Wandmalerei in der romanischen Kapelle der Kirchenburg von Petersberg, Sanpetru
Rumänien,  Unterwegs

Petersberg / Sânpetru – Die verkannte Kirchenburg des Burzenlands


Als ich an diesem Morgen mein Teilzeitdomizil in Braşov verlasse, um nach nicht einmal sechs Kilometern den ersten Halt des Tages einzulegen, weiß ich nur, dass aller guten Dinge drei sind. Nämlich, dass die Kirchenburg von Petersberg, als einzige im Burzenland, drei erhaltene Ringmauern besitzt.

Dass noch weitere Highlights auf mich warten, erfahre ich allerdings recht bald von der sympathischen, deutschsprachigen Kirchenburgführerin von Sânpetru, Frau Elfriede Seemann-Voicu, mit der ich verabredet bin.
Frau Seemann-Voicu ist als Petersberger Urgestein eine in ihrer Gemeinde engagierte Siebenbürger Sächsin. Ich freue mich deshalb alles Wissenswerte zur Kirchenburg und der Geschichte von Petersberg von ihr aus erster Hand zu erfahren.

Frau Elfriede Seemann-Voicu, Kirchenburgfuehrerin von Sanpetru, Petersberg in Siebenbuergen

Verkehrte Kirchenwelt in Petersberg

Unsere Führung startet direkt mit dem evangelischen Gotteshaus.
Die dreischiffige Kirche ist stilistisch eindeutig dem Klassizismus zuzuordnen, doch gemessen am Zustand der äußeren Bausubstanz hätte ich sie ohne Weiteres 500 Jahre älter geschätzt. Meine wandelnde Dorfchronik klärt mich dazu auf.

Kirchenburg von Petersberg, Sanpetru

Ursprünglich stand an Ort und Stelle eine romanische Klosterkirche aus dem 13. Jahrhundert. Vermutlich die älteste des Burzenlandes. Doch leider hatte der wiederholte Einsturz des Glockenturms sie dermaßen schwer in Mitleidenschaft gezogen, dass sie nicht mehr zu retten war. Mit Ausnahme von zwei Schlusssteinen, von denen einer das Agnus Dei-Motiv zeigt. Sofort muss ich an die Kirche in Neustadt (Cristian) denken und die Verbindung zur Zisterzienser-Bauhütte von Kerz. Und damit liege ich auch nicht ganz falsch. Die Gründung von Petersberg ging zwar auf den Deutschen Orden zurück, doch nachdem die Ritter 1225 in Ungnade gefallen waren und Siebenbürgen verlassen mussten, erhielt das Kloster Kerz (Cârţa) neben Tartlau und Honigberg auch Petersberg zugesprochen.

1794 wurde also die romanische Basilika abgetragen und der jetzige Bau drei Jahre später vollendet. Eigentlich eine unspektakuläre Hallenkirche, ohne jegliche Wehrelemente, wie es für das Burzenland typisch war. Und doch gibt es eine Besonderheit. Ob ich den Fehler finde? Findet Ihr den Fehler?

Richtig, Chor und Glockenturm haben die Plätze getauscht. Warum die Bauherren die übliche Ostung der Kirche außer Acht ließen, bleibt ein Rätsel. Weniger mysteriös, sondern geradezu offensichtlich ist die Ähnlichkeit des Glockenturms mit demjenigen der Schwarzen Kirche in Braşov. Warum das Rad neu erfinden, wenn es in Sichtweite liegt?

Trendiger Klassizismus

Auch die über den Emporen ausgebreiteten Siebenbürger Teppiche im Innenraum erinnern an die berühmte Schwarze Kirche. Übrigens, damit hier keine Missverständnisse aufkommen. Die wertvollen Knüpfwerke stammen, trotz ihres Namens, nicht aus Siebenbürger Werkstätten. Vielmehr kamen sie als Luxus-Handelsware zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert aus dem Osmanischen Reich nach Transsylvanien. Hier wurden sie dann von wohlhabenden Sachsen der Kirche geschenkt. Zur Zierde des Gotteshauses, zur Zurschaustellung des Wohlstandes, da nicht selten der Name des Spenders im Nachhinein aufgebracht wurde, und womöglich als Eintrittsteppich (à la Aladdin) ins Paradies.

