Parc de l'Orangerie in Strasbourg
Straßburger Spaziergänge,  Straßburgs Grüne Seite

Parc de l’Orangerie – der beliebteste Park der Straßburger


Endlich schlägt dass Wetter keine Kapriolen mehr und ich kann mich ohne Regenjacke und Gummistiefel nach draußen wagen. Höchste Zeit, denn immer wenn ich den Kopf freibekommen möchte, dann heißt es, schnell die Sportschuhe geschnürt und ab in den drei Minuten entfernten Parc de l’Orangerie.

Mit 26 Hektar Grundfläche macht die grüne Oase inmitten des UNESCO-Welterbe-Viertels Neustadt zehn Prozent der Grünflächen von Straßburg aus. Damit hat die Orangerie, wie sie schlicht von den Einheimischen genannt wird, im Größen-Ranking der Parkanlagen des Stadtgebiets uneinholbar die Nase vorn.

Entsprechend beliebt ist der Park bei den Einheimischen, zumal die Freizeitaktivitäten unerschöpflich sind. In den frühen Morgen- und späten Abendstunden gehört der Park den Walkern, Joggern, Yoga-Anhängern und Meditierenden. Die Ruhe des späten Vormittags nutzen die rüstigen Rentner für einen Plausch beim Bücherhaus oder auf den vielen Parkbänken entlang der Wege und Alleen, bevor über die Mittagszeit die very important EU-Personen zum Business-Lunch ins Sterne-Restaurant eilen. Am Nachmittag bevölkern die Familien die Spielplätze oder tummeln sich vor den Gehegen des Mini-Zoos, während Romantiker die lauen Sommerabende beim Picknick am oder mit einer Bootsfahrt auf dem künstlich angelegten See genießen.

Ich persönlich liebe die Orangerie für ihre Vielfalt. Angefangen bei den liebevoll angelegten Blumenbeeten, die je nach Jahreszeit Farben, Formen, Aussehen wechseln, über die zahlreichen lauschigen Plätze und verschlungenen Wege bis zu den 3000 schattenspendenden Bäumen. 32 besondere Spezies soll es geben, darunter der einzige japanische Kirschbaum Straßburgs, ein üppig blühender Magnolien-Baum oder ein immergrüner Sequoia. Zudem bietet der Park neben dem enormen botanischen Reichtum auch ein unerwartet kulturelles Erlebnis, von dem ich allerdings in einem anderen Blogbeitrag berichten werden.

Vom Alleenpark à la française zum englischen Landschaftsgarten

Plan von Strassburg 1735
Plan von Strasbourg mit der Orangerie im Norden; nach Du Chaffat, 1735

Die Anfänge der heute weitläufigen Parkanlage gehen auf das Jahr 1692 zurück. Marschall Huxelles gab den Auftrag außerhalb der Stadtmauern in Richtung des Vororts Robertsau eine breite, mit Ulmen und Linden gesäumte Allee anzulegen. Möglicherweise hatte der Festungskommandant dabei primär ein Auslauf- und Trainingsgelände für seine Kompanie-Pferde vor Augen, doch waren es vor allem die Straßburger selbst, die die Flaniermeile in Anspruch nahmen. Auf den Geschmack gekommen, gesellten sich bald weitere Wege hinzu. Selbstverständlich mussten sie, dem damaligen Zeitgeschmack des königlichen Gartenpapstes Le Nôtre entsprechend, alle gradlinig ausgerichtet sein. Ecken und Kanten waren gefragt. Und so prägten Parallelen und Diagonalen das Idealbild des klassischen französischen Alleenparks.

150 Jahre später hatte man jedoch genug davon. Die Romantik schlug sich auch in der Gartenbaukunst nieder. Die streng militärisch ausgerichtete Promenadenanlage à la française erhielt in der Zeit von 1830 bis 1848 Zuwachs in Form eines englischen Landschaftsgartens. Die Natur durfte sich ab sofort frei entfalten. Großzügige Grünflächen, geschwungene Wege, vereinzelte oder in Gruppen angelegte Laubbäume unterschiedlichster Art gaben fortan den Ton an.

