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Unbekanntes Strasbourg – Kuriositäten und Anekdoten


Auf unserem heutigen, etwa 2,5 Kilometer langen Spaziergang durch das historische Strasbourg steuern wir durchaus bekannte Plätze an. Allerdings lüften wir dabei streng gehütete Geheimnisse, werfen einen Blick auf kuriose Kunstwerke oder mysteriöse Gegenstände und erfahren nebenbei ganz unglaubliche Geschichten dazu.

Strasbourg – Stadt der Kuriositäten und Anekdoten

  1. Monument für die Zürcher – Place du Pont aux Chats / Rue de Zurich
  2. Der Meiselocker – Place Saint-Etienne
  3. Die größte Jakobinermütze der Welt – 24, Place de la Cathédrale; Antiquité Bastian
  4. 1870-er Kriegsrelikte – 12-13 place de la Cathédrale; Hotel Cathédrale
    zusätzlich 1, place du Courbeau (Restaurant Au Canon) und 4, Place du Temple Neuf (gelbes Haus)
  5. Der Büchmesser – 11, Rue Mercière / Ecke Place de la Cathédrale
  6. Die Gruft der ZukunftPlace du Château
  7. Die Schuhe von König Sigismund – 1, Place du Marché-aux-Cochons-de-Lait
  8. Das Nilkrokodil – 10, rue de l’Outre; Restaurant Au Crocodile
  9. Der Eiserne Mann – 2, Place de l’Homme de Fer
  10. Der gallische Hahn – 17-21, rue de la Nuée bleue / Ecke Place St. Pierre le Jeune
Plan Strasbourg
Die Zahlen auf der Karte entsprechen den im Text genannten Stationen.
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Was Straßburg, Zürich und ein Topf Hirsebrei gemeinsam haben

Nach dem Gastspiel von Kelten, Römern, Alemannen und Franken nahm Straßburg als freie Reichsstadt des Heiligen Römischen Reiches ihren Weg in die Frühe Neuzeit. Doch dieses Privileg galt noch längst nicht als Garantie für inneren und äußeren Frieden. Je nach politischer Lage schloss sich die Stadt deshalb verschiedenen strategischen Bündnissen an. Und wer gemeinsam zu kämpfen verstand, der wusste auch gemeinsam zu feiern.

Bronzeplakette der Hirsebreifahrt auf dem Denkmal an der Place du Pont aux Chats in Strasbourg

Und so lud die die Stadt regelmäßig ihre Verbündeten zum Feldschiessen ein. Dabei brüsteten sich die Zürcher Teilnehmer damit, dass sie den Straßburgern im Falle einer Bedrohung so schnell zu Hilfe eilen könnten, dass selbst ein Topf Hirsebrei noch warm am Zielort ankommen würde. Gesagt, getan. 1456 ruderten die Zürcher von ihrer Heimatstadt nach Straßburg, wo sie binnen Tagesfrist mit einem noch dampfenden Pott voll Hirsebrei herzlich in Empfang genommen wurden. Im zweiten Anlauf 1576 schafften sie das Hirsebrei-Manöver sogar in nur 20 Stunden.

Um diesem legendären Ereignis zu gedenken, wurde 300 Jahre später ein Brunnendenkmal an exakt der Stelle errichtet, an der die Zürcher einstmals mit ihrer seltsamen Schiffsladung anlegten. Während zwei Bronzeplaketten die Hirsebrei-Mission plastisch darstellen, krönt die Büste des Schriftstellers Johann Fischart den ältesten Brunnen Straßburgs. Dieser verfasste 1576 unter dem Titel Das Glückhafft Schiff von Zürich eine epische Lobeshymne auf die Eidgenossen.

Heute sucht man an der Place du Pont aux Chat vergeblich nach einem Wasserweg. Der Rheingiessen, ein Nebenarm des Rheins, wurde nämlich im 19. Jahrhundert zugeschüttet.

Seit 1976 erfährt die Hirsebreifahrt ein zehnjähriges Revival. Allerdings dauert die Schiffstour heutzutage beinahe eine halbe Woche. Also muss mit dem Hirsebrei getrickst werden. Er wird neuerdings auf dem Landweg bis nach Kehl transportiert und erst dort auf eines der Langboote umgesetzt, um dann standesgemäß die letzte Etappe auf dem Wasser zurückzulegen.

