Zimtsterne mit Weihnachtsdeko
Straßburger Spaziergänge,  Typisch Straßburg

Elsässische Weihnacht Teil 3 – Schlemmereien in der Adventszeit


Nachdem der erste Beitrag meines Elsässer Weihnachts-Specials dem Straßburger Aushängeschild, dem 30 Meter hohen Weihnachtsbaum gewidmet war und Teil zwei durch die Weihnachtshauptstadt führte, mache ich Euch heute mit fünf kulinarischen Adventsklassikern aus dem Elsass bekannt.

Zugegebenermaßen handelt es sich bei den Bredele, Mannele, Berewecke, dem Vin chaud und dem Bière de Noël nur um die Spitze des elsässischen Eisbergs an Weihnachtsspezialitäten. Doch schon nach der Hälfte dieses Artikels läuft mir dermaßen das Wasser im Mund zusammen, dass ich den Versuchungen nicht länger widerstehen kann. Deshalb lasse ich Euch jetzt mit der Lektüre der fünf populärsten elsässischen Leckereien alleine und mache mich dick eingepackt und schnellen Schrittes auf in Richtung Grand-Île zur Live-Verkostung auf dem Weihnachtsmarkt.

Ach ja, falls Ihr ebenfalls Lust und Appetit bekommen habt, probiert doch selbst einmal das ein oder andere Rezept (am Ende des Beitrags) aus, das ich für Euch herausgesucht habe. Und da Vorfreude bekanntlich die beste Freude ist, gibt es im kommenden Jahr natürlich eine Fortsetzung durch die kulinarische Welt des Elsass, denn da wären ja noch die berühmten Lebkuchenmänner, die unwiderstehlichen Nonnettes, die Zunehupser, die Confiture de Noël als streichfertige Weihnachtsgewürzexplosion im Glas oder der alkoholfreie Glühapfelsaft.

Bredele – mehr elsässische Weihnacht geht nicht

Ab Ende November bis zum St. Thomastag am 21. Dezember weht ein himmlisch verführerischer Duft durch die Backstuben entlang des Ober- und Niederrheins. Es ist die Zeit des Bredele Backens. Die berühmten Elsässer Plätzchen sind eine unantastbare vorweihnachtliche Institution. Egal ob zu Kaffee, heißer Schokolade, Tee, Gewürztraminer, Glüh- oder Muskatwein, die elsässischen Bredele machen immer eine gute Figur. Kein Wunder also, dass man ihnen nachsagt, es gebe mindestens so viel Geschmacks- und Formvariationen wie elsässische Familien.

Dass schon vor 700 Jahren Bredele gebacken wurden, belegen entsprechende Ausstechformen aus Terrakotta. Allerdings bleibt der konkrete Verwendungszweck ungeklärt. Erst ab dem 16. Jahrhundert lässt sich das Kleingebäck mit der Weihnachtszeit in Verbindung bringen. Anisbrod aus Eischnee mit Aniskörnern oder einfache Butterbredele in Herz-. Stern-, Mond- oder Glockenform waren schon damals ausgesprochen beliebt. Auch von Zimtsternen war bereits die Rede, allerdings aufgrund des extrem teuren Gewürzes nur in exquisiten Gesellschaftskreisen.

Bredele, elsaesser Weihnachtskekse

Im 18. und 19. Jahrhundert wurde der Bredelemarkt durch die Erfindung metallener Ausstechformen einerseits und dem Zugang zu neuen Handelsmärkten andererseits neu aufgemischt. Die Bandbreite der Plätzchenzutaten führte zu ständig neuen Kreationen. Krosse Schwowebredele mit Mandelblättchen, Vanillekipferle, nussiges Spritzgebäck und Mini-Linzer erobern seither die Auslagen der Weihnachtsmärkte. Doch die absolute Königsklasse sind immer noch die rautenförmigen Leckerli aus Lebkuchenteig mit kandierten Früchten und Kirschwasser.

Zum Glück muss man heutzutage nicht mehr bis Heiligabend warten, ehe die kekshaltigen Pandorabüchsen geöffnet werden, sondern darf sich einer vierwöchigen Plätzchenorgie hingeben. Allerdings empfehle ich für einen reuefreien Genuss der Bredle, wie man sie in Straßburg nennt, die Waage bis zum Neuen Jahr in einen toten Blickwinkel zu verbannen.