Ein Meilenstein – die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung 1895

Für den nächsten Meilenstein in der Geschichte des Parc de l’Orangerie sorgte 1895 die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung unter dem Protektorat des kaiserlichen Statthalters des Reichslands Elsass-Lothringen. Seit einem halben Jahrhundert nahm die Industrialisierung in Europa mächtig Fahrt auf. Das Groß- als auch Kleinunternehmertum blühte. Man wollte sich präsentieren, positionieren, neue Kunden gewinnen und Märkte erschließen. Was wäre dafür besser geeignet gewesen als eine Leistungsschau, in der neben dem Gastgeberland Elsass-Lothringen auch Aussteller aus Baden, der Pfalz und Hessen teilnahmen? So nutzten 1250 Industrie- und Gewerbebetriebe diese einmalige Chance, ihr Können zu zeigen.

Ansicht der Industrie- und Gewerbeausstellung in Strassburg 1895
Lithographie Industrie- und Gewerbe-Ausstellung 1895; © The Trustees of the British Museum

Ein Blick in die Ausstellungsbroschüre regt wahrhaft zum Schmunzeln an. Ein von seiner Majestät, dem König von Belgien, brevetierter Zahnarzt pries künstliche Kautschuk-Zähne, Gaumen und Nasen zu den billigsten Preisen an. Ebenfalls mit den billigsten Preise sowie der reellsten Bedienung warb das Schuhgeschäft am Fischmarkt. Geiz war also schon vor über 100 Jahren geil. Dagegen hatte Schuhmachermeister Klumpp – Achtung der Name war Programm – ein Herz bzw. eine Patentlösung für beleibte und bequeme Personen. Nicht minder skurril mutet die Anzeige von Brutapparaten mit lebendem Inventar an. Dann hätte ich mich doch eher für den guten italienischen Verschnittwein zu 50 Pfennigen, den ungefärbten Kaffee oder die Billigwurst der Specerei Schoeps entschieden. Aber am besten gefällt mir der Extra Damen-Wein-Salon. Wo gibt es denn heute noch so etwas?

Ein neues Gesicht für die Orangerie

Doch diese Stilblüten nur am Rande. Es ging ja hauptsächlich darum, eine entsprechend große Besucherschar anzulocken. Deshalb bedurfte es sowohl eines interessanten Rahmenprogramms als auch eines attraktiven und einmaligen Ambiente. So bekam der Parc de l’Orangerie ein neues Gesicht.

Das Gelände erfuhr vor allem im Südosten eine erhebliche Erweiterung. Zahlreiche Pavillons, temporäre Ausstellungsräume und ein Festsaal wurden aufgestellt. Letzterer hatte sogar bis 1981 Bestand. Zu den Höhepunkten, damals wie heute, zählte mit Sicherheit der künstlich angelegte See, den in der Mitte noch immer die „Kleinen Vogesen“ überragen. Ursprünglich beherbergte das unterhöhlte Gebirge neben einer Aquarienschau auch eine Zucht für Rheinlachse. Doch das ist schon lange passé. Geblieben sind jedoch der Wasserfall, der im Westen von der Miniatur-Felsenlandschaft in den See hinabstürzt, und das Kaskaden-Wasserspiel auf der gegenüberliegenden Seite, an dem man sich von den mit Greifen geschmückten Steinbänken aus erfreuen kann.

Der Parc de l‘ Orangerie – historisches Monument und Öko-Park

Neben dem Pavillon Joséphine und dem reichhaltigen Skulpturenschmuck verdankt der Parc de l’Orangerie vor allem der umfangreichen Umgestaltung anlässlich der Industrie- und Gewerbe-Schau seine Einstufung als Historisches Monument im Jahre 1993. 
Zwei Jahrzehnte später erhielt die Orangerie dann eine weitere Auszeichnung, den Label Éco-Jardin.

Gleich mehrere ressourcen- und umweltschonende Aspekte waren für die Verleihung des ökologischen Prädikats ausschlaggebend. Die Rasenflächen werden nicht mehr aktiv bewässert und für den jahreszeitlich wechselnden Blumenschmuck gibt es nur noch bei der Neuanpflanzung einen Düngemittel-Schub. Während sich die Stadtverwaltung noch bemüht, durch den eingeschränkten Einsatz von energieverbrauchenden Gerätschaften für eine ausgeglichene Kohlenstoffbilanz zu sorgen, verzichtet man bereits gänzlich auf die Verwendung chemischer Unkrautbekämpfungsmittel. Noch ein Aspekt mehr, der den Orangerie-Park so sympathisch macht.

