Strasbourg – Geburtsort der Marseillaise
Wir befinden uns im eleganten Salon des Bürgermeisters der Stadt Strasbourg, Baron Philippe Fréderic de Dietrich. In dem mehrstöckigen Gebäude am Place de l’Égalité (heute Place Broglie) in Strasbourg trifft sich regelmäßig die intellektuelle Oberschicht der Stadt, um zu dinieren, zu musizieren oder über politische, schöngeistige oder philosophische Themen zu parlieren. Allerdings beschäftigt seit mehreren Wochen nur noch ein Gesprächsthema den bürgerlichen Zirkel, nämlich die sich zuspitzende Lage an den Außengrenzen Frankreichs. Das hat seinen guten Grund.
Das revolutionäre Frankreich mit seinen gefährlichen Ideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit ist in den Augen der royalistischen Nachbarstaaten ein unberechenbares Damoklesschwert. Vor allem die Monarchen in Österreich und Preußen, aber auch in den Niederlanden, Spanien und England fürchten, dass sich das neue Gedankengut über ganz Europa ausbreitet und ihre Machtposition ebenfalls ins Wanken gerät. In Frankreich hat man die Befugnisse des Königs Louis XVI. durch die neu erklärte konstitutionelle Monarchie bereits dermaßen beschnitten, dass er nur noch als Marionette der Volksversammlung agiert. Das soll in den anderen Königreichen nicht passieren. Österreich und Preußen handeln als Erste und schließen sich zu einem Defensivbündnis zusammen. Gemeinsam mit der in Koblenz zusammengezogenen konterrevolutionären Armee aus geflohenen Adligen sichern sie dem französischen König für seine Restitution ihre volle Unterstützung zu. Welch Provokation für die Rädelsführer der Revolution! So flattert am 20. April 1792 die Kriegserklärung Frankreichs auf den Tisch des österreichischen Königshauses.
Die Geburtsstunde der Marseillaise
Eine prekäre Situation für die Grenzstadt am Rhein, doch wie sagt man so schön „the show must go on„. Die französische Rheinarmee befindet sich kurz vor Inmarschsetzung. Also ist es nur recht und billig, dass der Bürgermeister de Dietrich die Offiziere der Straßburger Garnison als wohlgemeinte Zerstreuung zu einem offiziellen Empfang einlädt. Unter den Gästen am 25. April 1792 befindet sich auch der Armeeingenieur Claude-Joseph Rouget de Lisle.
Der Hauptmann der Pioniere ist kein Unbekannter im Hause des obersten Stadtherrn. Bereits seit gut einem Jahr in Strasbourg stationiert, macht er auf einer Zusammenkunft der Freimaurerloge (so munkelt man zumindest) die Bekanntschaft des Bürgermeisters. Seither verbindet sie die Freude am Musizieren und Komponieren. Es wundert deshalb nicht, dass Baron de Dietrich an diesem Abend geradewegs auf den jungen Offizier zugeht und ihn bittet, ein schneidiges Kriegslied zu verfassen. Es kann ja nicht schaden, den Kampfgeist der Revolutionsarmee musikalisch zu beflügeln.
Rouget de Lisle macht sich umgehend an die Arbeit. Von patriotischen Gefühlen überwältigt, fließen ihm Text, Melodie und Noten nur so aus der Hand. Die Nacht wird in die Sternstunden der französischen Geschichte eingehen. Als der Morgen dämmert, ist das Werk vollbracht. Aus Hochachtung gegenüber seinem Kommandanten widmet Rouget de Lisle das Schlachtenlied dem Oberbefehlshaber der Rheinarmee, Marschall von Luckner.
Als der Hauptmann abends in das Haus des Bürgermeisters zurückkehrt, erwartet ihn bereits eine illustre Dinnergesellschaft. Aller Augen sind gespannt auf den Hobby-Komponisten gerichtet, der es kaum erwarten kann, sein Werk vorzutragen. Er bittet die Frau des Bürgermeisters ihn am Klavier zu begleiten, um dann voller Inbrunst seinen „Chant der guerre pour l’armée du Rhin“ zum Besten zu geben. Sein Premieren-Publikum ist vom Opfer, Blut und Patriotismus strotzenden Kriegslied für die Rheinarmee begeistert. Die Noten sind schnell vervielfältigt und verteilt, der Name von Rouget de Lisle in aller Munde.