Ausstechformen

Mannele – Eine Geschichte mit Happy End

Jedes Jahr feiern die christlichen Kirchen am 6. Dezember den Todestag des barmherzigen Bischofs Nikolaus von Myra. Eine Kultfigur unter den über 6.000 Heiligen der katholischen Kirche, die im Elsass mit einer ganz besonderen Tradition geehrt wird. Schon seit dem 12. Jahrhundert laufen an diesem Tag die Backöfen auf Hochtouren. Mit den Mannele, sprich den herrlich frischen Teigmännchen, sollen die braven Kinder belohnt und gleichzeitig an die Aufweckung der ermordeten Scholaren, eines der unzähligen Wunder des Heiligen Nikolaus, erinnert werden.

Lustig sind sie anzuschauen, die Kerle aus Briocheteig mit Rosinen oder Schokostückchen als Augen und Frackeleknöpfen. Doch ihre Geschichte liest sich wesentlich weniger vergnügt. Einer Legende zufolge soll ein geldgieriger Gastwirt drei junge Scholaren heimtückisch getötet, zerstückelt und gepökelt haben. Die untröstlichen Eltern konnten sich das plötzliche Verschwinden ihrer Kinder nicht erklären und baten deshalb den Bischof um Hilfe. Von einer bösen Ahnung erfasst, suchte dieser den Gastwirt auf und bat ihn, vom frisch eingelegten Fleisch zu servieren. Der Mörder fühlte sich auf frischer Tat ertappt und gestand sein Verbrechen, während der Heilige Nikolaus die Scholaren wieder zum Leben erweckte.

Die Man(n)ele, wie sie liebevoll im Bas-Rhin heißen bzw. Man(n)ala im Oberelsass, symbolisieren also niemanden Geringeren als den Heiligen Nikolaus und die geretteten Schüler. Bis ins 16. Jahrhundert hinein wurden sie aus einfachem Brotteig hergestellt. Erst seit gut 200 Jahren setzte sich der süßliche Briocheteig aus Weißmehl, Zucker, Butter und Milch durch. Definitiv ein geschmacklicher Zugewinn, der sich nur noch mit einer heißen Schokolade toppen lässt. 

Mannele, Klausenmann, Stutenkerl

Berewecke – das elsässische Hutzelbrot

Die Berewecke reichen zwar auf der Popularitätsskala der elsässischen Weihnachtsleckereien nicht ganz an die berühmten Bredele und Mannele heran, dennoch dürfen sie in der Adventszeit auf keiner nachmittäglichen Kaffeetafel fehlen. Was aber genau verbirgt sich hinter dem eigentümlich klingenden Namen, der eher Assoziationen an beerenfressende Bären als an eine sündig leckere Kalorienbombe hervorruft?

Nun, ein Berewecke ist das elsässisch-sprachliche Tarnmäntelchen für eine spezielle Sorte von Früchtebrot, in dem die Bere, sprich Birne, den Ton angibt. Über Jahrhunderte galten die Berewecke, die je nach Region auch unter dem Namen Hutzel- oder Kletzenbrot firmieren, als Armeleute-Brotmahlzeit. Besonders häufig standen sie auf dem Speiseplan der Almbauern. Die Grundzutaten waren nicht nur gut verfügbar und erschwinglich, sondern auch besonders nahrhaft. Die gedörrten Früchte füllten mit ihrem Fruchtzuckergehalt die Kohlenhydratspeicher auf, die Nüsse sorgten für den Fettanteil und die Geheimwaffe, der Pflaumen- oder Mirabellenschnaps, in dem die Früchte vor der Verarbeitung im Brotteig eingelegt waren, lieferte den besonderen Kick.

Fruechtebrot Vielfalt auf dem Weihnachtsmarkt

Was Thomas Mann und Berewecke gemeinsam haben

Also ein ideales Powerpaket to go für den Almauftrieb oder auch als Stärkung für Hans Castorp und seine launigen Sanatoriumsfreunde nach einer winterlichen Kutschfahrt in den schweizerischen Bergen. „Man konnte hier wohnen. Im Obergeschoß gab es Hotelzimmer mit Nummern. Dort lag auch das Eßzimmer, bäurisch und wohl geheizt. Die Ausflügler bestellten einen Imbiß bei der dienstwilligen Wirtin: Kaffee, Honig, Weißbrot und Birnenbrot, die Spezialität des Ortes. Den Kutschern ward Rotwein geschickt.“ So verwöhnte Thomas Mann in „Der Zauberberg“ seine Romanprotagonisten bzw. das Kurhaus Monstein im Schweizer Kanton Davos seine Gäste Anfang des 20. Jahrhunderts.