Rundgang durch den Parc de L’Orangerie

Habt Ihr inzwischen Lust bekommen auf einen Rundgang durch meinen Lieblingspark? Dann schnell bequemes Schuhwerk an und los geht es!

Wir starten unsere Erkundungstour am Haupteingang, der Platanenallee (1). Sie wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts angelegt. Mit durchschnittlich 35 bis zu über 40 Metern Wuchshöhe zählen die Platanen der Orangerie mit ihrer Camouflage-farbigen Borke zu den Giganten unter den Straßburger Laubbäumen. Einige Exemplare sind jedoch von einem Krankheitserreger befallen. Dieser höhlt die dicken Äste innerlich aus, was die Bäume allerdings nicht in ihrer Existenz gefährdet. Vielmehr macht es sie zu einem idealen Nistplatz für höhlenbrütende Vögel.

Platanenallee am Eingang zur Orangerie in Strassburg

Ein Vorzeige-Mini-Bauernhof

Rechterhand, auf halbem Weg zum rondellartig angelegten Platz vor dem Joséphine-Pavillon, öffnen sich jeden Nachmittag die Türen zum Mini-Bauernhof (2). Die Miniferme, ein winziger Streichel- und Erlebniszoo, wurde vor drei Jahren für über eine Million Euro umfassend renoviert. Seither fokussiert er sich mit seinem Bestand auf über ein Dutzend heimischer Kleintiere. In den Außengehen kann man nun mit Kaninchen, Schafen, Ziegen, einem Esel und einem Pony auf Tuchfühlung gehen oder in der 200 Quadratmeter großen Voliere Truthähne, elsässische Hühner und mehrere Laufenten unter fachmännischer Aufsicht füttern.

Ein Zoo in der Dauerkritik

Direkt gegenüber erhitzt der in die Jahre gekommene Zoo (3) schon seit längerem die Gemüter der Tierschützer, der Stadtverwaltung als auch der Vereinigung der Freunde des Zoos, die die Pflege und Verwaltung des kleinen Tierparks übernommen hat. Gegründet wurde der Zoo de l’Orangerie um die letzte Jahrhundertwende mit dem Ziel, einerseits das Leben und Verhalten exotischer Tierarten zu studieren und andererseits den Straßburger Bürgern ein ausgefallenes Freizeitvergnügen anzubieten. Der bekannte deutsche Architekt Fritz Beblo zeichnete für die Projektplanung verantwortlich. Auf ihn gehen das eigenwillig gelbfarbige Hauptgebäude mit den seltsamen Zwiebeltürmen sowie die darum herum angelegten Käfige und Behausungen für die Tiere zurück. Der Bauinspektor und spätere Stadtbaurat hinterließ bis zu seinem unfreiwilligen Weggang nach dem Ende des Ersten Weltkriegs ein reiches architektonisches Erbe im Stadtbild von Straßburg. Zu den bekanntesten Spuren zählen die Sankt-Thomas-Schule, die Kirche Saint-Madeleine sowie die als Jugendstilbau unter Denkmalschutz stehenden städtischen Badeanstalten.

Aktuell beherbergt der Zoo noch etwa 50 Wild- und 10 heimische Tierarten, darunter Flamingos, Bergziegen, Lemuren, Makaken-Meerkatzen wie auch verschiedene Papageienarten. Leider bieten die Gehege zum Teil einen wirklich tristen Anblick, weshalb die Kritik der Zoogegner nicht unberechtigt ist. Von gerechter Tierhaltung, geschweige denn einem attraktiven Freizeitangebot kann kaum mehr die Rede sein. Um die Missstände zu beseitigen, halfen bisher auch die jährlichen städtischen Subventionen in Höhe von über 400.000 Euro nicht. Ein gänzliches neues Konzept ist nun gefragt. Vorschläge liegen bereits auf dem Tisch. Was davon, wie, wann und mit welchen Geldern umgesetzt werden kann, steht noch in den Sternen.