Die Marseillaise –Vom Schlachtengesang zur Nationalhymne
Nun stellt sich mir natürlich die Frage “ Was lief schief“? Wenn doch das Motivationslied der Rheinarmee sowohl in Strasbourg komponiert als auch das erste Mal gesungen wurde, warum heißt die französische Nationalhymne dann nicht Strasbourgaise?
Ganz einfach, weil wie so oft im Leben, diejenigen, die am lautesten schreien, auch am längsten in Erinnerung bleiben. Und das waren eben die freiwilligen Revolutionstruppen aus Marseille, die das Lied bei ihrem Einzug in Paris im August 1792 voller Inbrunst durch die Straßen schmetterten. Und da dieser volltönende Einmarsch des 600 Mann starken Freiwilligenkorps für die von der revolutionären Stimmung eh schon aufgeheizten Pariser dermaßen ergreifend gewesen sein muss, sprach jeder nur noch vom Lied der Marseiller, kurz Marseillaise.
Exakt sechs Jahre nach Erstürmung der Bastille wurde der pathetische Schlachtengesang am 14. Juli 1795 per Dekret zum Nationallied ausgerufen.
Doch schon 1804 war die Französische Revolution und mit ihr die Marseillaise nur noch unerwünschter Schall und Rauch. Sowohl im Kaiserreich unter Napoleon Bonaparte als auch während der Restauration war das martialische Lied verboten. Weder Napoleon I. noch seine Nachfolger wollten den Aufruf zur Waffengewalt weiter anfachen noch das viele Blut von geköpften Frauen und Kindern weiter fließen sehen.
Erst ab der Julirevolution 1830 und der Einsetzung des Königs der Franzosen, Louis Philippe I. erlebte die Marseillaise ihre Renaissance. Kein Geringerer als Hector Berlioz orchestrierte das Schlachtlied zu Ehren von Rouget de Lisle und verhalf ihm damit zur Salonfähigkeit. Noch während der III. Republik erklärt man eine offizielle Fassung zur Nationalhymne. Dieser Status ist auch in den französischen Verfassungen von 1946 und 1958 fest verankert.
Auf den Spuren der Marseillaise in Straßburg
Allons enfants de la Patrie,
Le jour de gloire est arrivé!
Contre nous de la tyrannie
L’étendard sanglant est levé.
Entendez-vous dans les campagnes
Mugir ces féroces soldats?
Ils viennent jusque dans vos bras
Égorger vos fils, vos compagnes.
Aux armes, citoyens,
Formez vos bataillons,
Marchons, marchons!
Qu’un sang impur
Abreuve nos sillons!
Auf, Kinder des Vaterlands!
Der Tag des Ruhms ist gekommen.
Gegen uns wurde der Tyrannei
Blutiges Banner erhoben.
Hört ihr im Land
Das Brüllen der grausamen Krieger?
Sie kommen bis in eure Arme,
Die Kehlen Eurer Söhne, eurer Gefährtinnen durchzuschneiden.
Zu den Waffen, Bürger!
Schließt die Reihen,
Vorwärts, marschieren wir!
Das unreine Blut
tränke unserer Äcker Furchen!
Musée Historique – Patriotismus pur
Im Historischen Museum von Straßburg hängt das legendäre Gemälde von Isidore Pils aus dem Jahr 1849. In einer Momentaufnahme zeigt es den jungen Offizier Rouget de Lisle, wie er das Kriegslied der Rheinarmee zum ersten Mal im Haus des Bürgermeisters singt. Ob sich die Szene genauso abgespielt hat, darf inzwischen bezweifelt werden. Zumindest lässt eine Nachricht der Frau des Bürgermeisters de Dietrich an ihren Bruder andere Schlüsse zu. In ihrem überlieferten Brief schildert sie nämlich, wie ihr Mann Frédéric als äußerst begabter Tenor die Abendgesellschaft am 26. April 1792 mit dem von Rouget de Lisle komponierten Lied vortrefflich zu unterhalten wusste.
Grand Rue 81 – Die Ideenschmiede
Rouget de Lisle logierte während seiner Stationierung in Strasbourg im Haus in der Grand Rue 126. In der Nacht vom 25. auf den 26. April 1792 komponierte er in der Wohnung im 1. Stock das Kriegslied für die Rheinarmee.
