Palais Rohan Strassburg
Blick in die Stadtgeschichte,  Straßburger Spaziergänge

Kardinal Louis René de Rohan und die berühmte Halsbandaffäre


Im Jahr 1785 erschütterte ein gewaltiger Betrugsskandal den Königshof von Versailles. Die sogenannte Halsbandaffäre wird heute gerne als Zündschnur für den vier Jahre später stattfindenden Sturm auf die Bastille gesehen. Ihren Ausgang nahm sie allerdings im Fürstbistum Straßburg. War das gegenüber dem Liebfrauenmünster liegende Schloss Rohan tatsächlich die unbeabsichtigte Keimzelle der Französischen Revolution? Oder wurde der Stadt am Rhein diese Rolle ebenso verwehrt wie das Rampenlicht als Geburtsort der Marseillaise?

Lernen wir zunächst die Protagonisten dieser meisterhaft eingefädelten Intrige kennen, bevor wir uns mitten ins Geschehen des über alle Maßen grotesken Gaunerstücks stürzen.

Die Hauptdarsteller

Kardinal Louis René Édouard de Rohan-Guéméné

Rolle: Höchster Kirchenfürst Frankreichs und naives Opfer.
„Ein schön anzusehender Prälat, wenig fromm, umso mehr den Frauen zugetan. Überaus geistreich und liebenswürdig, aber von einer Leichtgläubigkeit, die er teuer bezahlen musste“, so die Zeitzeugin Baronin von Oberkirch.

Louis René de Rohan; 1783
Louis René Édouard de Rohan-Guéméné

Louis René Édouard de Rohan-Guéméné erblickte 1734 mit dem goldenen Löffel im Mund das Licht der Welt. Als Sprössling einer der angesehensten Adelsfamilien Frankreichs und über fünf Ecken mit königlich bretonischem Blut in den Adern gesegnet, war seine Laufbahn schon in der Wiege festgelegt. Insbesondere seit 1704 der französische König Louis XIV. mit Unterstützung des Papstes der Rohan-Familie den Weg zum Straßburger Bischofsstuhl geebnet hatte. Offiziell beeinflusste politisches Kalkül diese Entscheidung, doch hinter vorgehaltener Hand munkelte man, dass der erste Begünstigte, Amand-Gaston-Maximilien de Rohan, dieses Amt dem außerehelichen Verhältnis seiner Mutter mit dem Monarchen verdankte. Wie dem auch war, seither ging dieser lukrative Posten unangefochten vom Onkel auf den Großneffen oder Neffen über – je nach Timing und Verfügbarkeit männlicher Familiennachkommen.

Prinz Louis René sollte also die Dynastie der Rohans auf dem Stuhl des Fürstbischofs von Straßburg fortführen. Doch noch gedachte sein Onkel nicht das Zeitliche zu segnen, sodass die „Wartezeit“ sinnvoll überbrückt werden musste. Nach Priester- und Bischofsweihe entsandte man ihn deshalb als französischen Botschafter an den Hof der Habsburger Kaiserin Maria Theresia.

Die Vorzüge eines Botschafterlebens

Politische Ämter waren damals für hochrangige Kleriker nicht ungewöhnlich, zumal der lebenslustige „Blondschopf“, wie ihn Ludwig XIV. nannte, dem weltlichen Lebensstil alle Vorzüge abgewann. Er schätzte die Gesellschaft der Damenwelt, putzte sich selbst gerne heraus und hatte eine Schwäche für Pracht und Prunk. Insofern hätte sich Prinz Louis über diese diplomatische Berufung freuen können. Doch das Gegenteil war der Fall. Erstens erachtete er diesen Posten als seiner unwürdig. Zweitens entfernte er ihn aus Versailles und damit aus dem Herzen des französischen Machtzentrums, wo die einflussreichen Jobs vergeben wurden. Und drittens eilte Maria Theresia der Ruf einer erzkatholischen und seit dem Tod ihres Mannes verbitterten Schwarzen Witwe voraus.