Die Störche – des einen Freud, des anderen Leid

Ein Gehege innerhalb des Zooareals gehört dem Wappentier des Elsass, dem Weißstorch. In den 1960-er Jahren, als man in der Region nur noch neun Brutpaare zählte, entstand die an dieser Stelle die erste Aufzuchtstation. Seither erblickten in der Orangerie mehr als 800 Storchenküken das Licht der Welt. Leider kamen anfangs anstelle der erwarteten 40 % der flügge gewordenen Jungstörche nur knapp ein Zehntel von der ersten Überwinterungsreise in die südlichen Gefilde der Erdhalbkugel zurück. Doch seit einigen Jahren können die Vogelschützer wieder aufatmen, weshalb die Storchaufzuchtstation ihre Dienste vor einiger Zeit einstellte.

Der Weißstorch ist im Elsass wieder heimisch geworden, was die Population enorm in die Höhe schnellen ließ. Etwa 1000 Storchenpaare kreisen mittlerweile über den Dächern, Feldern und Wiesen des elsässischen Landstrichs. Manchmal auch zum Leidwesen der Anwohner. Denn die annähernd 200 gigantischen Storchennester in der und rund um die Orangerie herum sorgen bei Vollbesetzung nicht nur für interessante Fotomotive. Während sich die Anschaffung einer Jahreskarte für die Autowaschanlage mit Sicherheit mehrfach auszahlt, kann man sich dagegen die Kosten für einen Wecker sparen.

Der Pavillon der Kaiserin Joséphine

Zurück auf der Platanenallee geht es geradewegs zum Pavillon Joséphine (4). Das Gebäude mit den lang gestreckten Flügeln zu beiden Seiten des dreigeschossigen Zentralbaus ist nicht nur Herzstück des Parks, sondern gab ihm auch seinen Namen. 1801 vermachte die französische Nationalversammlung der Stadt Straßburg 138 Orangenbäume, die aus dem Besitz des Grafengeschlechts Hanau-Lichtenberg auf Schloss Bouxwiller stammten. Da die Schlossresidenz samt Inventar, wie jeglicher Adelsbesitz, von den Akteuren der Französischen Revolution 1793 beschlagnahmt wurde, benötigten die kälteempfindlichen Zitruspflanzen eine neues Zuhause. Von dem unerwarteten botanischen Geschenk überrumpelt, musste in Strasbourg erst einmal eine Überwinterungsmöglichkeit geschaffen werden. Also beauftragte man den Stadtarchitekten Boudhors mit dem Bau eines repräsentativen Quartiers für die kalte Jahreszeit. Nach zwei Jahren reger Bautätigkeit war das Meisterwerk 1806 vollbracht.

Ansicht des Parc de l'Orangerie 1806; Gravur von Benjamin Zix
Der Pavillon Joséphine mit den Orangenbäumen; Gravur Benjamin Zix; 1806

Mit der Orangerie schlug man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Nicht nur die teilweise viereinhalb Meter hohen Pomeranzen hatten eine Nobelunterkunft bekommen, sondern die Stadtherren gedachten auch die kaiserlichen Herrschaften unter demselben Dach unterzubringen. Napoleon Bonaparte und seine erste Gemahlin Joséphine de Beauharnais bevorzugten für ihre Aufenthalte jedoch den wesentlich komfortableren und zentral gelegenen Rohan-Palast. Da half es auch nicht, dass man, um dem Kaiser der Franzosen und seiner Gattin zu schmeicheln, 1809 die „inkommode“ Orangerie in Pavillon Joséphine umbenannte.

Die Orangenbäume blieben also unter sich, bis eine Nachlässigkeit bei elektrischen Wartungsarbeiten den kompletten Südteil des Pavillons 1968 in Schutt und Asche legte. Damit war mit Ausnahme von drei überlebenden Exemplaren, das Schicksal der annähernd 200 Jahre alten Zierpflanzen besiegelt. Trotzdem entschied man sich, das Wahrzeichen des Parks wiederaufzubauen. Dieses Mal gab man allerdings einem Stein- anstelle eines Holzbaus den Vorzug, der vier Jahre später eingeweiht wurde. Der Pavillon ist heute nur noch während Ausstellungen, Konzerten oder Konferenzen für die Öffentlichkeit zugänglich.