Die Hausnummern der Grand Rue erfuhren zum Ende des 18. Jahrhunderts eine Neuordnung, so dass das ehemalige Unterkunft von Rouget de Lisle heute in der Grand Rue Nummer 81 zu finden ist.
Place Broglie – Der Premierenort
Im Vorgängergebäude der Banque de France (heute Place Broglie 3) sorgte der ehemalige Bürgermeister Straßburgs für die Initialzündung zur Komposition der Marseillaise. Außerdem wurde in diesen Räumlichkeiten die spätere Nationalhymne der Franzosen zum ersten Mal gesungen.
Das ehemalige Haus mit der Nummer 4 musste 1924 dem jetzigen Monumentalbau weichen. Eine Gedenktafel und zwei Bronzeplaketten mit dem Konterfei des Initiators Bürgermeister de Dietrich und des Komponisten Rouget de Lisle erinnern heute noch an den denkwürdigen Ort.
Rue des Charpentiers 17 – alternativer Premierenort
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass seit jüngster Zeit das Gebäude in der Rue des Charpentiers 17 als Premierenort für die Darbietung des Kriegslieds der Rheinarmee zur Diskussion steht. Anderen Quellen zufolge wurde das Herrenhaus in der Zimmerlitgass von der Familie de Dietrich allerdings nur bis Juli 1791 bewohnt.
Selbst die Stadt Strasbourg scheint sich angesichts der unterschiedlichen Kennzeichnungen und Verweise am Haus der Banque der France bzw. am ehemaligen Wohnhaus von Rouget de Lisle in der Grand Rue über den tatsächlichen Aufführungsort der Marseillase uneins zu sein.
Place Broglie – Marseillaise-Denkmal
Anfang des 20. Jahrhunderts konnte sich weder die nordelsässische Gemeinde Wissembourg noch Haguenau im Rahmen der Ausschreibung für ein Kriegerdenkmal für den Entwurf des Bildhauers Alfred Marzolff begeistern. So verschwand dessen abgelehntes Modell erst einmal in der Versenkung. Doch nach Ende des Ersten Weltkriegs und der Wiedereingliederung des Elsass nach Frankreich, galt es sichtbare Zeichen der neuen alten Zugehörigkeit zu setzen. Also entschied man im obersten Stadtgremium, dass ein Monument in Gedenken an die Marseillaise genau das Richtige für Strasbourg wäre. Alfred Marzolff (dessen künstlerische Hinterlassenschaften wie die Büste des Komponisten Victor Nessler oder die Skulptur des Herkules im Parc de l’Orangerie zu bewundern sind) förderte seinen Entwurf wieder zutage und schritt zur Vollendung. Passend zum 130. Geburtsjahr des Chant der guerre pour l’armée du Rhin wurde das bestellte Denkmal am 14. Juli 1922 unter großer öffentlicher Anteilnahme vor dem Eingang des Rathauses am Place Broglie eingeweiht.
Allerdings dauerte der plastische Auftritt der beiden für die Freiheit des Vaterlandes in den Kampf ziehenden Soldaten nur 18 Jahre. Symbolkräftig zerstörten die deutschen Besatzer am französischen Nationalfeiertag 1940 das dynamische Duo. Lediglich die beiden am Sockel angebrachten Medaillons mit dem Konterfei von Rouget de Lisle und dem ehemaligen Bürgermeister de Dietrich wurden verschont und haben heute ihren Platz am Gebäude der Banque de France (Place Broglie No 3).
40 Jahre blieb der kleine Rathausvorplatz verwaist. Doch zum Glück fand sich im Nachlass des elsässischen Künstlers das Gipsmodell der Marseillaise-Skulptur, mit dessen Hilfe die Straßburger Münsterbauhütte L’Œuvre Notre Dame das Denkmal rekonstruierte. Und so marschieren die beiden gegensätzlichen Figuren seit 1980 wieder wild entschlossen dem Feind entgegen. Seite an Seite, die Reihen geschlossen. Der eine in Holzschuhen mit geschulterter Fahne, der andere in Armeestiefeln, die Hand griffbereit am Schwert.
Die Marseillaise – ein Fluch für alle Beteiligten?