Doch alle Argumente halfen nichts, der Wunsch des Königs duldete keinen Widerspruch. Im Januar 1772 machte sich der Botschafter wider Willen endlich auf den Weg. Seinem Motto folgend „Duc ne daigne, Roi ne puis, prince de bretagne, rohan je suis“ (Herzog will ich nicht sein, König kann ich nicht, Prinz der Bretagne, Rohan bin ich) reiste er mit zwei Galawagen, 50 Pferden und einem Hofstaat von mindestens ebenso vielen Pagen, Lakaien, Kammerdienern, Türstehern, Stallmeistern, einem Oberkoch sowie zehn eigenen Musikanten an. Nicht zu vergessen, das 368-teilige Porzellanservice mit seinen Initialen, das er speziell für diesen Anlass in der königlichen Manufaktur in Sèvres für umgerechnet 100.000 Euro hatte anfertigen lassen.

Teller au dem Porzellanservice des Kardinals Louis de Rohan

Wie erwartet, bot der stockkonservative Hof der Kaiserin kaum Zerstreuung, also sorgte Louis René eben selbst für Unterhaltung. Wöchentlich veranstaltete er exquisite Diners und abendliche Vergnügungen. Statt Langeweile und rigider Etikette durfte beim charmanten Bischof ungezwungen soupiert, getratscht und getanzt werden. Der Wiener Adel rannte ihm die Türen ein, während die Kaiserin grollte.

Klerikaler Aufstieg und die kalte Schulter der Königin

Im Gegensatz zu seinen Glanzleistungen auf gesellschaftlichem Parkett verlief seine diplomatische Karriere alles andere als erfolgreich. Der glamouröse Lebensstil, die für einen Kleriker unziemlichen Frauengeschichten und dazu kompromittierende Briefe, die in falschen Händen landeten, sorgten 1777 für seine Abberufung aus Österreich.

Die Abneigung Maria Theresias gegenüber dem affektierten Gimpel übertrug sich auch auf ihre Tochter Maria-Antonia, besser bekannt als Marie-Antoinette, Königin von Frankreich. Ohne zu wissen, wie ihm geschah, sah sich Louis René plötzlich als Persona non grata in den Augen der Monarchin. Diese abgrundtiefe Kluft femininer Rachsucht sollte ihm noch auf die Füße fallen.

Derweil tat der missglückte politische Kurzausflug seiner Laufbahn auf französischem Boden keinen Abstrich. Für den Mittvierziger ging es Schlag auf Schlag weiter nach oben. Zuerst verlieh ihm Ludwig XVI. Amt und Titel des Großalmoseniers von Frankreich, bevor ihm der Papst den Kardinalspurpur überstülpte. Ein Jahr später trat er in die Fußstapfen seines verstorbenen Onkels als Straßburger Fürstbischof.

Einziger Wermutstropfen, die kalte Schulter der Königin, die ihn mit öffentlich zur Schau getragener Missachtung strafte. Ein nachhaltiger Rückschlag für das eitle Ego Rohans und ein schier unüberwindbares Hindernis, um seine Titelsammlung mit dem Amt des Premierministers zu krönen. Der Kardinal war untröstlich. Was konnte er nur tun, um die Fürsprache oder gar die Sympathie Marie-Antoinettes zu gewinnen?

Jeanne de Valois Saint-Rémy Comtesse de la Motte

Rolle: gewissenlose, intrigante Strippenzieherin, die sich Kardinal Louis René zunächst als Liebhaber nimmt, um ihn später als Goldesel auszubeuten.

Portraet Jeanne de S.t Remi de Valois Comtesse de la Motte
Jeanne de S.t Remi de Valois Comtesse de la Motte

Ihren von königlicher Abstammung zeugenden Familiennamen de Valois verdankte das ehrgeizige Luder einem schon vor Generationen erfolgten Seitensprung König Henri II. Da ihre Vorfahren nicht wussten, daraus Kapitel zu schlagen oder das Geld womöglich anderweitig durchbrachten, wuchs sie als Mädchen in ärmlichen Verhältnissen auf. Eines Tages lief sie beim Betteln der Kutsche der Marquise de Boulainvilliers über den Weg. Diese nahm sich der armen Seele an, erwirkte für sie eine königliche Pension und ließ ihr eine Erziehung im Kloster angedeihen. Allerdings entsprach dieser fromme Weg nicht den Vorstellungen von Jeanne. Sie nahm Reißaus und den mittellosen Marc-Antoine Nicolas de la Motte zum Mann.

