Blick in die Gemaeldegalerie des Museums der Bildenden Kuenste in Strassburg
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Musée des Beaux-Arts – „Wofür wurden Bilder gemalt, als es noch keine Museen gab?“


Die städtischen Museen von Straßburg laden den ganzen Sommer über zur kostenlosen Entdeckung ihrer reichhaltigen Kunst- und Kulturschätze ein. Ein Grund mehr, sich an einem ausgedehnten Regen- oder allzu schwülen Sommertag für einen Besuch in einem der acht Museen zu entscheiden.

Mich zieht es heute einmal mehr in das Musée des Beaux-Arts im Palais Rohan. Der ehemalige Bischofspalast am Schlossplatz beherbergt einen 500 Jahre umfassenden Sammlungsquerschnitt europäischer Malerei. Flämische Primitive und frühe italienische Meister sind dabei ebenso vertreten wie die Aushängeschilder der Renaissance Raffael und Botticelli. Neben Rubens, Goya und Zubarán als berühmteste Repräsentanten des Barocks runden Werke der französischen Schule von Delacroix bis Courbet das Kunsterlebnis im Museum der Schönen Künste ab.

Palais Rohan - Museum der Schönen Künste - Strasssburg

Mein Augenmerk gilt an diesem Tag allerdings der Sonderausstellung mit Titel Avant le Musée… À quoi servaient les tableaux?, die noch bis zum 02. August 2021 zu sehen ist. Wofür wurden Bilder gemalt, als es noch keine Museen gab? Eine überaus spannende Fragestellung. Denn in der Tat wurde kein einziges hier ausgestelltes Gemälde speziell für diese Räumlichkeiten noch für irgendein anderes Museum geschaffen.

Kunst in der Zeit vor den Museen

Bevor wir uns jedoch auf Spurensuche nach dem „wofür“ begeben, unternehmen wir einen kurzen Ausflug in die Geschichte der Malerei. Dazu müssen wir sehr, sehr weit zurückgehen. Über 40.000 Jahre, um genau zu sein. Zu diesem Zeitpunkt entstanden die ersten (heute bekannten) Höhlenmalereien. Ob sie eine praktische Bedeutung besaßen, Beschwörungsriten symbolisierten, eine Form der Kommunikation mit dem Jenseits darstellten oder schlicht zweckfrei waren, bleibt uns ein Rätsel.

Genaueres wissen wir aber bereits über die Kunst der Ägypter. Während diese einen ausgeprägten Sepulkralkult pflegten, die Griechen eine Vorliebe für Vasen und Monumentales hatten, stand bei den Römern bereits der Repräsentationsgedanke im Vordergrund. Im Mittelalter widmete man sich dann vermehrt der polychromen Ausgestaltung von Kirchen und Klöstern. Auch die Renaissance stand noch ganz im Zeichen religiöser Darstellungen. Über das letzte Jahrtausend rückten dann andere Inhalte in den Fokus. Die Genremalerei kam auf, Historienbilder galten zusammen mit Porträts als Nonplusultra im 17. Jahrhundert, bevor sich Landschaften und Stillleben hinzugesellten.

Selbstverständlich durchlebten nicht nur die Bildinhalte, sondern auch Formen und Techniken eine erhebliche Veränderung. Wand- und Deckengemälde hatten die Höhlenkunst noch vor der christlichen Zeitrechnung abgelöst. Die Glas-, Buch- und vor allem die Tafelmalereien gewannen in der Folge immer mehr an Bedeutung. Seit geraumer Zeit lässt sich dagegen ein gewisser Rückwärtstrend feststellen. Kunst im öffentlichen Raum oder Graffiti alias Höhlenmalerei 2.0. Der Kreis beginnt sich wieder zu schließen.

Gemälde als ästhetische Zweckobjekte und Museen als Neutralisatoren

Über Jahrtausende standen die Malereien also entweder in einem kultischen, religiösen oder historischen Zusammenhang. Sie vermittelten moralische Grundsätze oder befriedigten mal ästhetische, mal selbstverliebte Ansprüche. Mit Ausnahme der Selbstporträts handelte es sich überwiegend um Auftragsarbeiten, die einen eng umschriebenen Zweck erfüllten. Dieser Zweck, seine konkrete inhaltliche Umsetzung als auch die räumliche Dimension versetzt ein Gemälde in eine wechselseitige Beziehung sowohl zu seinem Auftraggeber als auch zu seinem ursprünglichen Bestimmungsort.