Nicht wenige Symbole der Revolution haben noch heute in der Fünften Französischen Republik mehr denn je Bestand. Der 14. Juli wird nach wie vor als französischer Nationalfeiertag mit Pauken, Pomp und Trompeten begangen und der Leitspruch „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ fand offiziell Eingang in das französischen Kulturgut. Der gallische Hahn, ehemaliges Siegeltier des Direktoriums, ziert die Nationaltrikots der Les Bleus, während die Büste bzw. das Gesicht der phrygischen Marianne immer noch hilft, die Frauenquote in den französischen Rathäusern zu verbessern. Und natürlich ist da noch die Marseillaise als Nationalhymne. Blutig wie eh und je.
Doch ich frage mich, was aus den einstigen drei Hauptprotagonisten des Kampflieds der Rheinarmee wurde? Leider nichts Gutes. Denn noch während die Marseillaise ihren Siegeszug durch Frankreich antrat, wurden Claude Joseph Rouget de Lisle, Baron Philippe-Frédéric de Dietrich und Johann Nikolaus Graf Luckner zu tragischen Figuren der Revolution. Welch Ironie des Schicksals!
Der Initiator – Philippe-Frédéric de Dietrich
Philippe-Frédéric de Dietrich, Sohn eines wohlhabenden Industriellen und selbst renommierter Geograf als auch Mineraloge, schrieb im März 1790 als erster gewählter Bürgermeister von Strasbourg Stadtgeschichte. Eigentlich königlicher Kommissar für Berg- und Hüttenwerke, Waldungen und Fabriken hatte man ihn zu Beginn der Französischen Revolution in seine Geburtsstadt beordert, um die Wogen zwischen den alten und neuen politischen Kräften erfolgreich zu glätten. Als Baron genoss er einerseits das Ansehen des Adels, identifizierte sich andererseits allerdings auch mit den revolutionären Grundgedanken im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie.
Als diese mit dem Sturm der Tuilerien am 10. August 1792 und der Festsetzung des Königs keinen Bestand mehr hatte, ließ sich der sonst so besonnene Humanist dazu hinreißen, den radikalen Revolutionären in Paris mit der Abspaltung Straßburgs von Frankreich zu drohen. Eine unbedachte Äußerung, die folgenschwere Konsequenzen nach sich ziehen sollte. Die Jakobiner entfernten de Dietrich noch im selben Monat aus seinem Amt. Sicherheitshalber suchte er Zuflucht bei seinem Schwager in der Schweiz. Er plante dort auszuharren, bis sich die Wogen geglättet und die innenpolitische Lage mit der Ausrufung der I. Republik beruhigt hatte. Allerdings veranlasste ihn die Beschlagnahmung seines Vermögens bereits wenige Monate später zur Rückkehr. Doch kaum hatte er seine Füße auf französischen Boden gesetzt, wurde er inhaftiert. Die von Robespierre hintertriebene Anklage lautete auf Verschwörung mit dem Feind und Hochverrat. Das Todesurteil wurde in aller Eile am 29.12.1793 auf dem Schafott vollstreckt.
Zwei Jahre später erhielt die Familie des Barons das eingezogene Vermögen, die Sägemühlen und Hüttenwerke als auch den Familiensitz auf Schloss Rothau zurück. Philippe-Frédéric de Dietrich wurde rehabilitiert. Ein schwacher Trost.
Die Widmung – Johann Nikolaus Graf Luckner
Die steile militärische Karriere von Johann Nikolaus Graf Luckner nahm 1743 im Alter von gerade einmal 20 Jahren im Österreichischen Erbfolgekrieg ihren Anfang. In den kommenden beiden Jahrzehnten verdingte er sich immer dort, wo entweder Ruhm, Ehre, Abenteuer oder eine angemessene Bezahlung winkten. So befehligte er bald bayerische, niederländische oder hannoversche Truppen, bevor ihn ein Jahressold von 30.000 Livres überzeugte, in französische Dienste zu treten. Es folgte ein entspannter Lebensabschnitt ohne großes Schlachtengetümmel bis die Französische Revolution den mittlerweile 70 Jahre alten Marschall wieder zu den Waffen rief.