Die rot- und cremefarbigen Teppiche sind es auch, die ein wenig Farbe und Wärme in den zwar überaus elegant, aber zugleich ein wenig steril designten, weiß-blassblau-grauen Innenraum zaubern. Farblich perfekt darauf abgestimmt sind sowohl die Orgel mit dem weiß-goldenen Prospekt auf der Ostempore, als auch der übergroße, klassizistische Altar.

klassizistische Orgel in der evangelischen Kirche von Petersberg, Sanpetru

Dieses Mal segnet Jeus vom westlichen Chorraum aus die Gemeinde, während Petrus und Paulus ihm unterstützend zur Seite stehen. Als der dänische Bildhauer, Bertel Thorvaldsen, zu Beginn des 19. Jahrhunderts seine Marmorfigur des Christus als Tröster schuf, hätte er es sich wahrscheinlich niemals träumen lassen, dass er damit die Darstellung des Gottessohnes in der Kirchenkunstgeschichte revolutionieren würde. Heute schmücken unzählige Nachbildungen die Gotteshäuser, Kapellen, Gärten und Friedhöfe auf der ganzen Welt. Selbst in den kleinsten Gemeinden des Burzenlandes, darunter Wolkendorf, Neustadt oder Weidenbach war der segnende Christus bald das Nonplusultra in der Ausstattung neuer Kirchenbauten.

Die gebeutelte Petersberger Gemeinde

Auf dem Weg nach draußen in den hufeisenförmigen Kirchhof erzählt mir Elfriede Seemann mehr über die Geschichte von Petersberg.

Kirchhof der Kirchenburg von Petersberg, Sanpetru

Die einstmals rein sächsische Gemeinde kam bei der ersten osmanischen Angriffswelle, die über das Burzenland hinweg rollte, relativ glimpflich davon. Dies war vermutlich noch dem Deutschen Orden zu verdanken, der bereits eine Befestigungsmauer um die erste Kirche hochziehen ließ.

Allerdings kamen 1432 die Türken mit noch größerer Schlagkraft zurück. Sie verwüsteten das Bauerndorf dermaßen, dass es der König für sechs Jahre von der Steuerlast des Martinszehnten befreite. Wie alle Gemeinden des Burzenlands litt auch Petersberg unter den immer wiederkehrenden Überfällen, Plünderungen und Brandschatzungen der Tataren, Türken und Walachen. So verlor die, mit etwa 550 Einwohnern, eh schon kleine Dorfgemeinschaft im Laufe des 17. Jahrhunderts ein Drittel seiner Einwohner.

Selbstverständlich zählte auch der Siebenbürgische Fürst und selbsterklärte Sachsenfeind, Gabriel Báthory zu den Petersberger Plagen. Ihm gelang es 1611 als Einzigem, die Kirchenburg in seine Gewalt zu bringen. Kaum hatten sich die Sachsen von der Verwüstung durch den Grausamsten aller Schrecken des Burzenlandes erholt, sammelten sich erneut türkische Truppen auf den Hügeln um Petersberg.

Vergeblich versuchten sie, dieses Mal die Kirchenburg zu stürmen. Möglicherweise lag dies an den inzwischen deutlich verbesserten Wehranlagen. Vielleicht war es aber auch einzig und allein dem mutigen Eingreifen einer jungen Petersbergerin zu verdanken.

Die Waffen einer Frau

Die Dorfbewohner hatten sich und ihr Vieh gerade noch rechtzeitig in der Kirchenburg verschanzt, bevor die türkischen Truppen mit dem Pascha an der Spitze anrückten. Tapfer leisteten sie dem Feind Widerstand. Doch langsam aber sicher, neigten sich die Munitionsvorräte dem Ende entgegen. Die Gegenwehr wurde immer schwächer. Da wusste der Türkenanführer, dass es nur noch eine Frage der Zeit war, bis sich die Dörfler ergaben. Allerdings hatte er weder Zeit noch Geduld an Ort und Stelle auszuharren, bis sich das Kirchenburgtor freiwillig öffnete. Weitere sächsische Gemeinden im Burzenland wollten erobert sein.

Also gab der Pascha seinen Soldaten den Befehl, die Kirchenburg zu stürmen. Er selbst machte es sich lieber auf einem großen Stein vor dem Zugang zur Wehranlage bequem, um das Geschehen aus sicherer Distanz zu verfolgen.

Dabei wurde er von einer jungen Frau beobachtet, die sich in der Nähe versteckt hielt. Couragiert packte sie die einmalige Chance, die sich ihr bot, bei den Hörnern. Wobei die Hörner in diesem Fall einer spitzen Bockelnadel ähnelten. Mit großer Treffsicherheit feuerte sie ihre Haarnadel als Pfeilgeschoss auf den Pascha ab und verletzte ihn tödlich. Als die Türken bemerkten, dass sie ihren Anführer verloren hatten, traten sie umgehend den Rückzug an.