Pavillon Josephine im Parc de l'Orangerie in Strassburg

Das Buerehiesel – vom Milchausschank zum Feinschmecker-Restaurant

Bevor wir die breite Allee de l’Orangerie-Joséphine, die sich bis zum östlichen Parkende hinzieht, entlangschlendern, machen wir einen Abstecher zum elsässischen Buerehiesel (5). Das Bauernhäuschen im Fachwerkstil der Renaissance ist das letzte Relikt der Industrie- und Gewerbeschau anno 1895. Ursprünglich stand es in der 30 Kilometer von Straßburg entfernten Gemeinde Molsheim und beherbergte seit Anfang des 17. Jahrhunderts ein Lebensmittelgeschäft. Für die Leistungsschau des Reichslands wurde das urige Gebäude Stein für Stein, Holzbalken für Holzbalken und Ziegel für Ziegel an Ort und Stelle ab- und im Park wieder aufgebaut. Während in den oberen Etagen der Chefgärtner der Orangerie untergebracht war, gab es im Erdgeschoss eine Verkaufsstelle für Frischmilch. Zum temporären Parkbestand gehörten damals nämlich auch sechs Milchkühe, sodass der Nachschub gesichert war.

Heute empfängt der mit einem Michelin-Stern dekorierte Chefkoch und Inhaber Eric Westermann die Gourmets wahlweise im lichtdurchfluteten Wintergarten, auf der Sonnenterrasse oder im gediegenen Ambiente verschieden großer Salons. Unter dem Motto „Heimat frisch auf den Tisch und modern interpretiert“, gehören zu den Spezialitäten des Restaurants gebratene Froschschenkel mit Kerbel und Schniederspaetle, ein im Ganzen gekochtes elsässisches Huhn à la Baeckeoefe und zum süßen Abschluss eine mit Bier karamellisierte Brioche in Birnen-Begleitung samt einer Kugel selbst gemachtem Eis mit Biergeschmack. Na dann, bon appétit!

Der Liebestempel

Bevor wir jedoch den lukullischen Verführungen erliegen, kehren wir lieber auf die Orangerie-Joséphine-Allee (6) zurück. Die breite, gekieste Flaniermeile mit den beiden parallel dazu verlaufenden Seitenwegen entstand im Jahr 1812. Man beabsichtigte, den Pavillon für die zu diesem Zeitpunkt Nicht-mehr-Kaiserin Joséphine noch besser in Szene setzen. Allerdings versperrten die ursprünglich den Weg säumenden Platanen wohl bald die Sicht auf das Prachtgebäude, sodass sie den 160 Linden weichen mussten.

Allee de l'Orangerie-Joséphine im Orangerie-Park in Strassburg

Etwa 400 Meter müssen wir zurücklegen, bevor wir auf den Liebestempel (7) stoßen. Der auffällige Rundtempel im neoklassizistischen Stil schmückte seit Anfang des 19. Jahrhunderts den Parc du Contades, die Flaniermeile der gehobenen Straßburger Gesellschaft. Nachdem die weiß gestrichene Holzlaube Alters- und Ermüdungserscheinungen zeigte, plante die Stadtverwaltung ihren Abriss. Irgendwie besaß der Temple d’Amour dann doch ausreichend Fürsprecher für seine Rettung, sodass er 1958 in den Parc de l’Orangerie umzog. Mit dem See im Rücken, auf einer kleinen Anhöhe gut in Szene gesetzt, gilt er als angesagter Foto-Hotspot für Jungvermählte. 

Zwei Geheimtipps – eine schattige Ruheoase und ein kleines Paradies für Bücherwürmer

Eine kleine Ruhepause abseits des Trubels um den Liebestempel gefällig?
Ein Geheimtipp zum Abschalten und Kräfte sammeln befindet sich schräg gegenüber des Temple d’Amour. Sobald die Natur im Frühjahr den Hainbuchen ihr dichtgrünes Blattwerk zurückgibt, gehört der Laubengang (8) zu den beliebtesten Plätzen im Park. Insbesondere im Sommer kann man auf den Bänken unter dem schattenspendenden Blätterdach ein wenig Abkühlung suchen oder ein gutes Buch genießen. Dazu ergänzt ein munter plätschernder rosa Sandsteinbrunnen das idyllische Kolorit.

Selbst wer vergessen hat, sich mit ausreichend Leseproviant auszustatten oder Lust auf Spontanlektüre verspürt, muss nicht unverrichteter Dinge den Heimweg antreten. Zumindest nicht in den Monaten April bis Oktober. Die Cabane à livres, das Bücherhaus (9) am nordwestlichen Parkzugang, bietet schnell, unkompliziert und kostenlos Abhilfe. Seit 2011 ergänzen die über 1000 Bücher in Freiheit das kulturelle Angebot des Parks.

