mich aus meiner Zeitreise auf. Ich werde um weitere zehn Minuten Geduld gebeten. Die Kirchenburgführerin wurde aufgehalten. Kein Problem, denn so kann ich mich auf dem Burghügel ein wenig auf eigene Faust umschauen.

Mit Strebepfeilern verstärkt, streckt sich die acht Meter hohe Ringmauer gen Himmel. Eigentlich sind es derer sogar zwei, denn nach dem Motto „sicher ist sicher“ setzten die Dorfbewohner ihrem primären, ovalen Verteidigungsring einen zweiten, mehreckigen davor. Allerdings ist hier an der Nordflanke von letzterem nicht mehr viel zu sehen. Deshalb arbeite ich mich an der ehemaligen deutschen Schule und dem verschlossenen evangelischen Friedhof vorbei, in der Hoffnung, auf der rückwärtigen Seite mehr von der Zwingermauer zu Gesicht zu bekommen.

Alte deutsche Schule neben der Kirchenburg in Holzmengen, Hosman

Doch keine Chance! Ein äußerst hässliches, verrostetes Metalltor versperrt rigoros den Zugang. Wirklich schade, denn ich wäre gerne mit dem fünfeckigen Turm im äußersten Zipfel des Berings auf Tuchfühlung gegangen.

Dann unterziehe ich eben den auffälligen Torturm im Nordwesten einer näheren Begutachtung. Dabei entdecke ich auf halber Strecke und Höhe zwei alte Bekannte. Offensichtlich verstanden sich nicht nur die Kleinschenker, sondern auch die Holzmenger darauf, den Feind mit einem simplen Täuschungsmanöver hinters Licht zu führen. In dem die Sachsen zwei Pseudo-Kanonenkugeln in der Wehrmauer platzierten, demonstrierten sie die Standhaftigkeit ihrer Kirchenburg. Geholfen hat es ihnen letztendlich nicht, wie wir eingangs schon gelernt haben.

Die Speckfrage und die Powerfrau

Die dreigeschossige Torwehre mit der tonnengewölbten Einfahrt war der einzige Zugang zur Kirchenburg. Gesichert wurde er durch das mächtige Fallgatter aus eisenbeschlagenen Eichenpfählen, von dem man nur hoffen kann, dass es fest in seiner Verankerung sitzt. Ungewöhnlicherweise besaß der Nordwestturm darüber hinaus keine weiteren Verteidigungsmechanismen, gleichwohl der darin gelagerte Speck durchaus ein schützenswertes Gut war. Aber vielleicht hätte sein verführerischer Duft die Verteidiger viel zu sehr abgelenkt? Also verzichtete man lieber auf den Ein- bzw. Anbau von Schießscharten und Wehrerkern.

Torturm mit Fallgatter der Kirchenburg von Holzmengen, Hosman

Ich knabbere noch an der Speckfrage als Maria Nicula, die Schlüsselmeisterin angedüst kommt. Eine Powerfrau durch und durch. Viel beschäftigt, schwer erreichbar, aber herzensgut und absolut zuverlässig. Neben der Kirchenburg, managt sie ihre Familie, mehrere Gästezimmer als auch Wohnwagenstellplätze und, auf Wunsch, bekocht sie ganze Reisegruppen mit rumänischen Spezialitäten. Trotzdem hat sie sich losgeeist, um mir die Kirchenburg aufzuschließen und mich herum zu führen.

Auch wenn Maria Nicula keine Siebenbürger Sächsin ist, weiß sie doch einige Fakten zur Kirche zu erzählen, die 1275 als romanische, dreischiffige Basilika erbaut wurde. Ende 18./ Anfang 19. Jahrhundert entschied sich die Holzmenger Gemeinde dann für die Umgestaltung zur barocken Hallenkirche. Im gleichen Atemzug wurde auch das berühmte Westportal des Glockenturms wieder freigelegt. Weshalb und wann es zuvor zugemauert wurde, bleibt Spekulation. Möglicherweise eine Entscheidung, die im Laufe der Reformation fiel?

Die letzten beiden Jahrhunderte waren von zahlreichen Sanierungs- und Restaurationsarbeiten geprägt. Mal mehr, mal weniger umfangreich. Und, je nach finanziellen Möglichkeiten, leider oftmals weniger und selten mehr fachmännisch. Unter der Flickschusterei hat die Kirchenburg heute noch zu leiden. Einzig die 400 Jahre alte Turmuhr hält bis heute allen Widrigkeiten stand. Nur ab und zu benötigt sie wohl mal einen kleinen Anschubser, ein paar freundliche Worte und Streicheleinheiten oder ein Kännchen Öl.

Ein Bilderrätsel am Glockenturm

Angesichts der nicht weichenden dunklen Wolkenfront schlägt Maria vor, mit einem Rundgang um die Kirche zu starten.