Die sächsische Stehauf-Mentalität

Die vorerst letzten Heimsuchungen standen den Petersberger zu Beginn des 18. Jahrhunderts ins Haus. Zuerst die Kurutzen und kurz danach die Pest. Letztere forderte mit 368 Todesopfern mehr als jede vorangegangene kriegerische Auseinandersetzung.

Inzwischen habe ich die wechselvolle und leidgeprüfte Geschichte der sächsischen Siedlungen beinahe ein Dutzend Mal erzählt bekommen. Und jedes Mal stelle ich mir erneut die Frage: Wie konnten es diese Menschen nur schaffen, unverdrossen nach vorne zu blicken? Immer wieder bei null anzufangen? Die Toten zu begraben, den Deportierten nachzutrauern und das von machthungrigen Königen oder Fürsten in Schutt und Asche gelegte Dorf eins ums andere Mal aufzubauen? Woher nahmen sie die Kraft und den Optimismus weiterzumachen? Fast keine Generation wurde von Kriegen, Seuchen oder Naturkatastrophen verschont.

Aus dem Glauben und dem gut organisierten Gemeinwesen bekomme ich oft als Antwort von den verbliebenen sächsischen KirchenburgführerInnen zu hören. Es galt

Deiner Sprache, deiner Sitte, deinen Toten bleibe treu!
Steh in deines Volkes Mitte, was sein Schicksal immer sei!

wie später der Dichter Michael Albert, die siebenbürgisch-sächsische Grundhaltung treffend beschrieben hat.

nostalgische Postkarte von Sanpetru, Siebenbuergen

Keine Zukunft – keine Sachsen oder eine Zukunft ohne Sachsen

Nach dem II. Weltkrieg war es damit vorbei. Die rigiden, gegen die deutschsprachige Bevölkerung gerichteten Maßnahmen des kommunistischen Regimes versetzten den Siebenbürger Sachsen den Genickschuss. Die Deportationen als Entschädigungsleistung für die Russen waren nur der Anfang. Sehr viel verheerender wirkten sich die Enteignungen aus. Für die Moral und das Selbstverständnis der Sachsen.

Vor 700 Jahren kamen sie in eine Region, die wüst und leer war. Sie besiedelten und bewirtschafteten es mit ihrer eigenen Hände Arbeit. Als freie Bürger besaßen sie Land und waren ihres eigenen Glückes Schmied. Doch nach 1945 änderte sich alles. Was machte es noch für einen Sinn, der Siebenbürger Heimat die Treue zu halten, wenn man nichts mehr besaß? Weder Grund noch Boden, noch Hof oder Herd? Ganz zu schweigen von der Würde? 

So begann die zunächst schleichende und nach 1989 unaufhaltsame Auswanderung der Siebenbürger Sachsen aus Rumänien. Auch vor Petersberg machte der Exodus nicht Halt.
„Zu Beginn des 20. Jahrhunderts zählte die evangelische Kirchengemeinde über 1700 Glieder. Heute sind es plus minus 100. Die Konvertierten aus Mischehen mitgerechnet“, erklärt mir Frau Seemann, „und das, obwohl die Einwohnerzahl von Sânpetru ständig zunimmt. Viele junge Familien schätzen die günstige Lage des Ortes. Die unmittelbare Nähe zu Braşov bietet Arbeitsplätze sowie ein attraktives gesellschaftliches und kulturelles Angebot. Gleichzeitig genießen die Menschen das Extra an Lebensqualität durch den, nach wie vor, ländlichen Charakter von Sânpetru“.

Action! Showtime in Petersberg 

Der ländliche Charakter und die provinzielle Atmosphäre waren es auch, die zu Beginn der 1970-er Jahre den ansonsten ruhigen Ort in Aufregung versetzten. Ein ausländisches Filmteam rückte an.

Der französische Drehbuchautor und Filmregisseur, Jean-Paul Rappeneau, fand in und um Petersberg die idealen Kulissen für seine Mantel- und Degen-Komödie „Musketier mit Hieb und Stich“. Rappeneau, der schon mit Romy Schneider, Catherine Deneuve und Philippe Noiret zusammengearbeitet hatte, machte dieses Mal Jean-Paul Belmondo zum abenteuerlustigen Haudegen und Protagonisten seines Kinofilms.