Skrupellosigkeit trifft Gutgläubigkeit

Mit Gaunereien und Zuhälterei hielt sich das Ehepaar über Wasser, bis es eine lukrativere Einkommensquelle entdeckte. Mit mehr Schein als Sein schwindelten sie sich auf Pump durch die feine Gesellschaft. Hier traf Jeanne erneut auf die Marquise de Boulainvilliers, die sie bereitwillig bei Kardinal Rohan einführte. Dieser erlag im Handumdrehen der jugendlichen Schönheit und ihren bewusst eingesetzten Verführungskünsten. Die Honigfalle war zugeschnappt.

Die teuer bezahlten Schäferstündchen hinter den zugezogenen Vorhängen seines Stadtpalais in Straßburg lenkten das Gedankenkarussell des Fürstbischofs keineswegs von Marie-Antoinette ab. Ohne die Gunst der Königin konnte er seine Ambitionen auf das Amt des Premierministers in den Wind schreiben. Womöglich durfte er sich sogar mehr erhoffen, wenn sie erst einmal Notiz von ihm nahm. Wie man hörte, war sie amourösen Abenteuern nicht abgeneigt. Vielleicht bot sich ihm eines Tages doch noch die Gelegenheit, die Österreicherin von seinen vielseitigen Qualitäten zu überzeugen?

Innenansicht Palais Rohan Strasbourg
ehemaliges Schlafzimmer mit dem Porträt des Fürstbischofs Prinz Louis im Palais Rohan

Der liebeskranke Louis René lag seiner Mätresse mit seinem Herzschmerz permanent in den Ohren. Und da steter Tropfen bekanntlich jeden Stein höhlt, reifte in Jeanne ein durchtriebener Plan. Sie brüstete sich beim Kardinal ihrer (erfundenen) Vertrautheit mit der Königin und versprach dem blinden Narren, sich für ihn bei Maria-Antoinette zu verwenden. Damit nahm die Halsbandaffäre ihren Lauf.

Die Nebendarsteller

Marie-Antoinette
Königin von Frankreich und passive Auslöserin des Betrugsskandals.
Bei den Parisern wegen ihres ausschweifenden Lebensstils als Madame Defizit verrufen, zudem über keinen Verdacht in Bezug auf ihre Tugendhaftigkeit erhaben, ermöglichte sie die Halsbandaffäre mit ihrem abweisenden Verhalten gegenüber dem sich nach Versöhnung verzehrenden Kardinal.

Marc-Antoine genannt Nicolas de la Motte
Gendarmerie-Offizier, Schmalspur-Betrüger und Ehegatte von Jeanne Valois Saint-Rémy, Comtesse de la Motte. Als Zuhälter seiner eigenen Frau erhielt er auf Vermittlung von Kardinal Rohan eine Stellung in der Leibwache des Bruders des französischen Königs inklusive des versehentlich verliehenen Grafentitels.

Rétaux de Villette
Soldat, Abenteurer sowie Fälscher, der Bett und Intrigen mit der Gräfin Jeanne de la Motte teilte.

Marie Nicole le Guay d’Oliva, kurz Nicole d’Oliva
Prostituierte und Königinnen-Double.

Giuseppe Balsamo aka Alessandro Graf von Cagliostro
Blender, Wahrsager, Wunderheiler, Alchemist.
Während seines dreijährigen Aufenthalts in Straßburg gewann Cagliostro das uneingeschränkte Vertrauen des Bling-Bling-Kardinals. Der kirchliche Würdenträger hatte nach eigenen Aussagen live miterlebt, wie der Graf aus dem Nichts eines Schmelztiegels einen enormen Brillantring sowie mehrere Goldbrocken anfertigte, die er ihm anschließend zum Geschenk machte. Zusätzlich versprach er Louis René zum reichsten Fürsten Europas zu machen. Damit hatte er den Prinzen endgültig in der Tasche.