Der Meiselocker und Straßburg skandalösestes Hinterteil

Als 1902 auf dem Broglieplatz vor dem städtischen Theater (heutige Oper) der Vater-Rhein-Brunnen eingeweiht wurde, ging ein Aufschrei der Empörung durch die Reihen der feinen Gesellschaft von Straßburg. Es war definitiv ein stattliches Denkmal, das der deutsche Bildhauer Adolf von Hildebrand geschaffen hatte. Aber noch stattlicher als die Bassins, Wasserspeier und mehrstufigen Kaskaden war das unverhüllte und provokant herausgestreckte Hinterteil der zentralen Figur des rheinischen Neptuns.

Besonders unter den Herren der Schöpfung war das Geschrei groß. Unter dem vorgeschobenen Einwand der Anstößigkeit fürchteten sie vielmehr, dass sie sich zukünftig mit den Gardemaßen des muskulösen Vater Rheins messen lassen müssten. Die integre und selbstverständlich über jeden Zweifel erhabene Damenwelt gönnte sich dagegen einen genussvollen Blick auf die nackten Tatsachen, bevor sie sich verschämt wegdrehte.

Der Ausgang des I. Weltkriegs besiegelte das Schicksal des skandalösen Brunnens. Die deutsche Herkunft des imposanten Hinterteils war den Franzosen ein besonderer Dorn im Auge, weshalb der Vater-Rhein-Brunnen zügig abgebaut wurde. Nach zähen Verhandlungen erhielt die Stadt München 1929 das Kunstwerk zurück. Im Tausch gegen eine vollkommen harmlose Brunnenfigur sowie einen Aufschlag von 54.000 Reichsmark.

In einer groß angelegten Einweihungszeremonie fand Der Meiselocker, die deutlich kleinere Tauschfigur des Elsässer Künstlers Ernest Weber, ihre neue Heimat auf der Place Saint Etienne. Mit einem Vogelkäfig in der einen und einer Flöte in der anderen Hand geht der bronzene Jüngling heute zwischen den Fachwerkhäusern auf Meisenfang. Früher zog es die Stadtjungen dafür in den Rheinwald oder ins Lerchenfeld. Wer nie auf Meisenfang war, der ist auch kein richtiger Bub, lässt uns die elsässische Inschrift auf dem Sockel wissen. So verdienten sich die Jungs nicht nur ihre ersten Sporen, sondern mit dem Verkauf der gefangenen Vögel ein zusätzliches Zubrot.

Statue des Meisenlockers, Place Saint Etienne in Strassburg

Eine Jakobinermütze für die Kathedrale

Nicht nur für die Einheimischen, sondern auch für die jährlich über 20 Millionen Touristen ist die ungewöhnliche Silhouette des Liebfrauenmünsters das typische Erkennungsmerkmal der Stadt Straßburg. Die wenigsten unter ihnen wissen allerdings, dass das Wahrzeichen der Kathedrale, der Nordturm, beinahe einer radikalen Splittergruppe der Französischen Revolution zum Opfer gefallen wäre.

Von den gesellschaftspolitischen Nachwehen des Sturms auf die Bastille blieb auch der Klerus nicht verschont. Dem Gottesdienstverbot folgten die Enteignung der Kirchengüter, sowie die Umwandlung der Gotteshäuser zu Tempeln der Vernunft, in denen kein Platz für Heilige und christliche Märtyrerfiguren war. Allein am Straßburger Münster fielen über 200 Statuen den Gewaltausbrüchen der Revolutionäre zum Opfer. Doch manch Einem ging dies noch nicht weit genug. Deshalb forderte eine Gruppe extremistischer Wutbürger den Abriss des 142 Meter hohen Nordturms der Kathedrale. Das damals höchste Bauwerk der christlichen Welt galt als offenkundiger Affront gegen das Prinzip der proklamierten Gleichheit (Égalité).