Und so konnte es passieren, dass man am helllichten Tag in den Gassen der kleinen Gemeinde am Fuß des Leimpeschhügels, plötzlich den Idolen des französischen Films, Marlène Jobert und Jean-Paul Belmondo über den Weg lief. Meine heutige Kirchenburgführerin traf es sogar noch besser. Neben anderen Einwohnern aus Petersberg erhielt sie eine Statistenrolle zugesprochen und fand sich plötzlich mit entsprechender Kostümierung im Filmset der Französischen Revolution wieder. Ein bis heute unvergessliches Erlebnis.

Drei Mauern sind keine zu viel

Bevor unser beider Gedanken sich noch weiter in melancholischen Rückblenden verlieren, wenden Frau Seemann und ich uns lieber wieder den harten, steinernen Fakten zu.

Drei Mauerringe legen sich von Süden bis Norden schützend um die Kirche. Einzig die Ostseite kam mit einem einfachen Verteidigungswall aus. Deutlich sind an den bis zu acht Meter hohen Mauern die Schießscharten und Gusserker zu erkennen. Die beiden äußeren Ringe entstanden erst im 17. Jahrhundert. Nach der Erstürmung der Kirchenburg durch Gabriel Báthory, hatten die Petersberger erkannt, wo die Schwachstelle ihrer Verteidigungsanlage lag.

Während die äußere Zwingermauer turmlos blieb, sicherten sowohl drei Wehrtürme den mittleren als auch den inneren Ring. Dazu gab es einen Torturm mit Fallgatter und Zugbrücke, der jedoch später dem Gemeindehaus weichen musste. Dafür ist bis heute im Süden das ehemalige Klostergebäude aus Zisterzienserzeit erhalten geblieben. Auffällig und wuchtig ragt der basteiartige Wehrbau aus der inneren Ringmauer hervor. Niemals hätte ich dahinter eine Schule vermutet. Aber Bildung war den Sachsen ein wichtiges Gut. Und selbst in Kriegszeiten gab es da keine Ausnahme. Die letzte Veränderung an der Kirchenburg erfolgte 1676 mit dem Vorbau eines fünfeckigen Verteidigungspostens an der Ostmauer. Nun hatte man den Feind von allen Seiten im Blick.

Noch interessanter ist der Rundgang entlang des inneren Berings.
Nach dem verheerenden Türkenangriff 1432 verstärkten und erhöhten die Petersberger den aus den Zeiten des Deutschen Ritterordens vorhandenen Mauerring. Unterhalb des durch Pultdächer geschützten, umlaufenden Wehrgangs entstanden die Gaden. Die überlebensnotwendigen Vorrats- und Wohnkammern sind noch komplett erhalten. Fragt sich nur wie lange? Der Putz blättert, die Fassade bröckelt. An allen Ecken und Enden. Inzwischen wurden aus einem EU-Fond finanzielle Mittel für dringend notwendige Restaurierungsarbeiten zugesichert. Man wird sehen, ob es am Ende nur ein Tropfen auf einem heißen Stein war oder das wunderschöne, historische Ensemble nachhaltig vor weiterem Verfall bewahrt wurde.

Von der Begräbniskapelle zur Speckkammer

Die Zeit vergeht wie im Flug und Frau Seemann ist mit mir inzwischen in der nordöstlichen Ecke des ovalen Mauerrings angekommen. Hier wartet nämlich die letzte Überraschung auf mich. Vorsichtig öffnet sie die Türe zu einem dunklen, rechteckigen Raum. Und gleichzeitig mit dem Lichteinfall fällt auch meine Kinnlade herunter. Denn ein bunter Freskenteppich ergießt sich vom lang gestreckten Kreuzgewölbe bis über die Seitenwände.

Ich erfahre, dass die Ursprünge der Leib-Christi-Totenkapelle ins 13. Jahrhundert zurückgehen. Ausgemalt wurde sie aber erst im darauffolgenden Jahrhundert. Im Zuge der Aufrüstung des inneren Befestigungsrings setzte man ihr zwei Wehrgeschosse auf und bezog sie in die Ringmauer mit ein. So besaß die Kirchenburg neben der „Schulbastion“ im Süden ein weiteres Verteidigungsbollwerk im Norden.