Wir beginnen mit dem Wahrzeichen von Holzmengen, dem markanten, fünfgeschossigen Glockenturm. Kurze Zeit nach dem Bau der Ringmauern erhielt er mit dem holzverkleideten Wehrgeschoss sein heutiges Aussehen. Um die Schießscharten als auch den Wehrgang unter dem Pyramidendach bei Gefahr schnellstmöglich zu besetzen, war er nicht nur vom Innern der Kirche, sondern gleichfalls von außen über extrem schmale Stollentreppen im Norden und Süden zugänglich. Diese waren im Angriffsfall leicht zu verteidigen, da sich der Feind immer nur einzeln durch das Nadelöhr voran arbeiten konnte.

Über dem Vorhallendach des Westportals mache ich am Glockenturm noch eine überraschende Entdeckung. Das runde Vierpassfenster, dessen Form an die vier Evangelisten erinnern soll, legt eine Verbindung der Kirche bzw. ihrer Baumeister zur Zisterzienser-Bauhütte in Kerz nahe. Auch im 13. Jahrhundert war die Welt ganz schön klein. Klein, und deshalb gerne übersehen, wird die mysteriöse Darstellung zweier Personen direkt neben dem einsamen Vierpass.

Wer genau hinschaut, erkennt eine nackte als auch eine angezogene Person. Während diese Darstellung anfangs als Adam und Eva bei der Vertreibung aus dem Paradies gedeutet wurde, tendieren zwischenzeitlich immer mehr Experten dazu, dass es sich um die Taufe Jesu im Jordan durch Johannes den Täufer handelt.

Ein interessanter Interpretationsansatz, der allerdings die wichtigsten Frage unbeantwortet lässt. Wieso ist das Relief genau an dieser Stelle? Weshalb ist es allein auf weiter Flur? Und warum ist es in seiner Aussage nicht wirklich eindeutig? Die Steinmetze des Mittelalters waren immer sehr konkret mit der Botschaft ihrer Arbeiten. Schließlich hatten sie die Aufgabe, die Inhalte der Bibel als auch die ethischen und moralischen Eckpfeiler des christlichen Glaubens dem Volk nahe zu bringen. Und zwar in unmissverständlich verständlichen Bildern. Warum also in Rätseln sprechen?

Der Putz bröckelt noch und nöcher

Weiter geht es entlang des Längsbaus, an dessen Außenwänden sich noch deutlich die Ansätze der Arkadenbögen der Seitenschiffe abzeichnen, die im Rahmen der Wehrbarmachung abgetragen und zugemauert wurden. So lässt sich heute nur noch erahnen, wie glanzvoll die romanische Basilika einst ausgesehen haben mag.

Hauptschiff mit Arkadenboegen der abgetragenen Seitenschiffe von Holzmengen, Hosman

Heute ist jeglicher Glanz verloren gegangen. Das Gebäude ist in einem erbarmungswürdigen Zustand. Der Putz bröckelt an allen Ecken und Enden, Dachziegel lösen sich, die Feuchtigkeit frisst sich unaufhaltsam durchs Gemäuer. Ein trauriger Anblick. Leider ist die Kirchenburg von Holzmengen nicht die einzige, die sich in die lange Reihe der siebenbürgisch-sächsischen Kulturgüter einreiht, denen die aktive Gemeinde und mit ihr die kontinuierliche Pflege der Bausubstanz abhandengekommen ist.

Ein Blick auf den Mauerring verrät, dass auch er schon bessere Zeiten gesehen hat. Von dem überdachten Wehrgang haben sich als einzige Spuren die Löcher der Tragebalken erhalten. Selbst die beiden Verteidigungsposten, der Pfarrerturm im Süden und der Schülerturm im Osten sind nur noch ein Schatten vergangener Tage. Der Zugang ist versperrt, das Betreten zu gefährlich.

Von Schuld und Sühne

Nach der Kirchenumrundung kommen wir zum Ausgangspunkt und damit zum Aushängeschild der evangelischen Kirche zurück. Das romanische Westportal. Früher allen Unbilden des Wetters ausgeliefert, dann mehrere Jahrhunderte hinter eine Mauer versteckt, schützt nun eine Vorhalle das einzigartige, polychrome Tympanon.

romanisches Portal der Kirche von Holzmengen, Hosman im Harbachtal

Die sorgfältig ausgearbeiteten Säulenkapitelle zu beiden Seiten des Trichterportals besetzen seltsame, geflügelte Mischwesen mit menschenähnlichen Köpfen. Die Kreuzungen aus Greif und Mantikor nehmen jeden einzelnen Besucher genauestens ins Visier. Am Stephansdom zu Wien halten ähnliche Schimären das Böse aus dem Gotteshaus fern. Deshalb vermutet man, dass die gut beschäftigte Bauhütte aus Alba Iulia auf ihrer Wanderschaft von oder nach Österreich einen kurzen Halt in Holzmengen einlegte.