Die Intrige kommt in Gang

Nachdem wir uns mit den beteiligten Personen und der verzwickte Ausgangssituation vertraut gemacht haben, kann das Schauspiel beginnen.

Jeanne de la Motte hatte gegenüber dem Kardinal Wort gehalten. Erste kleine Billets, in denen Marie-Antoinette andeutete, nicht mehr nachtragend zu sein, ließen Louis René Hoffnung schöpfen. Ein weiteres Briefchen folgte, indem die Königin ihn sogar um einen winzigen Gefallen in bescheidener Höhe von 60.000 Livres bat. Sie erklärte ihm, gerade nicht über die nötigen Barmittel zu verfügen, um einer in Not geratenen Familie unter die Arme zu greifen. Deshalb wüsste sie den Beweis seiner Loyalität außerordentlich zu schätzen.

Selbstverständlich zögerte der Großalmosenier nicht einen Wimpernschlag. In den höchsten Sphären der Glückseligkeit schwebend, machte Prinz Louis auf eine weitere Nachricht der Königin sogar noch ein zweites Mal dieselbe geforderte Summe locker. Wie hätte er auch ahnen können, dass die royale Korrespondenz von Jeannes Liebhaber Rétaux de Villette fingiert war und die horrenden Geldbeträge in der Haushaltskasse des Ehepaars de la Motte landeten?

Das nächtliche Treffen

Danach vergingen Wochen, ohne dass der Kardinal weitere Gunstbezeigungen erfuhr. Seine Ungeduld wuchs ebenso wie sein Misstrauen in Jeannes Einflussnahme bei der Königin. Um den unwissenden Sponsor ihres kostspieligen Lebensstils nicht zu verprellen, musste die Comtesse de la Motte den nächsten Coup wagen.

Gemaelde Marie-Antoinette mit Rose von Élisabeth Vigée-Lebrun; 1783
Marie-Antoinette mit Rose; Élisabeth Vigée-Lebrun; 1783

Im Namen der Königin bat sie den schmachtenden Louis René um ein nächtliches Rendezvous im Venuswald von Versailles. Hierfür engagierte Jeanne die Prostituierte Nicole d’Oliva, die für das Treffen in die Rolle der vermeintlichen Monarchin schlüpfte. In der Dunkelheit der Nacht bot sich dem Kardinal endlich die Chance, sich seiner Angebeteten zu erklären.

Aus Gründen der Diskretion verhüllte selbstverständlich ein schwarzer Schleier das Gesicht der vorgeblichen Marie-Antoinette. Dass sie kaum ein Wort sprach, irritierte den vom Pfeil des Amor getroffenen Prälaten ebenso wenig. Er schrieb es schlicht der vornehmen Zurückhaltung ihrer Majestät zu. Dafür hatte er umso mehr Feuer gefangen. Das Possenspiel drohte durch eine unbedachte Aktion des Kardinals aufzufliegen. Mit dem Hinweis auf sich nahende Schritte und Stimmen unterbrach Jeanne das Tête-à-Tête abrupt. Die Königin eilte davon, nicht ohne Louis René eine rote Rose als Liebesbeweis zurückzulassen. Der Kardinal war nun vollends aus dem Häuschen.

Das berühmteste Halsband Frankreichs hat seinen Auftritt

„Das Eisen muss geschmiedet werden, solange es heiß ist“, dachte sich Jeanne und setzte nun alles auf eine Karte. Würde dieser Husarenstreich gelingen, hätte sie für immer ausgesorgt. Nach dem nächtlichen Stelldichein erreichten den Kirchenfürsten deshalb weitere gefakte Zeilen.

