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Spaniens Paradores

Spaniens Paradores

Besondere Hotels, Extratouren, Landpartien


Spaniens Paradores erblickten im Jahr 1910 das gedankliche Licht der Welt, als die spanische Regierung ein Projekt zur Schaffung einer regionenübergreifenden Hotelstruktur lancierte. Ziel war es, das rückständige Image im Ausland zu sanieren, strukturschwache Gegenden für den Tourismus attraktiver zu gestalten sowie zum Erhalt historischer Bausubstanz beizutragen. Diese Drei-Fliegen-mit-einer-Klappe-Maxime hat sich bis heute durchgesetzt.

50 % aller Parador-Hotels sind in Gebäuden, die zum nationalen Kulturgut gehören, untergebracht. Neun davon zählen sogar zu UNESCO-Welterbestätten. Daneben finden sie sich zu gleichen Teilen in direkter Strand- oder Küstennähe, hoch in den Bergen, im naturnahen Niemandsland oder im (beinahe) Zentrum quirliger Städte.

1928 eröffnete die erste Unterkunft in der Sierra de Gredos mit bescheidenen 30 Betten ihre Pforten. Das war die offizielle Geburtsstunde der staatlichen Hotelkette. Mittlerweile zählt sie an die 12.000 Betten und kann in Kürze die Einweihung des 100. Parador feiern. Davon sind übrigens fünf auf den Kanarischen Inseln verteilt, zwei in den spanischen Afrika-Enklaven und ein „Diaspora-Hotel“ im Herzen von Portugal.

Ein authentischer Erste-Hand-Reiseführer

Ihren Erfolg verdankt die Hotelkette mit ihren 3- bis 5-Sterne-Unterkünften ihrem Credo von Qualität und Zuverlässigkeit. Man weiß, was man bekommt. Solider Komfort, gediegenes Ambiente, unaufdringlicher Luxus ohne Firlefanz sowie unaufgeregtes, in sich ruhendes Personal. Neuerdings ergänzt durch ein nachhaltiges Engagement für die Umwelt. Hierzu gehören Strom aus 100 % erneuerbaren Energien und für die Restaurants eine „Null-Kilometer-Lebensmittel“-Philosophie.

Vor mir liegt nun die ganze Welt von Spaniens Paradores, informativ und unterhaltsam auf 408 Seiten komprimiert im handlichen Pocket-Format. Aus dem Projekt aus Leidenschaft, so der Autor Wolfgang Abel, entstand ein auf dem Büchermarkt thematisch konkurrenzloser Erste-Hand-Reiseführer über die Kulthotels auf dem iberischen Festland.

Cover des Reisefuehrers Spaniens Paradores

Für Parador-Neulinge startet die Reise mit einer Gebrauchsanleitung zum Charakter, Auftreten und Selbstverständnis der spanischen Hotelkette. Der Leser erhält einen Überblick über die gegensätzlichen Typen (historischer Altbau / funktioneller Neubau) sowie die generellen Standards der Zimmer, Dienstleistungen und des gastronomischen Service. Ein weiteres Kapitel sorgt für Durchblick im unübersichtlichen und variantenreichen Preis- und Angebots-Dschungel, bevor die Parador-typischen Eigenarten zum Schmunzeln oder Kopfschütteln animieren. Alsdann ist es Zeit für den alphabetischen Solo-Auftritt der Paradores.

Im Buch unterwegs


In 86 Einzelporträts schildert uns Wolfgang Abel seine persönlichen Parador-Begegnungen und Eindrücke. Alle Monografien sind dabei nach einem gleichbleibenden Schema strukturiert.