Dieser sogenannte Präsentationskontext geht durch die Aufnahme des Kunstwerks in ein Museum verloren. Es wird von seinem historischen und geografischen Umfeld getrennt und findet sich an einem Aufstellungsort wieder, der weder seine Herkunft noch seine Bedeutung oder den beabsichtigten Betrachtungswinkel berücksichtigt. Dadurch verliert das Gemälde zwar nicht an Ausstrahlung, aber an Bedeutungstiefe. Kunstmuseen sind also nicht nur Räume angefüllt mit Schönheit und kunstgeschichtlicher Lehre. Es sind auch Räume der Entfremdung und Neutralisation.

Wofür wurden Bilder gemalt, als es noch keine Museen gab?

Das Museum der Bildenden Künste in Straßburg beschreitet mit seiner derzeitigen Sonderausstellung „Wofür wurden Bilder gemalt, als es noch keine Museen gab?“ einen neuen Weg. Für über ein Dutzend Gemälde der ständigen Sammlung bedeutet dies einen Schritt heraus dem Schatten ihrer historischen Anonymität, hinein ins Rampenlicht einer völlig neuen Betrachtungsweise.

In der Tat habe ich mir als Museumsbesucher bisher weniger Gedanken über die Entstehungsgeschichte eines Bildes oder gar dessen originären Bestimmungsort gemacht. Dennoch sind es genau diese Aspekte, die für das Verständnis eines Gemäldes über die „eindimensionale“ und damit rein ästhetische Lesart hinaus eine essenzielle Rolle spielen. Insofern bin ich extrem neugierig, welche gut gehüteten Geheimnisse die Ausstellung ans Tageslicht fördert und wie die Zusammenhänge zwischen den Kunstwerken und ihrem Kontext dargestellt werden.

Der Bestimmungszweck im Wandel der Zeit

Jedes Bild der Sonderausstellung steht stellvertretend für einen ganz bestimmten Zwecktypus. Es verkörpert eine Intention, die sich auch in anderen Gemälden derselben Epoche wiederfindet. Manchmal sind Auftrag und Aussage dabei offensichtlich, doch nicht selten halten sie für unseren Blickwinkel des 21. Jahrhunderts eine ungewöhnliche Überraschung bereit.

So fallen zwei Gemälde durch ihre ursprünglich sehr ungewöhnlichen Platzierungen auf. Während das achteckige Rokoko-Gemälde „Allegorie des weisen Rates“ von Francesco Zugno als Deckenschmuck für eine Apotheke in Venedig angefertigt wurde, kam das barocke Werk „Lot und seine Töchter“ des renommierten französischen Hofmalers Simon Vouet über einem Kamin zur Geltung. Die Oberschicht geizte schon im 17. und 18. Jahrhundert nicht mit Statussymbolen und ihrer Zurschaustellung.

Dagegen war das erotische Gemälde „Venus und Amor“ mit Bestimmtheit nicht für die Augen der breiten Öffentlichkeit vorgesehen. Der eigens zur Ausstellung angebrachte Vorhang deutet dies an. Ob gewollt oder nicht, übernimmt er in diesem Fall sogar eine allegorisch-verdunkelnde Funktion. Weder Herkunft noch originale Bestimmung des Bildes sind bekannt. Man nimmt lediglich an, dass sich der unbekannte Künstler entweder durch Tizians Venus d’Urbino oder die Schlummernde Venus von Giorgione inspirieren ließ.

Gemaelde Venus und Amor im Musée des Beaux Arts Strasbourg

Jedem Tierchen sein Pläsierchen

Wer ein Faible für sechs- oder achtbeiniges Getier besaß, der war bei Jan van Kessel dem Älteren genau an der richtigen Adresse. Der Niederländer verfügte nicht nur über eine exzellente Beobachtungsgabe, sondern auch eine künstlerische Detailgenauigkeit, die ihn mit seinen Schmetterlings-, Käfer-, Muschel- und Insektenbildern durchaus für wissenschaftliche Nachschlage- oder Studienwerke qualifiziert hätte. Doch sein Werk „Insekten und Spinne“ wurde stattdessen aus rein finanziellen Beweggründen gemalt.