Marie-Antoinette vertraute ihm an, dass ihr Herz für ein unvergleichliches Schmuckstücks entflammt sei. Allerdings besaß dies einen so hohen Wert, dass sie nicht öffentlich als Käuferin auftreten wollte. Zudem litt sie erneut an einem vorübergehenden monetären Engpass, weshalb sie hoffte, ihr Lieblingskardinal würde als Mittelsmann auftreten und für sie bürgen. Louis René lief es heiß und kalt den Rücken herunter. Alle Türen schienen ihm plötzlich offen zu stehen. Andererseits überstieg diese Halskette selbst seine finanziellen Möglichkeiten.

Diamantencollier der Halsbandaffaere
Exakte Nachbildung des Diamantencolliers 1785;
©The Trustees of the British Museum

Prinz Louis Jahreseinkommen aus seinen Besitzungen sowie Ämtern belief sich auf etwa 1,6 Millionen Livres. Dies entsprach exakt dem Kaufpreis, den die Hofjuweliere Bassenge und Böhmer für ihr einzigartige Geschmeide aufriefen. Dabei handelte es sich bei der 2800 Karat schweren Halskette um einen Ladenhüter, der einst auf Bestellung Ludwig des XV. für seine Mätresse angefertigt wurde. Jedoch verstarb der Auftraggeber, bevor es den Juwelieren gelungen war, das Collier aus 647 Diamanten und 100 Perlen fertigzustellen. Seit gut einem Jahrzehnt suchten die Beiden nun schon vergeblich nach einem Käufer. Kein Kaiser, König noch Fürst war bereit, sich für ein Halsband in den Ruin zu stürzen.

Auch bei Ludwig XVI. und seiner Gattin waren die Herren bereits mehrmals vorstellig geworden, doch beide hatten die Anschaffung abgelehnt. Der König angesichts des Preises von umgerechnet 20 Millionen Euro, Marie Antoinette aus ästhetischen sowie ethischen Gründen. Das wuchtige Collier entsprach partout nicht ihrem Geschmack. Sie verglich es sogar mit dem Zaumzeug eines Pferdes, an dem der anrüchige Ruf einer Mätresse klebte. Ein absolutes No-Go für den edlen Hals einer Königin.

Eine fatale Weissagung

Bedauerlicherweise hatte der Kardinal davon keine Kenntnis. Stattdessen bat er den Grafen von Cagliostro, seinen mit hellseherischen Fähigkeiten ausgestatteten Freund, um Rat. Der Scharlatan sagte ihm prompt eine brillante (!) Zukunft voraus, was Prinz Louis überzeugte, dass sein Einsatz für die Königin die ersehnten Früchte tragen würde.

Umgehend setzte er mit den Juwelieren einen Kaufvertrag auf. Sie vereinbarten eine Ratenzahlung in Höhe von je 400.000 Livres alle sechs Monate. Jetzt fehlte als Garantie nur noch das Signum der Souveränin auf dem Dokument. Jeanne de La Motte versprach sich darum zu kümmern, wohlwissend, dass ihr ebenso skrupelloser Gigolo Rétaux de la Villette erneut seine Fälschungskünste zum Einsatz bringen würde. Zwei Tage später gab sie dem Kardinal den Vertrag mit der Unterschrift der Königin zurück.

Das Halsband wechselte seine Besitzer von den Juwelieren über den Fürstbischof in die Hände von Jeannes Lover alias verkleideter Kammerdiener der Königin. Kaum war die Übergabe erfolgt, machte sich das intrigante Trio mit Gewalt daran, die kostbaren Juwelen aus dem Collier herauszubrechen. Während sich Nicolas de la Motte mit dem Großteil der Diamanten schnellstens nach England absetzte, blieben seine Frau und Rétaux de la Villette in Paris. Ein verhängnisvoller Fehler, wie sich später herausstellen sollte.