Bueste von Michel Sultzer an der Hausfassade 24, Place de la Cathédrale in Strassburg

Zum Glück gelang es dem Straßburger Kunstschmied Jean Michel Sultzer mit seinem Alternativvorschlag die Zerstörung des Kulturguts abzuwenden. Dazu fertigte er mit tatkräftiger Unterstützung eine zehn Meter hohe phrygische Blechmütze an, bemalte sie mit knallroter Farbe und setzte sie 1794 der Kirchturmspitze auf. Mit dem weithin sichtbaren Revolutionssymbol wollte man den Gedanken der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit bis an das andere Rheinufer spülen. Doch vergeblich. Nach zehn Jahren war der revolutionäre Spuk ohnehin Geschichte. Die Kapuze wanderte ins Stadtarchiv, wo sie im Bombardement 1870 ein Opfer der Flammen wurde.

Heute erinnert nur noch ein Blechschild mit der Silhouette der Kathedrale und ihrer roten Jakobinermütze diese denkwürdige Zeit. Auch der Retter der Kathedrale erhielt eine bleibende Anerkennung. Seine Büste ziert die Fassade seines ehemaligen Wohnhauses und jetzigen Antiquitätengeschäfts Bastian.

geschmiedetes Schild der Kathedrale mit phrygischer Muetze in Strassburg

Granaten als bizarrer Hauswandschmuck

Am 23. August 1870 prasselten innerhalb von 24 Stunden 1200 Granaten auf die Innenstadt von Strasbourg nieder. Mehrere Hundert Menschen verloren ihr Leben, der Dachstuhl der Kathedrale stand in Flammen und die nahe gelegene Stadtbibliothek mit ihrem enormen Schatz an mittelalterlichen Dokumenten war unwiederbringlich zerstört. Eine Woche lang dauerte nun schon die Belagerung der Festung Strasbourg durch den preußischen General von Werder und seiner 50.000 Mann starken Truppe. Es war Zeit, die nächste Phase einzuleiten, um das militärische Bollwerk des französischen Kaiserreichs mitsamt seinen 800 Artilleriegeschützen und 20.000 Soldaten in die Knie zu zwingen.

Doch das Bombardement brachte nicht den gewünschten Erfolg. Der französische General Uhrich gab nicht ohne Weiteres auf. Um die Stadt nicht weiter zu zerstören und die Einwohner weitgehend zu verschonen, entschied sich der preußische Befehlshaber für eine weitere Belagerung mit schrittweiser Einnahme der Stadtbefestigungen. Bevor es zum finalen Sturmangriff auf die Stadt kam, kapitulierte die französische Seite am 29. September 1870.

Noch heute erinnert eine Handvoll Granaten an diversen Hausfassaden im Stadtzentrum an den heftigen Artilleriebeschuss vor 150 Jahren. Allerdings darf man sich beim Anblick der ungewöhnlichen Kriegssouvenirs nicht täuschen lassen. Auch wenn es sich um originale Memorabilien handelt, so wurden sie erst im Nachhinein an der jeweiligen Stelle platziert.  

Der Büchmesser  – Gewichtskontrolle im Mittelalter

Die Winstub-Dichte in der Straßburger Altstadt deutet es mehr als an. Das Elsass ist Genussland. Gourmets als auch Gourmands kommen hier voll und ganz auf ihre Kosten. Egal ob Sauerkraut mit Schweinshaxe, der nicht minder rustikale Baeckeoffe-Eintopf oder ein Flammekueche mit Münsterkäse, für jeden ist etwas dabei.

Dies war im Mittelalter nicht anders. Besonders der sogenannte Schwörtag hatte es in sich. Seit dem Jahr 1334 bis zur Revolution versammelten sich jedes Jahr im Januar alle Vertreter der in Straßburg niedergelassenen Zünfte, um ihren Eid auf die Verfassung zu schwören. Anschließend zog man gemeinsam von Gildenhaus zu Gildenhaus, um die Erneuerung des Schwurs gebührend zu feiern. An diesem Tag wurde an Speis und Trank nicht gegeizt. Jede Zunft bemühte sich, die andere mit ihrer Gastfreundschaft zu übertreffen. Doch am Ende des Tages schlug für alle die Stunde der Wahrheit am Büchmesser.

Die 35 Zentimeter Abstand zwischen der Säule aus rosa Granit und der Hauswand der ehemaligen Pharmacie du Cerf, der ältesten Apotheke Europas, galt als das Maß aller Dinge. Wer hier nicht durchpasste, hatte sich eindeutig der Völlerei hingegeben und wurde zum Fasten verdonnert. Der Bauchmesser brachte auch ohne Waage und BMI die Wahrheit gnadenlos ans Licht.