Die meisten Paradores liegen abseits der Großstädte und dafür bis in den letzten Provinzwinkel verstreut. Da nicht jedermann mit der Geographie von Spaniens Hinterland vertraut ist, markiert zunächst eine Lageskizze den genauen Standort des beschriebenen Protagonisten. Dazu gibt es eine (selbstverständlich subjektive) 5-Punkte-Klassifizierung des Autors. Sie dient als erste Entscheidungshilfe, ob der Parador selbst zum Reiseziel avanciert oder nur eine Station auf dem Weg zum Reiseziel bleibt. Anschließend folgt in der Regel eine landschaftliche Einstimmung oder grobe städtebauliche bzw. infrastrukturelle Exkursion im Mesokosmos des Paradors, ehe sein Mikrokosmus wahrheitsgetreu unter die Lupe genommen wird.

Dazu gehört zunächst die Beschreibung des Parador-Typus samt Ortslage, Dimension und Ausstattung der Freizeiteinrichtungen. Anschließend nimmt uns der Autor mit auf einen Spaziergang durch die Enge oder Weitläufigkeit der Hotelflure und Gemeinschaftsräume. Wir werfen einen Blick hinter die Türen von Bars und Restaurants und begutachten das Gastronomieangebot von der Reichhaltigkeit des Frühstücksbüffets bis zum à-la-carte Service. Um garantiert das beste aller verfügbaren Zimmer zu buchen, erfahren wir alle Details über deren Größe, Einrichtung, Aussicht, Hellhörigkeit und Verteilung auf die diversen Paradorflügel, denn selten gibt es davon nur einen. 

Ein Buch mit Suchtpotenzial

Während Schwächen an Einrichtung und Service schonungslos aufgedeckt werden, lassen Wolfgang Abels persönliche Eindrücke zum Komfort und Charme der Anlage Rückschlüsse auf die Eignung für einen Mehrtagesaufenthalt zu. Und damit kommen wir zum Suchtpotenzial des Buches.
Spätestens an dieser Stelle holt man sich Stift und Block, um die lange Liste der Sehnsuchtsziele zu notieren und danach seine Koffer zu packen. Oder man verbummelt in Gedanken einfach nur weiter die Zeit in den schweren Polstermöbeln der Kreuzgänge von Montforte de Lemos, genießt vom Holzbalkon seines Zimmers den Blick auf die Altstadt von Toledo, lässt auf der Außenterrasse von Carmona den Tag bei einem oder zwei Gläsern guten Weins ausklingen oder sieht sich in Aiguablava am Mittelmeer satt. 

Cover Rueckseite des Reisefuehrers Spaniens Paradores

Die abschließende Kurzzusammenfassung mit Adresse, Kontaktdaten, Zimmeranzahl, Baujahr und letzten Renovierungen rundet, ergänzt durch positive als auch negative Lesererfahrungen, das Parador-Bild ab.

Geschichten zu Land und Leuten

Die Extratouren und Landpartien, sprich die Themen am Weg ergänzen den unverzichtbaren Reisebegleiter um allerlei Geschichten zu Land und Leuten. Und vor allem zu la cocina española. Jede kulinarische Ecke Spaniens wird mit konkreten Einkehrempfehlungen ausgeleuchtet. Von den Kneipen mit authentisch spanischer Tapas-Gemütlichkeit in Málaga, über die fangfrischen Meeresfrüchte auf den Tellern an der Atlantikküste bis zu den knusprigen Spanferkeln, die in den kastilischen Restaurants um die Wette brutzeln. Wer sich bis dahin noch nicht ins gastronomische Schlaraffenland katapultiert fühlt, dem bleiben auf jeden Fall noch die Pata negra-Hochburgen in der Extremadura, die Grill-Institutionen im Baskenland oder die Schinkendörfer Andalusiens.

Ganz nebenbei gibt es eine kostenlose Schulung über die Safranernte in der Mancha sowie eine herrlich erheiternde Geschichtslektion in Sachen schwarze Metall-Kampfstier-Ikonen am Straßenrand. Seelenbaumler bekommen ihrerseits eine breite Palette an Ausflugszielen inklusive „puderfeiner Sandstrände“ an Kantabriens Küste, Naturschwimmbäder in der Extremadura oder idyllische Fischerstädtchen in Galizien auf dem Silbertablett serviert. Sollte einem während den kulinarischen Höhenflügen und spannenden Ausflugszielen eine unerwartete Bettschwere zwischen zwei Paradores-Stationen überkommen, mangelt es auch nicht an alternativen Übernachtungsempfehlungen.