Rache ist süß

Brief von Louis XVI. mit dem Befehl, den Kardinal von Rohan in der Bastille zu inhaftieren
Befehl Louis XVI. den Kardinal von Rohan in der Bastille zu inhaftieren

Als nach einem halben Jahr die erste Ratenzahlung ausblieb, flog der Schwindel auf. Die Juweliere wurden bei der Königin vorstellig und erinnerten sie untertänigst an die Vereinbarungen des Kaufvertrags. Marie Antoinette fiel aus allen Wolken, als sie das Schriftstück zu Gesicht bekam. In geschwungener Handschrift stand dort ihr Name: Marie-Antoinette de France. Und auch wieder nicht, denn sie unterzeichnete immer nur mit ihrem Vornamen ohne den Zusatz „de France“. Nachdem Bassenge und Böhmer ihre Version der Geschichte geschildert hatten, sah Marie-Antoinette nicht nur rot, sondern purpurrot. Ihre Chance war gekommen, sich und ihre verstorbene Mutter auf immer und ewig an dem blasierten Kleriker Rohan zu rächen.

Kurzum, der verhasste Kardinal stand plötzlich unter Generalverdacht der Intrige. Am Himmelfahrtstag des Jahres 1785 kam es zum Eklat. Seit Ludwig XIII. sein Königreich der Jungfrau Maria gewidmet und den 15. August zum höchsten Feiertag deklarierte hatte, versammelte sich traditionell das Who is Who des französischen Adels in Versailles zum gemeinsamen Gottesdienst. Als Großalmosenier oblag es Louis René Rohan den Gottesdienst zu halten. Doch dazu kam es nicht mehr. In vollem Ornat und dazu vor den Augen des gesamten Hofstaats wurde er von den Wachen des Königs verhaftet und direkt in die Bastille überführt. Welch Triumph für Marie-Antoinette, doch welch Demütigung für seine Eminenz.

Die Urteilssprüche

Der König übergab die Causa Rohan dem Parlament als obersten französischen Gerichtshof. Peu à peu kam das Ausmaß der Intrige samt Drahtzieher ans Tageslicht. Insbesondere nachdem Rétaux de la Villette auf der Flucht gefasst wurde und ein umfassendes Geständnis ablegte. Jeanne de la Motte hingegen stritt jegliche Beteiligung ab, zog dafür aber den Grafen von Cagliostro mit in den Skandal hinein. Erst nach neun langen Monaten verkündete das Parlament am 30. Mai 1786 die Urteilssprüche.

Rétaux de la Villette als auch der Graf von Cagliostro hatten umgehend das Land zu verlassen. Ersterer starb verarmt in Italien, Letzterer in einem päpstlichen Gefängnis. Nicolas de la Motte wurde in Abwesenheit zu lebenslanger Galeerenstrafe verurteilt. Als er nach der Revolution nach Frankreich zurückkehrte, war längst Gras über die Sache gewachsen. Er profitierte als einziger von der Halsbandaffäre und überlebte alle Beteiligten.

Öffentliche Auspeitschung, Brandmarkung als Diebin und lebenslange Haft in der Salpêtrière lautete das Strafmaß für Jeanne de la Motte. Unter mysteriösen Umständen gelang ihr als Mann verkleidet noch im selben Jahr die Flucht aus dem Frauengefängnis nach England. Dort versuchte sie durch Erpressung und einer mit kompromittierenden Details gespickten Autobiografie Profit zu schlagen, doch ihr Schicksal stand unter keinem guten Stern mehr. 1791 kam sie bei einem Sturz aus dem Fenster ums Leben. Die Hintergründe hierzu gehen bis heute getrennte Wege. Ein Ungeschick aus Trunkenheit? Ein missglücktes Ausreißmanöver vor einem Gläubiger? Oder war es womöglich gar kein Unfall?

Vom höchsten Kirchenfürsten Frankreichs zum verspotteten Kardinal Collier

Die Anklage gegen Louis René de Rohan wegen Diebstahls und Majestätsbeleidigung wurde fallen gelassen. Der Kardinal musste sich allerdings bei seinen Majestäten mit mehreren Kniefällen angemessen entschuldigen. Außerdem hatte er den Juwelieren den Kaufpreis des Halsbands zurückzuerstatten. Eine Schuld, die das Haus Rohan noch bis 1881 tilgte.