Natürlich treibt eine derart nette Anekdote auch ihre Blüten. So erzählt man sich, dass die damaligen städtischen Steuereintreiber den Bauchmesser ebenfalls in Anspruch nahmen, um das Stadtsäckel zu füllen. Mögliche Übergewichts-Verdächtige wurden zum Rendezvous an der berüchtigten Säule einbestellt. Ein zu viel an Bauch bedeutete nämlich eindeutig zu viel Wohlstand. Und das rief selbstverständlich den Fiskus auf den Plan.

2016 musste die Säule ausgetauscht werden. Unsachgemäße Restaurierungen in der Vergangenheit und unzählige „Steckengebliebene“ hatten den Büchmesser stark in Mitleidenschaft gezogen. Das Original ist nun im Archiv des Straßburger Museums eingelagert.

Die Gruft der Zukunft  

Erst am 23. September des Jahres 3790 n. Chr. zu öffnen, steht in französischer Sprache auf einer im Boden des Place du Château eingelassenen Bronzeplatte zwischen dem Straßburger Münster und dem Palais Rohan. Dabei muss man schon genau hinschauen, um den unscheinbaren, unterirdischen Standort der acht Kubikmeter großen Straßburger Zeitkapsel zu orten.

Nichts anderes verbirgt sich nämlich unter der nicht mehr taufrisch wirkenden Bodenplatte aus dem Jahr 1995. Im Rahmen der Aktion Mutarotnegra (der römische Name Argentoratum für Strasbourg rückwärts gelesen) installierte der Straßburger Künstler Raymond-Émile Waydelich zusammen mit seiner fiktiven Muse Lydia Jacob unter dem Pflasterbelag des Platzes einen Bunker mit 14 luftdicht verschlossenen Fässern. Darin befindet sich ein Querschnitt an Objekten und Dokumenten, die quasi die menschliche Kultur des 20. Jahrhunderts repräsentieren.

Neben Alltagsgegenständen wie Kugelschreiber, Taschenrechner, Schallplatten, ein Radio, PC, Kondome, Coladosen oder ein Fußball des RC Strasbourg beinhalten die versiegelten Fässer auch handgeschriebene Briefe von Einheimischen und Touristen sowie heilige Schriften und Auszüge des Vertrags von Maastricht oder der Europäischen Menschrechtskonvention. Dazu erwartet die möglicherweise extraterrestrischen Entdecker der Gruft der Zukunft eine Auswahl an typisch elsässischen Spezialitäten. Eine Brezel und verschiedene vakuumverpackte Gerichte mit Bier- oder Weinbegleitung muss für den ersten, kleinen Hunger und Durst ausreichen.

Die Gruft der Zukunft am Straßburger Münster ist nicht die einzige derartige Aktion des französischen Malers und Bildhauers, der seine Werke gerne als Archäologie der Zukunft tituliert. In der Freiburger Tiefgarage am Augustinerplatz gibt es seit 1983 passend zur Lokalität eine für alle sichtbare Autoschrott-Installation. Ob als Mahnung für unser Umweltverhalten oder nur als reines Kunstobjekt gedacht, kann jeder für sich entscheiden.

Ein neues Paar Schuhe für den König

Er galt als eine der schillerndsten, aber auch strittigsten Persönlichkeiten des 15. Jahrhunderts. Dazu trug er nicht weniger als drei Königs- und eine Kaiserkrone. Die Rede ist von Sigismund von Luxemburg, Monarch der Königreiche von Böhmen, Ungarn und Kroatien sowie des römisch-deutschen Reiches. Permanente kriegerische Auseinandersetzungen, Thronfolgestreitigkeiten, Volksaufstände und dazu noch die Kirchenspaltung hielten den umtriebigen Herrscher ständig auf Trab. Doch trotz der ständigen innen- und außenpolitischen Herausforderungen schien der Dreifach-König kein Kind von Traurigkeit gewesen zu sein. Zeitgenossen bezeichneten ihn als Verehrer liederlicher Weibspersonen, dem Wein zugetan, nach Liebe brennend.