Im Laufe der Zeit entwickelte sich das Birnenbrot zum weihnachtlichen Brauchtumsgebäck. Da das Brot problemlos mehrere Wochen haltbar ist, fängt man bereits am Andreastag, dem 30. November, mit dem Backen an. Traditionsgemäß darf der Anschnitt allerdings erst an Heiligabend erfolgen. Doch ebenso wie die herkömmlichen Bräuche über die Jahre immer weiter aufgeweicht und kommerzialisiert wurden, veränderte sich auch die Zusammensetzung der Berewecke. Neben den drei Konstanten Birnen, Nüsse und Schnaps gesellten sich exotische Früchte wie Datteln, Feigen oder kandiertes Orangeat und Zitronat zur Teigmischung hinzu.

Beerewecke; Berewecke, Hutzelbrot

Übrigens kredenzt man im Elsass das mineralien- und ballaststoffreiche Superfood während der Adventszeit gerne als süße „Unterlage“ zur Stopfleber, der Foie gras. Wer jedoch dem offiziellen nationalen und gastronomischen Kulturerbe der Franzosen aus ethischen Gründen ablehnend gegenübersteht, dem sei die einfache, mit Butter bestrichene Variante des Birnenbrots empfohlen. In Kombination mit einem kräftigen Roquefort oder Camembert findet das Sprichwort „Gegensätze ziehen sich an“ seine kulinarische Bestätigung.

Vin chaud – vom römischen Würzwein zum Weihnachtsmarkt-Bestseller

Am Glühwein scheiden sich die Geister. Während die Kritiker ihm längst den Stempel eines zuckrig-klebrigen alkoholhaltigen Heißgetränks aufgedrückt haben, sehen ihn seine Anhänger als Inbegriff weihnachtlicher Atmosphäre in geselliger Runde. Kein Wunder also, dass der Gutelaunemacher im wärmenden Becher zum festen, besser gesagt flüssigen Inventar eines jeden Weihnachtsmarktes gehört. Der Straßburger Christkindelsmärik macht da keine Ausnahme. So werden an einem Wochenende schon mal an die 1500 Liter Vin chaud an einem einzigen Glühweinstand ausgeschenkt.

roemisches Kochbuch De re coquinaria in einer Handschrift des Klosters Fulda aus dem 9. Jahrhundert
De re coquinaria in einer Handschrift des Klosters Fulda aus dem 9. Jahrhundert

Das Brauchtum Wein zu würzen und zu erhitzen, stammt allerdings weder aus dem Elsass noch aus Deutschland, dem Traditionsland der Weihnachtsmärkte. Vielmehr verbreiteten die römischen Legionen den Würzwein auf ihren Eroberungsfeldzügen über halb Europa. Neben dem anregenden Getränk hatten sie möglicherweise auch ein Exemplar des De re coquinaris im Marschgepäck. Die umfangreiche Rezeptsammlung, mit der sich im 3./4. Jahrhundert n. Chr. ein gewisser Marcus Gavius Apicius als erster überlieferter Kochbuchautor seine Meriten verdiente, enthält nämlich eine Zutatenliste zur Herstellung des sogenannten Conditum paradoxum, des Würzweins. Darauf finden sich neben ein Rotwein, Pfeffer, Lavendel, Lorbeer und Rosmarin auch Unmengen an Honig sowie exotische Zutaten wie Dattelkerne oder Safran.

Rot oder weiß, das ist heute die Frage

Nach den Römern geriet der Würzwein für lange Zeit in Vergessenheit. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts taucht er als Glühwein wieder in den Kochbüchern auf. Zusammen mit Orangen, Zitronen und Zucker runden fortan Nelke, Zimt, Sternanis, Vanille, Kardamom, Ingwer und Muskat den Wein zu einem weihnachtlichen Geschmackserlebnis ab. Ein Geschmackserlebnis, das jedoch aufgrund der teuren Gewürze zunächst der gehobenen Gesellschaft vorbehalten blieb. Erst Ende des 19. Jahrhunderts trat der Glühwein dann seinen Siegeszug auf den Weihnachtsmärkten an. Doch leider führte der Massenausschank in den letzten Jahren zu einem massiven Qualitätsverlust. Nach dem Motto „viel hilft viel“ wurden billigen, geschmacklich minderwertigen Rotweinen Unmengen an Zucker zugesetzt, um ein halbwegs trinkbares Ergebnis zu erhalten. Damit hatte der Glühwein seinen Imageschaden weg.