Relieffiguren und Kapitelle mit Chimaeren am romanischen Portals der Kirche von Holzmengen, Hosman im Harbachtal

Über den unheimlichen Mensch-Tier-Gestalten erhalten die Kirchgänger zu beiden Seiten des Bogenfelds eine Lehrstunde in Sachen Versuchung und Erlösung.

Links außen ist die Seele eines jungen Burschen in Gefahr, dem zwei pechschwarze Teufelsfiguren auflauern, um ihn in ihr dunkles Reich hinabzuziehen. Die winzige Sünderfigur daneben möchte ebenfalls der Hölle entkommen. Ehrfürchtig beichtet sie Petrus mit dem Riesen- Himmelsschlüssel in der Hand ihre Verfehlungen. Weit davon entfernt, materiellen, fleischlichen oder unmoralischen Versuchungen zu erliegen, sind die beiden Kirchenmänner in der Nähe des Türsturzes. Für Ikonografie-Experten repräsentieren sie das Evangelium, welches sie in ihren großen Patschehänden halten. Ich möchte dazu meine Zweifel anmelden, denn eine Blumengirlande auf einer Schriftrolle scheint mir ein allzu eitles Gestaltungselement. Und das käme doch wieder einer Sünde gleich, nicht wahr?

Der Sieg des Guten über das Böse

Auf der rechten Seite leisten die Relieffiguren Abbitte und suchen Kraft im Glauben. Reumütig fleht die sündige Sirene mit dem schuppigen Fischschwanz den Evangelisten Paulus an. Vom Märtyrer mit dem Glaubensschwert erhofft sie sich die sinnbildliche Verkörperung der Wollust Vergebung. Doch der Blick ihres Retters ist entrückt in weite Ferne gerichtet. Der Namenspatron der Kirche scheint sich selbst genug.

Zu Sinnbildern des festen Glaubens erklärt die Fachliteratur den Bischof mit dem Weihrauchgefäß als auch die Stifterfigur mit der Modellkirche im Arm auf dem äußersten Kapitell. Also, um die Modellkirche erkennen zu können, benötigt man heutzutage viel Fantasie. Aber selbst wenn dem so wäre, möchte ich gerne das provokante Stichwort „Ablasshandel“ in den Ring werfen. Welcher Stifter erwartete denn keine Gegenleistung für seine Spende? Und wenn es „nur“ um einen Begräbnisplatz in der Kirche oder im Himmel ging?

Heimatmuseum sticht Kircheninneres

Wie dem auch sei, das romanische Westportal ist eine wirkliche Rarität innerhalb der Kirchenburgenlandschaft.

Da können das klassizistische Kircheninnere mit Altar und Kanzel nur schwer mithalten. Ein Lichtblick ist die gut erhaltene Orgel auf der Westempore. Sie datiert aus dem Jahr 1807 und stammt aus den Händen des in Hosman geborenen Samuel Joseph Maetz. Seine Instrumente sind heute noch in mehr als 30 Kirchen in Siebenbürgen zu bewundern, darunter auch in Kleinschenk.

Ansonsten wartet auch hier viel Arbeit auf die Restauratoren, sollten sie irgendwann ihre Tätigkeit aufnehmen. Freigelegtes Mauerwerk, zusammengestückelte Holzpaneelen unterhalb der Emporen oder eine klaffende Lücke in der Kirchendecke entlocken mir einen tiefen Seufzer.

Da lasse ich mich von Maria doch lieber in die gegenüberliegende Bastei locken, um in der dort eingerichteten Heimatsammlung meinen Besuch der Kirchenburg ausklingen zu lassen. Ehemalige Holzmenger Sachsen haben den Ausstellungsraum mit persönlichen Erinnerungsstücken liebevoll eingerichtet.

Eine Nachbarschaftstruhe, bestickte Wandbehänge, sorgfältig gearbeitete Kissenbezüge und Decken, schwarz-weiß Fotografien, Kleinmobiliar sowie mehrere Frauen- und Männertrachten erinnern an vergangene, für manche auch an bessere Zeiten.

in Reiselaune und Maria Nicula, die Kirchenburgfuehrerin von Holzmengen


Maria ist schon wieder auf dem Sprung.
Morgen hat sich eine 20-köpfige Reisegruppe zum Mittagessen bei ihr angemeldet. Bis dahin muss noch fleißig der Kochlöffel geschwungen werden. Drei Gänge wird es geben.
Bohnensuppe mit Speckeinlage, Mititei mit Mamaliga und Brânza als Beilage, sowie zum süßen Abschluss die unwiderstehlichen Papanaşi.
Mir läuft das Wasser im Munde zusammen.


Gut zu wissen

Verein Kulturerbe Kirchenburgen e.V.

Hosman lebt – Ein Plädoyer für vielseitiges Engagement

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