Fachwerkhaus mit Wetterfahne an der Place du Marché aux cochons de lait in Strasbourg

Auch sein Aufenthalt in Straßburg im Juli 1414 gehörte wohl zu den amüsanteren Geschäftsreisen des Monarchen. Noch spät in der Nacht zog er mit einer heiteren Damengesellschaft feiernd und tanzend durch die Gassen der Altstadt. Dabei kam dem „Tanzbären“ wohl sein Schuhwerk abhanden. Also klopfte man am Ferkelmarkt den Schuhmacher aus seinen Federn, um dem König schnellstens ein neues Paar Schuhe anzufertigen. Sodann konnte die fröhliche Runde bis zum Morgengrauen weiterfeiern.

Als Erinnerung an dieses königliche Stelldichein in seinem Haus ließ der Schuhmacher auf seinem Dach eine Wetterfahne in Form eines Schnabelschuhs mit den Initialen H.W.E. anbringen. Und so hält noch heute die royale Fußbekleidung am Place du Marché-aux-Cochons-de-Lait ihre auffällig gebogene Spitze in den Wind.

Dass das sechsstöckige Fachwerkhaus erst um das Jahr 1477 gebaut wurde und die Wetterfahne sogar noch jüngeren Datums ist, kehren wir an dieser Stelle einfach mal unter den Teppich der Geschichte. Historische Feinheiten werden manchmal einfach überbewertet.

Ein französischer Offizier und sein Nilkrokodil

Wer seine Schritte vom Place Kléber geradewegs in die schmale Schlüchgass (Rue de l’Outre) lenkt, wird entweder von den Miniatur-Köstlichkeiten der berühmten Pâtisserie Christian oder von den Kochkünsten des Sternerestaurants Au Crocodile angelockt. Dies ist auch schon das Stichwort für das wohl berühmteste Reptil der Eurometropole Strasbourg. Während in besagtem Gourmettempel das über 200 Jahre alte, präparierte Original ausgestellt ist, hängt an der Fassade eine täuschend echte Reproduktion des legendären Nilkrokodils. Doch wie fand das exotische Aushängeschild überhaupt seinen Weg nach Strasbourg?

Eisenreplik eines Nilkrokodils an der Fassade des Restaurants au crocodile in Strasbourg

Unter den Deckmantel der Kunst und Wissenschaft startete Napoleon Bonaparte im Jahr 1798 die sogenannte Ägyptische Expedition. Doch eigentlich plante er, den von muslimischen Maluken geführten Staat in eine französische Provinz zu überführen und gleichzeitig die britische Hegemonie im Mittelmeerraum zu schmälern. Während der dreijährige Ägyptenfeldzug für die Wissenschaft zum bahnbrechenden Erfolg avancierte, scheiterte die französische Armee schlussendlich in ihrer Zielsetzung. Stattdessen ließen 20.000 Männer, darunter auch General Kléber, ihr Leben.

Ein besseres Schicksal war dagegen Klébers Adjutant, Capitaine Ackermann, beschert. 1801 kehrte der elsässische Hauptmann in seine Heimat zurück und mit ihm im Gepäck eine ganz außergewöhnliche Trophäe. Der begeisterte Jäger frönte nämlich auch an fernen Gestaden seiner Jagdleidenschaft. Doch anstelle des üblichen Kleinwilds erlegte der Capitaine eben ein drei Meter langes Nilkrokodil und ließ es ausstopfen. Anschließend stellte er es als besondere Attraktion in seinem neu eröffneten Café in der Rue de l’Outre zur Schau.

Der Eiserne Mann – die erste männliche Schaufensterpuppe der Welt?

Es war einmal ein Waffenschmied namens François Hilbert, der wohnte 1740 im (aktuellen) Haus Nummer 2 am Isernemannsplatz auf der Grande Île. Er verstand sich vortrefflich auf die Herstellung ziselierter Säbel, scharfschneidiger Dolche, hieb- und stichfester Hellebarden als auch treffsicherer Armbrüste und schlagkräftiger Arkebusen. Jedoch war er nicht der einzige Vertreter seiner Zunft auf Straßburger Gemeindegebiet, weshalb seine gut gefüllte Waffenkammer mitunter vergeblich auf Abnehmer wartete. Also musste ein außergewöhnlicher Plan her, um seine Konkurrenten auszustechen. Und da Monsieur Hilbert nicht auf den Kopf gefallen war, landete der clevere Zeitgenosse einen bisher nie dagewesenen Marketing-Coup.