Glücklicherweise hat bei vielen Anbietern mittlerweile ein Umdenken stattgefunden. Katerverdächtige Fertigprodukte aus Supermarktregalen sind tabu und Barriqueweine, bei denen die Vorfreude auf ein tolles Aroma nach dem Erhitzen zu einer im wahrsten Sinne des Wortes bitteren Enttäuschung wird, bleiben in den Weinkellern der Winzer. Stattdessen verströmen nun qualitativ hochwertige Weine aus jungen fruchtigen Rebsorten wie Merlot oder Gamay ihren verführerischen Duft zwischen den festlich beleuchteten Holzbuden.

roter Gluehwein mit Orangen und Gewuerzen

Der Weihnachtsmarkt-Klassiker ist also wieder auf dem Vormarsch. Nicht nur in der Tasse, sondern auch auf dem Teller. Egal ob Glühweinkuchen, Glühweinbirnen, Glühwein-Tiramisu, Glühwein-Fruchtgummis, Glühweingelee als Brotaufstrich, mit Glühwein angesetztes Rotkraut oder Glühwein-Ente, der kulinarischen Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Seit einigen Jahren hat das rote Traditionsgetränk nun sogar Konkurrenz aus den eigenen Reihen bekommen. Die frischere Weißwein-Variante, bevorzugt aus Riesling, Weiß- oder Grauburgunder, gewinnt immer mehr Anhänger. Ob sich zukünftig auch der neueste Trend, der Rosé Glühwein, durchsetzen wird? Lassen wir uns überraschen!

Bière de Noël – ein Restebier mausert sich zum Trendsetter

Was dem einen sein Glühwein, ist dem anderen sein Weihnachtsbier. Verführerisch bernsteinfarben bis schokoladenbraun kommt es im Glas daher und die Zugabe ausgewählter Gewürze verleiht ihm ein würzig-kräftiges bis weihnachtlich-fruchtiges Aroma. Dazu haut das Bière de Noël mit einem Alkoholgehalt von 7 bis 10 % mächtig auf den Putz. Und das ganz ungewollt. Verantwortlich dafür ist der hohe Malzanteil, der wiederum auf die ursprüngliche Brautradition dieses außergewöhnlichen Saisonbieres zurückgeht.

Das heute unter dem Label Weihnachtsbier vermarktete Getränk hieß im 17./18. Jahrhundert noch Oktoberbier. Zu dieser Zeit wurde nämlich die neue Hopfen- und Gerstenernte eingefahren, und die Lagerräume mussten bis dahin von den Vorjahresvorräten geleert werden. Mangels geeigneter Aufbewahrungs- und Konservierungsmöglichkeiten hieß es also die Braukessel zur Resteverwertung anheizen. Durch den hohen Malzanteil besaß das Brauergebnis zwar nicht die gewohnte Qualität, dafür aber deutlich mehr „Umdrehungen“. Den etwas schärferen Geschmack des nicht mehr frischen Getreides kaschierte man durch die Zugabe von Zucker und diversen Gewürzen, wobei jede Brauerei hier ihre eigenen Vorlieben umsetzte. So entstand ein Bier, das zwar nicht in den Handel gelangte, sich aber dennoch als Incentive für Mitarbeiter und gute Kunden eignete.

Mit der Entwicklung neuer Kühllagertechniken geriet das Oktoberbier gänzlich in Vergessenheit: Erst im Jahr 1985 feierte es seine Wiederentdeckung im Elsass und erlebt seither als trendiges Weihnachtsbier einen anhaltenden Boom. Vor allem die Bières artisanales, die handwerklich gebrauten Genussbiere der zahlreichen Mikrobrauereien im Elsass, überraschen mit einer geschmacklichen Vielfalt. Die Palette reicht von typischen Aromen der Adventszeit wie Orangenschale, Zimt, Anis und Karamell über rauchiges Kiefernharz oder Piment. Und wer es gerne noch ein wenig ausgefallener mag, für den finden sich auch Varianten mit Lakritz und Ingwer im Angebot.

Glühbier – das andere Weihnachtsbier

Fast hätte ich es vergessen. Das Weihnachtsbier ist kein Erfrischungsgetränk. Dementsprechend empfiehlt sich eine Trinktemperatur zwischen 7 und 14 Grad. Deutlich wärmer und möglicherweise mit Konkurrenzpotential zum Glühwein präsentiert sich auch dieses Jahr das ungewöhnliche Glühbier auf dem Straßburger Weihnachtsmarkt. Dazu wird das Weihnachtsbier schonend mit den klassischen Glühweingewürzen erhitzt, mit Honig aus den Vogesen gesüßt und heiß getrunken. Also dann santé!

Kessel mit Gluehbier und Flaschen mit Weihnachtsbier

Gut zu wissen

Rezeptkiste Berewecke & Mannele

Mehr über die Straßburger Weihnachtstraditionen in und um das Münster

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