Bevor ich zum Fazit komme, muss ich Euch unbedingt noch einige Kostproben der sprachlichen Leichtigkeit, mit der Wolfgang Abel durch das Buch  jongliert, zum Besten geben:

  • Das wichtigste Landstädtchen des unteren Aragón ist umgeben von Flußauen und Feldern, die gegen den Himmel ausrollen. Die neuen Überlandstraßen sorgen für schnelles Vorankommen wie in Mecklenburg-Vorpommern. Eine Region zum mediativen Autowandern. (Seite 58)
  •  […], wenn die Schatten zwei Stühle breit sind, sitzen aber die ersten Alten vor der Tür […]. (Seite 66)
  • Im Pensionärs-Eldorado Denia muß niemand auf Schwarzbrot verzichten, Bridgeclubs und Costa Blanca Nachrichten garantieren ein Leben wie im Sauerland. (Seite 210)
  • Mit wenig Mühe läßt sich die Sättigung im Restaurant und die Erfrischung im Meer über Stunden hinweg auf ausgeglichenem Niveau halten. (Seite 257)

In Leselaune’s Schlussansichten


Spaniens Paradores – Hotels, Extratouren, Landpartien – ist die Pflichtlektüre schlechthin für alle Freunde dieser außergewöhnlichen Hotelkette. Dabei geht das Reisebuch weit über einen zuverlässigen Übernachtungs- und Restaurantführer hinaus. Als inhaltlicher Tausendsassa überrascht er gleichzeitig mit aufmerksamkeitsscheuen Ausflugszielen und tiefschürfenden Einblicken in örtliche Eigenheiten. Parador-Hopping mit Mehrwert, sozusagen.

Durch annähernd so viel Farbaufnahmen wie Buchseiten ist Spaniens Paradores außerdem bestens dafür geeignet, sich kurzzeitig wegzuträumen. Sei es hinter dicke Burgmauern, in die Stille malerischer Kreuzgänge oder unter Schatten spendende Orangebäume eines idyllischen Patios. Ganz unverbindlich, in jedweder beliebigen Reihenfolge und auf jeden Fall umweltschonend. Konkrete Reisepläne waren gestern.

Die Einschübe Themen am Weg ersetzen jeden Landeskunde-, Gastro- oder Genießerführer. Es gibt keine Spanien-typische Eigenart, kein Ritual, keinen Landstrich, der keine Würdigung erfährt. Hat man alle 50 Themen durch, kennt man zwar noch nicht die spanische Seele, fühlt sich aber bereits auf der iberischen Halbinsel heimisch.

Die Paradores Beschreibungen selbst sind durchweg authentisch und ehrlich, weil selbst erlebt. Endlich ein Reisebuch, das mit dem schlechten „Voneinander-Abschreiben-Habitus“ (inklusive obsoleter oder fehlerhafter Angaben) vieler Reiseführer bricht. Deshalb attestiert die Frankfurter Allgemeine Zeitung: „Am Ende weiß man Bescheid, wird keine bösen Überraschungen erleben und sich sagen, daß dies ein sinnvolles Buch ist. Das ist das höchste Lob.“

Diesem Lob kann sehr wohl ein weiterer Aspekt hinzugefügt werden. Nämlich eine sprachliche Eloquenz und Leichtigkeit, die den meisten Genre-Mitstreitern abgeht. Trifft man in den einschlägigen Reiselektüren auf immer dieselben sachlich-sterilen Phrasen, überrascht Wolfgang Abel mit