Ob die katholische Begräbniskapelle bereits mit dem geschlossenen Übertritt der Gemeinde zum evangelischen Glauben ausgedient hatte, lässt sich heute schwer nachvollziehen. Die Vermutung liegt allerdings nahe, dass zu dieser Zeit zumindest die Wände mit weißer Farbe übertüncht wurden. Bildliche Darstellungen waren nach der Reformation verpönt. Einiges spricht jedoch dafür, dass der Kapellenraum, mangels Alternativen, sogar bis ins 19. Jahrhundert genutzt wurde. Erst mit dem gesetzlich angeordneten Umzug des Friedhofs und dem Bau einer neuen Totenkammer am Ortsrand, wurde er als solcher obsolet. Dafür eignete er sich fortan bestens zur Aufbewahrung des pastoralen Specks.

1928 mussten die leckeren „Schweinereien“ dem kunstgeschichtlichen Interesse zuliebe ausgelagert werden. Eduard Morres, ein vielseitiger Siebenbürger Maler und Graphiker, dessen Werke in der Kirchenburg von Zeiden (Codlea) zu besichtigen sind, begann mit der Freilegung der wertvollen Wandmalereien. 

Das Kirchenburgen Highlight

Als erstes erkenne ich den Erzengel Michale mit dem Schwert des Glaubens in der einen und der schicksalhaften Seelenwaage in der anderen Hand. Daneben vollbringt Papst Gregor das berühmte Messwunder. Die Schlüsselszene beschreibt die Wandlung der Oblate in den Leib Christi während der Feier der Eucharistie.

Ebenfalls an der Nordwand bemühen sich ein Mann und zwei Frauen in zeitgenössischer Kleidung, im biblischen Sinne Gutes zu tun. Sie erhoffen sich durch ihre barmherzigen Werke, nämlich die Hungernden zu speisen und die armen (rumänischen) Hirten zu kleiden, Gnade vor den Augen Gottes zu finden. Ihren Seelenfrieden bereits verspielt, haben ganz offensichtlich die beiden im Höllenkessel brodelnden Sünder. Ein weiteres nacktes Menschlein steht um Gnade bittend und betend bereits am Abgrund. Ob es den Absprung ins Paradies noch schafft?

Die Überraschung mit den eindrucksvollen Freskenfragmenten zum Ende unserer Besichtigungsrunde ist Frau Seemann wirklich gelungen. An dieser Stelle deshalb noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön für die Zeit und Geduld, meine neugierigen Fragen zu beantworten.

Meine Euphorie, angesichts des unerwarteten Kirchenburgen Highlights, erhält nur durch den lamentablen Zustand des kleinen Gebetsraumes einen Dämpfer. Tiefe Rissen durchziehen die Wände, betonähnliche Klumpen verdecken teilweise die farbenfrohen Malereien, von denen längst noch nicht alle freigelegt sind.

Die Begräbniskapelle, wie sie sich heute präsentiert, ist das Ergebnis einer Aktion der rumänischen Denkmalbehörde. Über 60 Jahre nach den Bemühungen von Eduard Morres setzte sie die weitere Aufdeckung und Sicherung der Fresken auf ihre Agenda. Das Projekt startete, stockte und stoppte.
Die Gründe hierfür? Fehlende finanzielle Mittel? Staatliches Desinteresse? Zu großer Respekt vor der herausfordernden Aufgabe? Ich konnte es leider nicht in Erfahrung bringen. So bleibt nur zu beten, dass dieses einmalige Kulturdenkmal bald neue Förderer findet, um der Nachwelt noch lange erhalten zu bleiben. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt, um im Kontext der Totenkapelle zu bleiben.


Gut zu wissen

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Buchempfehlungen

Verein Kulturerbe Kirchenburgen e.V.

Credits:
Die Postkartenansicht von Petersberg, die Übersichtskarte als auch die Abbildung mit dem Grundriss der Kirchenburg stammen aus „Sânpetrul istoric – Album de prezentare“; UAT Sânpetru.

2 Kommentare

  • Klein Peter

    Sehr ansprechender, gut dokumentierter Reisebericht! Über die Darstellung des Fegefeuers könnten wir uns mal unterhalten, ich habe da eine etwas andere Deutung.
    Im Übrigen: die Kirchenburg wurde renoviert und am 6.8.2023 neu geweiht.
    Viele Grüße
    Ortspfarrer Dr. Peter Klein

    • in Reiselaune

      Sehr geehrter Herr Dr. Klein,
      es freut mich zu lesen, dass nicht nur mein Reisebericht auf positive Resonanz trifft, sondern auch die Petersburger Kirchenburg renoviert und neu geweiht wurde. Dies ist sicherlich ein Meilenstein für den Fortbestand dieses wertvollen Kulturerbes! Gerne erfahre ich Näheres über Ihre Interpretation des Fegefeuers.
      Viele Grüße,
      Petra Sepsy

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