Kardinal Louis René Edouard Prince de Rohan
Kardinal Louis René Edouard Prince de Rohan

Doch das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Nach Ansicht Marie-Antoinettes kam der Kirchenmann mit einem viel zu hellblauen Auge davon. Der Freispruch brachte ihre Person nämlich nur noch mehr in Misskredit. Deshalb überzeugte sie ihren ergebenen Gatten zu einer härteren Gangart. Umgehend entzog Ludwig XVI. dem auf den Leim gegangenen Kardinal Collier, wie er fortan im Volksmund genannt wurde, das Amt des Großalmoseniers. Gleichzeitig musste Prinz René das wertgeschätzte „Cordon bleu„, den höchsten französischen Ritterorden, zurückgeben. Seine Reputation am Hof war damit ruiniert. Zu guter Letzt schob der König den Fürstbischof in die unbedeutende Abtei La Chaise-Dieu in die Auvergne ab.

Erst nach drei Jahren Bitten und Betteln durfte Louis René seine Diözese wiedersehen. Allerdings hielt die Freude darüber nicht lange an. Nach Ausbruch der Französischen Revolution zog es den im Herzen überzeugten Royalisten sicherheitshalber auf die rechte Rheinseite nach Ettenheim, das immer noch zum Grundbesitz des Bistums gehörte. Sein geliebtes Schloss in Zabern (Saverne) sowie das prunkvolle Stadtpalais gegenüber dem Straßburger Münster sollte er nie wiedersehen.

„Was für ein Kopf dieser Prälat. Welche Stellung er verdorben hat. Nichts als Unheil richtete er mit seiner Schwäche und seinem Leichtsinn an. Er sühnt es grausam. Aber er hatte sich sehr wohl schuldig gemacht“, konstatierte die Baronin von Oberkirch trocken in ihren Memoiren.

Nur eine Feder im Wind

„Ich war nur eine Feder im Wind, nichts als ein Tropfen Wasser im Ozean der Ewigkeit. Gott weiß mit Sicherheit, warum er mich in die Welt gesetzt hat und warum er mich zu dem machte, der ich war. Zweifelsfrei hielt die Vorsehung eine bestimmte Rolle für mich parat, und ich mag mir nicht anmaßen, anzunehmen, dass der Allmächtige sein Ziel verfehlt hat. Er kannte mein gutes Herz und ich kann nicht für alles verantwortlich gemacht werden“. Wenige Tage nach diesen tiefschürfenden Überlegungen verstarb der hoch verschuldete Kardinal Louis René Édouard de Rohan-Guéméné im Alter von 69 Jahren. Kritische Selbstreflexion war einfach nicht sein Ding.

Und Marie-Antoinette? Mit dem Betrugsskandal hatte sie ihre letzten Sympathien beim Volk verspielt. Nicht zu Unrecht betrachtete Johann Wolfgang von Goethe die Halsbandaffäre als Vorbotin der Revolution. Und dass diese der unbeliebten AutriChienne kein gutes Ende bescherte, ist bekannt. Nach Aberkennung des königlichen Titels verlor die „Witwe Capet“ am 16. Oktober 1793 ihren Kopf unter der Guillotine.

Welch unfassbares Drama!
Dabei bestimmten nichts als Zufälle die Räder des Schicksals. Ohne das Zusammentreffen des leichtgläubigen Fürstbischofs mit der durchtriebenen Opportunisten de la Motte sowie dem Wahrsager Cagliostro in Straßburg wäre der Stein vermutlich nie ins Rollen gekommen. Danach fügte sich ein Puzzleteilchen ins andere. Eine österreichische Kaiserin und deren Tochter auf dem französischen Thron. Dazu ein auf diplomatischem Terrain unerfahrener Prinz Louis René de Rohan, der wider Willen als Botschafter in einen brisanten politischen Bienenstock hineingesetzt wurde. Als Zündstoff ein Mix menschlicher Charakterschwächen und krimineller Energien. Und als finale Zutat ein Diamantcollier, das in eben diesem Moment auf dem Markt einen Käufer suchte. Fertig war der explosive Cocktail, der Weltgeschichte schrieb!


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Quellen / Literatur

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