Buecherhaus im Orangerie-Park in Strassburg

Jedermann kann hier gut erhaltene Bücher abliefern, sich für neue begeistern und ihnen ein temporäres Zuhause schenken. Die Auswahl in dem hübschen Holzpavillon, dem dritten seiner Art, nachdem die ersten beiden das Opfer mutwilliger (?) Flammen wurden, ist unerschöpflich. Romane, philosophische Werke, Bildbände, Kinder-, Koch- oder Sachbücher bis hin zu Zeitschriften stapeln sich in den Regalen. Dabei spiegelt sich die internationale Nachbarschaft des Viertels Quartier des XV. auch in den Druckwerken wieder. Neben französischsprachiger Literatur finden sich immer jede Menge deutsche, englische oder auch mal spanische Bücher.

Das Fischerhaus

Bevor wir vom Bücher-Pavillon langsam an unseren Ausgangspunkt zurückkehren, drehen wir noch eine Schleife über die pittoreske Passerelle zu den Kleinen Vogesen. Vom Aussichtspunkt (10) oberhalb des Wasserfalls werfen wir einen Blick über die ganze Pracht des Parks, genießen noch ein wenig die Ruhe auf den gut versteckten Steinbänken am Ende der Kaskade (11) und statten zu guter Letzt dem Fachwerkhäuschen am Südufer des Sees einen Besuch ab. Es ist das letzte noch erhaltene Gebäude, das extra für die Industrie- und Gewerbe-Ausstellung 1895 errichtet wurde. Mal schauen, ob das Maison du Pêcheur, das Fischerhaus (12), geöffnet hat. Dann könnten wir ja noch eine Abschiedsrunde auf dem See drehen? Hättet Ihr Lust dazu?

Die Schattenseiten des Parc de l’Orangerie

Die Popularität der Orangerie hat leider auch ihre Schattenseiten. Von Naherholung kann keine Rede mehr sein, wenn sich am Wochenende die grüne Lunge der Stadt in einen überlaufenen, hektisch-betriebsamen und geräuschintensiven Tummelplatz der U-50 Generationen verwandelt.

Dann wird gerne mal die Maximallautstärke des Ghettoblasters auf Tauglichkeit getestet, während von jeder Parkbank oder Picknickdecke ein anderer Handyton fremde Ohren beglückt. Selbstverständlich leistet auch der lauthals quengelnde Nachwuchs seinen Beitrag zu dem lärmenden Tohuwabohu. Wer verspürt schon Lust, sich still und folgsam in die Endlosschlange vor dem Eiskiosk einzureihen? Dazu sorgt zwischendurch das schrille Kreischkonzert der Makaken für ein neues Level akustischer Schmerzgrenze. Zur Krönung des multikulturellen, multiethnischen und multiintonierten Orangerie-Erlebnisses fehlen noch die Hochzeitsgesellschaften. In gewagten Outfits defilieren sie mit fleißig drumherum hechelndem Fotografen zum Erinnerungsfoto in Richtung Liebestempel. Danach zieht die vielköpfige Bling-Bling-Karawane im Autokorso mit dem obligatorischen, jedoch unsäglich nervtötenden Hupkonzert weiter.

Nur vom Erzählen klingeln mir schon die Ohren. Glücklicherweise geht es wenigstens bei den Best Agern, die sich im savoir-vivre beim Boulespiel mit Rosé-Begleitung üben, ruhiger zu. Aber das ist leider die Ausnahme. Sobald das Thermometer über 25 Grad steigt und das Wochenende eingeläutet ist, trennen die Orangerie galaktische Welten von einem idyllischen Park mit Erholungsgarantie.

Deshalb lautet meine Empfehlung für alle, die sich am Flair der Orangerie in entspannter Atmosphäre erfreuen möchten: Meidet die Ferien- und sommerlich-sonnigen Wochenendnachmittage. Zu allen anderen Tages- und Jahreszeiten präsentiert sich der Park in seiner wahren Schönheit.


Gut zu wissen

Freizeitmöglichkeiten auf einen Blick

Gastronomie

Credits:
für die Kleinanzeigen Catalog und Führer durch die Industrie- und Gewerbe Ausstellung – 1895
für den Übersichtsplan © www.openstreetmap.org

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