L'Homme de Fer - Eiserner Mann in Ritterruestung am Place l'Homme de Fer in Strasbourg

Er schmiedete in seiner Waffenkammer einen für die Stadtwächter des 16. Jahrhunderts typischen Ganzkörper-Plattenpanzer inklusive Eisenhut. Dieses Meisterwerk seiner Handwerkskunst brachte er anschließend als unübersehbare Dauerwerbung seines Könnens an der Fassade seines Hauses an. L’homme de Fer, der Eiserne Mann, war plötzlich in aller Munde. Im Handumdrehen gewann der symbolische Nachbarschaftswächter die Sympathien der Anwohner und stieg zur Ikone des Platzes auf.  

L'Homme de Fer - Eiserner Mann in Ritterruestung am Place l'Homme de Fer in Strasbourg

1870, nach 130 Jahren Nonstop-Habachtstellung, zog sich er heimliche Souverän des gleichnamigen Platzes in den Ruhestand zurück. Er tauschte sein illustres Outdoor-Leben gegen ein geruhsameres Dasein im historischen Museum ein. Stattdessen hält nun eine ebenfalls lebensgroße Reproduktion an der Hauswand der L’Homme de Fer-Apotheke die Stellung.

Ausgerüstet mit Hellebarde und Dolch hat der jetzige Stadtwächter mehr denn je alle Hände voll zu tun. Seit der Renaissance der Straßburger Straßenbahn in den 1990-er Jahren avancierte der Place de l’Homme de Fer mit seiner markanten gläsernen Rotunde zum Hauptverkehrsknotenpunkt der Stadt. Fünf sich kreuzende Straßenbahnlinien, bis zu 300.000 herumwuselnde Menschen pro Tag zu seinen Füßen und ein Tramstop alle 25 Sekunden können ganz schön ermüden. Kein Wunder, dass sich der „neue“ 150 Jahre alte Stadtwächter mittlerweile schon vier umfangreichen Schönheitsoperationen unterziehen musste.

Gockel-Showdown um 12 Uhr mittags

Im Vergleich zum Nilkrokodil macht eine weitaus weniger gefährliche Tierspezies in der Nähe der wunderschönen Kirche St. Pierre-le-Jeune tagein, tagaus lautstark auf sich aufmerksam. Schließt man nämlich exakt um Punkt 12 Uhr mittags vor dem Hauptsitz der Elsässer Nachrichten-Zentrale DNA (Dernières Nouvelles d’Alsace) die Augen und blendet die städtische Geräuschkulisse aus, fühlt man sich wie auf einem Bauernhof. Drei laute Cocoricooos hallen hintereinander durch die Blauwolkengasse, erwidert von einem fröhlichen weiblichen Gegacker.

gallischer Hahn aus geschmiedetem Eisen in Strasbourg

100 Jahre hat der gallische Hahn, der Verursacher des tierischen Spektakels, auf dem Zeitmesser in der Rue de la Nuée bleue inzwischen schon auf dem Buckel. Ein Mitarbeiter der Zeitungsredaktion und passionierter Kunstschmied erschuf das detailgetreue Federvieh als patriotisches Wahrzeichen des französischen Sieges im I. Weltkrieg. Aus eben diesem Grund brachte man den symbolträchtigen Hahn vor dem Einmarsch der deutschen Besatzungsarmee im Juni 1940 schnellstens in Sicherheit. Erst als Ende 1944 wieder die französische Trikolore über dem Rathaus der Stadt wehte, durfte der Hahn auf seinen angestammten Platz zurück.

Seit 1991 hat der ausdauernde Einzelgänger weibliche Gesellschaft bekommen. Zwar nur auf der gegenüberliegenden Straßenseite, aber immerhin. Und die strahlendweiße Henne lässt sich auch nicht lumpen. Mit jedem Kikeriki ihres Verehrers legt sie eine Handvoll goldene Eier in ihrem Nest ab. Eine Anspielung auf ihren finanzkräftigen Bankensponsor im Erdgeschoss des Gebäudes?

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