Als Oberbefehlshaber der Rheinarmee und später der Nordarmee war ihm jedoch wenig Erfolg beschieden. Teils mag es an der schlechten Ausbildung und Ausrüstung des Revolutionsheeres gelegen haben, teils sicherlich an Luckners fortgeschrittenem Alter. Kriegsmüde demissionierte er 1792. Nachdem er beinahe ein Jahr vergeblich die ihm zustehende Pension eingefordert hatte, beschloss er direkt mit seinem Anliegen in Paris vorstellig zu werden. Ein verhängnisvoller Schritt. Als heimlicher Royalist und Verräter der Revolutionsarmee denunziert und festgesetzt, machte man ihm kurzerhand den Prozess. Am 4. Januar 1794 beendete die Guillotine das Leben des 72-Jährigen. Bereits ein Jahr später erhielt auch Luckner seine Rehabilitation. Ebenfalls zu spät!
Der Komponist – Claude Joseph Rouget de Lisle
Zwar nicht das Schafott, dafür aber ein sorgenvoller Lebensabend wartete auf Claude Joseph Rouget de Lisle. Noch im Jahr seiner Erfolgskomposition wurde er aufgrund seines lautstarken Protests gegen die Verhaftung des Königs aus der Armee ausgeschlossen. Er konnte von Glück reden, dass er während der Terrorherrschaft nur sechs Monate im Gefängnis verbrachte und nicht gleich seinen Kopf verlor.
Nachdem er 1795 aus der Armee ausgeschieden war, versuchte er sich als Komponist, Übersetzer und Schreiber über Wasser zu halten. Allerdings entpuppte sich die Marseillaise als musikalische Eintagsfliege, denn die weiteren Werke von Rouget de Lisle fanden einfach keine wohlwollende Zuhörerschaft. Es kam sogar so weit, dass der ehemalige Offizier ein zweites Mal hinter Gitter wanderte. Dank der Bürgschaft von Freunden durfte er das Schuldgefängnis nach kurzer Zeit wieder verlassen. Eine erste wohlwollende Anerkennung der ein-maligen Leistung des Komponisten erfolgte unter dem Bürgerkönig Louis-Philippe I., der dem 70-Jährigen ein bescheidenes Altersgeld zuerkannte. Sechs Jahre später verstarb der Hobby-Komponist in der Nähe von Paris.
Späte Hommage
Wir machen einen Sprung in das Jahr 1915, denn die Geschichte von Rouget de Lisle ist noch nicht zu Ende erzählt. Ein aufreibender Grabenkrieg, verheerende Chlorgaseinsätze, materialverschlingende Angriffe und Gegenangriffe sowie Hunderttausende von Gefallenen hatten bereits nach einem Kriegsjahr die anfängliche Euphorie der französischen Truppen im I. Weltkrieg zermürbt. Ein nationaler Akt von großer Symbolkraft musste her, um den Liberté-Egalité-Fraternité-Gedanken neu zu entfachen.
Deshalb beschloss Staatspräsident Poincaré die Überführung der sterblichen Überreste von Rouget de Lisle in das Pariser Panthéon. Allerdings hatte er nicht bedacht, dass für diesen Akt die Zustimmung des Parlaments notwendig war, das in der Sommerpause weilte. Also blieb als Alternative nur die Bestattung im weniger prestigeträchtigen und eigentlich militärischen Persönlichkeiten vorbehaltenen Dôme des Invalides. Die Zeremonie ließ dafür nichts zu wünschen übrig. Am französischen Nationalfeiertag wurde der Leichnam von Rouget de Lisle zu den Klängen der Marseillaise in den Invalidendom übertragen, wo er in einem Seitengang der Krypta hinter einer schlichten Marmortafel seine letzte Ruhestätte gefunden hat.
Gut zu wissen
Auf den Spuren der Marseillaise
- Rue due Vieux Marché aux Poissons 2
Musée Historique – Gemälde Isidore Pils - Grand Rue 81
Wohnung von Rouget de Lisle - Place Broglie 3
Wohnung von Bürgermeister de Dietrich - Rue des Charpentiers 17
alternative Wohnung von Bürgermeister de Dietrich - Place Broglie / Rue de la Comédie
Denkmal Marseillaise
In der Nähe
Der gallische Hahn
Gleich um die Ecke bei der Banque de France in der Rue de la Nuée bleue trifft man auf ein weiteres französisches Nationalsymbol, den gallischen Hahn. Pünktlich zur Mittagsstunde erwacht er aus seinem Dornröschenschlaf und kräht lauthals die Henne auf der anderen Straßenseite an.
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