Insekten und Spinne, Gemaelde von Jna van Kessel der Aeltere im Museum der Bildenden Kunst in Strassburg

Möglicherweise schmückte es eines der im 17. Jahrhundert stark in Mode gekommenen Naturalienkabinette. In den kunstvoll gefertigten Schränken, die mit den eigentümlichsten Objekten der Natur angefüllt waren, holten sich wohlhabende Sammler ein Stück ausgestopfte oder aufgespießte Welt ins Eigenheim. Und wer dafür nicht die ausreichenden finanziellen Mittel besaß, der orderte sich eben ein gemaltes, akribisches Abbild dieser exotischen Fauna zum an die Wand hängen.

Wir bleiben zunächst beim Thema Miniaturen, machen jedoch einen Quantensprung in Sachen Zeit, Raum und Bildmotiv. Ich möchte Euch nämlich drei besonders faszinierende Werke und ihre Entstehungsgeschichte innerhalb dieser ungewöhnlichen Museumspräsentation näher vorstellen. Das Erste gehört zu den absoluten Highlights der Straßburger Sammlung und wartet im gelben Ausstellungsraum auf die Besucher.

Hans Memling und ein Klappaltar für unterwegs

Das beidseitig bemalte Triptychon der Irdischen Eitelkeit und der Himmlischen Erlösung von Hans Memling gilt als einzigartiges Exemplar seiner Art. Der deutsche Maler, der ab 1465 überaus erfolgreich in Brügge tätig war, führte diese Miniatur-Meisterleistung aus sechs Bildtafeln von nur jeweils 22 auf 15 Zentimetern gegen Ende des 15. Jahrhunderts aus.

Miniaturaltar von Hans Memling im Musée des Beaux Arts Strassburg

Als Auftraggeber für den Klappaltar „to go“ trat der begüterte Kaufmann Loiani aus Bologna auf. Über dem prachtvollen Familienwappen auf der Altarvorderseite ließ der italienische Unternehmer selbstbewusst sein Lebens-Credo Nul bien sans peine – Ohne Fleiß keinen Preis verewigen.

Direkt daneben thront der Salvator Mundi, der all denjenigen die himmlische Erlösung bringt, die den irdischen Verlockungen widerstehen. In seiner alles überstrahlenden Herrlichkeit lässt der Heiland der Welt selbst den Teufel auf dem Seitenflügel blass aussehen. „Es gibt keine Erlösung in der Hölle“ lässt dieser die Sünder wissen und stößt sie mit seinem Klauenfuß ins Höllenfeuer eines grotesken Fischmauls.

Altarbild Himmlische Erlösung von Hans Memling im Musée des Beaux Arts Strassburg

Zentrales Thema der Rückseite des Altars für die private Andacht ist die menschliche Eitelkeit in Form einer splitternackten Frau in roten Sandalen. Verzückt betrachtet sie sich in einem Handspiegel, während sich zu ihren Füßen zwei Windhunde als Symbol der Wollust und körperlichen Liebe tummeln. Dass die beiden Laster Vanitas und Luxuria schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen, daran mahnen die beiden angrenzenden Bilder.

Tod und Teufel auf der Suche nach ihrem angestammten Platz

Das Musée des Beaux-Arts hat der selbstgefälligen nackten Schönheit die Tafeln mit der Darstellung des Todes und des Memento mori zur Seite gestellt. Eine Zusammensetzung, die rein spekulativ ist. Das Triptychon wurde nämlich im Jahr 1890 aus unbekanntem Anlass in seine Einzelteile zerlegt, ohne dass die originale Anordnung der Bildtafeln zuvor dokumentiert worden war.

Dass der Tod in Form eines dem Grab entstiegenen Beinahe-Skeletts seinen Platz neben dem menschlichen Laster zugewiesen bekam, ist unstrittig. Auf dem lateinischen Spruchband in seinen Händen nimmt er das Schicksal aller Sünder vorweg. „Sieh, das Ende des Menschen wird nichts als Schmutz sein, so wie ich nur Staub und Asche bin.“

Altartafel Irdische Versuchung von Hans Memling im Musée des Beaux Arts Strassburg

Doch über den anderen Altarflügel gehen die Expertenmeinungen auseinander. War dies tatsächlich der Platz des Totenschädels, der aus dem Buch Hiob als Erinnerung an die Vergänglichkeit des irdischen Daseins zitiert? „Aber ich weiß, dass mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub sich erheben. Nachdem meine Haut noch so zerschlagen ist, werde ich doch ohne mein Fleisch Gott sehen.“ Wäre nicht vielleicht der gehörnte Teufel der bessere Begleiter der verführerischen Eitelkeit gewesen?