  • spitzzüngigen Formulierungen
    „Es gibt weltweit genug Kasperletheater, die sich Hotel nennen.“ (Seite 9),
  • messerscharfen Beobachtungen 
    „Wobei zur Landeskunde auch die Art und Weise gehört, in der Pensionäre auf einer Bank sitzen: Im Süden wird auf Parkbänken geredet, im Norden geschwiegen. Einmal mehr wird deutlich, wie kalt es bei uns mittlerweile geworden ist, trotz konstruierter Kommunikationsangebote und Stadtteiltreffs. Die Vitalität einer spanischen Plaza erreicht keine dieser sozialen Krücken.“ (S. 64)
  • und schnörkelloser Kritik
    „Oft mangelhaft (bei Altbestand): Die Geräuschdämmung der Zimmer – auch bei Renovierungen wird auf eine zeitgemäße Dämmung wenig Wert gelegt (denken Sie also an Eigendämmung durch Ohrstöpsel!“ (S. 15)

Summa summarum ein ausgesprochen geglückter Reiseführer, der sich von der breiten Masse abhebt und folglich nur wenige Wünsche offenlässt.

Auch nach 12 Jahren noch aktuell

In der vorliegenden Ausgabe bewertet der Autor die einzelnen Paradores anhand eines 5-Kästchen-Systems. Als Kriterien zieht er Lage, Ausstattung und Umgebung heran. Dabei kommt mir der Faktor „Ambiente“ zu kurz, der besonders die markanten historischen Anlagen auszeichnet. Zwar kann sich der Leser den Charme-Faktor dieser Anlagen in der ausführlichen Parador-Beschreibung erarbeiten, doch vielleicht ließe sich dieses Bewertungskriterium in einer möglichen Neuauflage mitberücksichtigen?

Da ich nicht nur eine treue Freundin der Paradores, sondern auch von knackigen Übersichten bin, habe ich eine solche vermisst. Quasi ein herausnehmbares Faltblatt mit einem tabellarischen Überblick aller Paradores inklusive Provinz, Typus und Bewertung. Idealerweise ergänzt um eine Entfernungsmatrix. Ja, ich weiß, ich bin anspruchsvoll.

Was es für mich dagegen nicht gebraucht hätte, sind die Hinweise auf alternative Übernachtungsangebote im Buch. Dazu bin ich zu sehr in die Hotels mit dem gold-grünen Logo vernarrt. Zugegeben, an der ein oder anderen Paradores-Front ist der Lack inzwischen etwas ab. Aber einer gewachsenen Freundschaft kehrt man nicht so einfach den Rücken. Makel hin oder her.

Spaniens Paradores ist selbst 12 Jahre nach dem Erscheinen der 3. Auflage nach wie vor up-to-date. 
An den von Wolfgang Abel skizzierten Porträts der Orte, Landstriche und Luxus-Unterkünfte hat sich mit Sicherheit nicht viel verändert. Die Paradores-Weltanschauung ist gesetzt und gerät erst in Gefahr, wenn die reinweiß-gestärkte Bettwäsche nicht mehr hält, was sie verspricht. Da zudem von den elf 2008 entweder im Bau oder in Planung befindlichen Paradores bis heute nur fünf realisiert wurden, besitzt das Reisebuch eine Aktualitätsrate von 95 %. Das ganz eigene Tempo der spanischen Uhren als auch der Mühlen der Verwaltung machen es möglich.


Spaniens Paradores

Besondere Hotels, Extratouren, Landpartien

Kategorie: Reiseführer
Autor: Wolfgang Abel
Verlag: Oase Verlag
Erscheinungsjahr: 2008; 3. Auflage
Ausgabe: broschiert, Taschenbuch
Umfang: 408 Seiten
ISBN: 978-3-88922-051-6
Preis: 24,80 €

Einen Blick vorab ins Buch gibt es auf der Verlagsseite.

Das Cover sowie alle Abbildungen aus dem Buch sind (sofern nicht anders angegeben) Eigentum des Oase-Verlags bzw. des Herausgebers Wolfgang Abel. Das Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Autor zur Verfügung gestellt. Ein herzliches Dankeschön hierfür. Meine Rezension wurde dadurch nicht beeinflusst.

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