Prachtvolle Märtyrerinnen für die Missionierung der Neuen Welt

Märtyrerinnen und Heilige nahmen zuweilen einen weiten Weg auf sich, um Heiden und Ungläubige zum katholischen Glauben zu bekehren. Das betraf sowohl die überzeugten Christen und Christinnen in persona als auch ihre künstlerisch in Szene gesetzten Porträts.

Francisco de Zubarán (1598-1664) gehörte zu den Meistermalern des spanischen Goldenen Zeitalters. Ganz auf Andachtsbilder, großformatige Porträts von Mönchen und Heiligen spezialisiert, standen Vertreter von Kirchen und Klöstern Schlange vor seinem Atelier in Sevilla. Kein anderer Barockmaler seiner Zeit verstand es, Texturen, Farben, Stoffe und den legendären Faltenwurf der Gewänder dermaßen realistisch wiederzugeben. Als die Anfragen für ganze Serien großformatiger Marien- und Heiligenbilder nicht abrissen, gründete er sogar eine Werkstatt in Madrid. Diese bediente in seinem Stil die weniger renommierten Bestellungen.

Dennoch war das Kirchen- und Klostergeschäft nicht ohne Risiko. Reihenweise erhielt er Aufträge aus der Neuen Welt. Die Missionare forderten gleich im Dutzend bildhafte Unterstützung glaubensstarker Märtyrer und Märtyrerinnen, um die Einheimischen vom rechten Glauben zu überzeugen. Doch oftmals kam die kostbare Ware durch die lange Seereise entweder beschädigt oder teilweise gar nicht beim Empfänger an.

Ob die Heilige Ursula und die Heilige Engracia ebenfalls um die halbe Welt reisten, bevor sie schlussendlich im Elsass heimisch wurden, entzieht sich unserer Kenntnis. Da sie aber in ihren eleganten zeitgenössischen Kleidern und ihrer würdevollen Gelassenheit weder Folter noch Tod fürchteten, weilten sie immerhin mehrere Jahre zusammen mit 79 anderen Werken von Francisco Zubarán in der sogenannten spanischen Gemäldegalerie des Louvre.

Gemaelde Heilige Ursual und Heilige Engracia von Francisco de Zubaran im Kunstmuseum Strassburg

Insgesamt umfasste die vom französischen König Louis-Philippe I. innerhalb weniger Jahre angehäufte Sammlung 450 Bilder namhafter spanischer Maler. Nachdem die Franzosen ihren König 1843 abgesetzt hatten, gelangten die Meisterwerke im Rahmen einer öffentlichen Auktion alle unter den Hammer. Ein halbes Jahrhundert später erwarb das Straßburger Museum die beiden Märtyrerinnen. 

Gemälde als Inspirationsquelle

Armand-Jean de Plessis, besser bekannt als Kardinal Richelieu, war nicht nur 1. Minister König Louis XIII., sondern zugleich intriganter politischer Strippenzieher, Kunstmäzen und einer der reichsten Männer Europas. Zu Richelieus Protagonisten zählte auch Philippe de Champaigne (1602-1674), ein in Brüssel geborener Künstler, den es 1621 nach Paris zog. Der Barockmaler durchlief eine steile Karriere und avancierte zum ersten Hofmaler der Königinmutter Maria von Medici. Gleichzeitig schusterte ihm der einflussreiche Kardinal zahlreiche lukrative Aufträge zu, darunter 11 Selbstporträts vom Kirchenfürsten selbst.

Eines davon aus dem Jahre 1642 zeigt Richelieu wenige Monate vor seinem Tod. Das Profilbild war weder ein Auftragsgemälde zum Wohlgefallen des Kardinals noch eine Gefälligkeitsleistung, sondern notwendiges Mittel zum Zweck. Kaum war das Porträt fertiggestellt, wurde es nämlich umgehend nach Rom in die Werkstatt des Bildhauers Gian Lorenzo Bernini gesandt. Dieser schuf anhand der farbenprächtigen Vorlage eine Marmorbüste des Kardinals, die allerdings nicht dessen Geschmack traf.

Portraet Kardinal Richelieu von Philippe de Champaigne im Kunstmuseum Strassburg

Also musste ein zweiter Anlauf unternommen werden. Da jedoch Richelieu als viel beschäftigter Mann von nicht besonders guter Gesundheit keine längeren Reisen unternahm, schuf Champaigne eine weitere Vorlage. Das Dreifach-Porträt mit zwei Profil- und einer Frontalansicht ging nun an Berninis Konkurrenten, den ebenfalls in Rom tätigen Bildhauer Francesco Mochi. Mit einer Büste war es dieses Mal allerdings nicht getan. Eine mindestens lebensgroße Statue sollte es sein. Bescheidenheit und klerikales Amt gingen schon damals getrennte Wege. 

Richelieu und die Sache mit dem Cordon bleu

Dreifach Portraet Kardinal Richelieu von Philippe de Champaigne
Philippe de Champaigne and studio Triple Portrait of Cardinal de Richelieu ca.1642; National Gallery, UK

Die ungewöhnliche Arbeit des Lieblingsmalers des Kardinals zeigt den Würdenträger erneut in scharlachrotem Talar mit Pileolus und dem ordre du Saint-Esprit, der höchsten königlichen Auszeichnung. Der Ritterorden vom Heiligen Geist wurde an einem blauen Brustband verliehen, dem sogenannten cordon bleu. Diese Bezeichnung stand später nicht nur Pate für eine elitäre Kochschule in Paris, sondern auch für das berühmte gefüllte Kalbsschnitzel. Aber das nur nebenbei.

Die Statue fand auf jeden Fall Anerkennung, zumindest bis zur Französischen Revolution. Dann wurde sie einen Kopf kürzer geschlagen, der in den Wirren der Revolution verloren ging. Zum Glück blieb das Öl-auf-Leinwand-Gemälde erhalten, das sich heute im Besitz der National Gallery in London befindet. Bei sehr genauem Hinschauen erkennt man über dem mittleren und rechten Porträt eine Notiz des Malers, dass es sich hierbei um die besseren Ausführungen handelt. Dies lässt darauf schließen, dass das dritte Bildnis entweder von Champaignes Werkstatt weniger detailgetreu ausgeführt wurde oder es nicht Richelieus Schokoladenseite hervorkehrte.

Darüber streiten sich übrigens die drei Richelieus im arte-Kanal bis heute.

Eine attraktive Neu-Präsentation mit offenen Fragen

Die Sonderausstellung „Wofür wurden Bilder gemalt, als es noch keine Museen gab“ begeistert mit ihren ungewöhnlichen Szenografien, Projektionen, Installationen und neuartigen Raum-Settings. Dazu gehen die dreisprachigen Erläuterungstafeln den Fragen nach dem Zweck, dem Umfeld und der originären Bildaussage in kurz umrissener Form nach.

Die sehenswerte und abwechslungsreiche Neu-Inszenierung der Bilder trägt zum globalen Verständnis des gesellschaftlichen, politischen und historischen Zusammenhangs der ausgewählten Kunstwerke bei. Teilweise enthüllt der aufgezeigte Bildkontext ungeahnte und erstaunliche Fakten. Wer hätte denn gedacht, dass sowohl die Heiligen Sebastian und Rochus aus den Händen von Cima da Conegliano früher gemeinsame Wege gingen? Als Altaraufsatz im 16. Jahrhundert bildeten sie sogar zusammen mit der Heiligen Katharina von Alexandrien ein schlagkräftiges Triumvirat gegen die Pest.

Bilder Heiliger Sebastian, heiliger Rochus und Heilige Katharina von Cima da Conegliano

Doch neben derartig faszinierenden „Aha“-Erkenntnissen bleibt die Ausstellung trotz ihres erfrischenden Arrangements leider an der ein oder anderen Stelle die konkrete Antwort nach dem „wofür“ schuldig. Für meinen Geschmack hätte die Museumsleitung durchaus noch tiefer und ausführlicher in der Vorgeschichte ihrer Kunstwerke graben und mehr aus dem Nähkästchen plaudern dürfen. Dennoch lohnt sich der Ausstellungsbesuch auf jeden Fall. Selbst für diejenigen, die sich im Museum der Schönen Künste bereits heimisch fühlen.


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