Plakat zur Sonderausstellung "Great Women at War 1939-1935 im Juno Beach Centre in Courseulles-sur-Mer, Normandie
Frankreich,  Museen,  Unterwegs

Juno Beach Centre – Ausstellung „Great Women at War“ 1939 – 1945


Mit einer Sonderausstellung anlässlich des 75. Jahrestages der Landung der Alliierten in der Normandie erinnert das kanadische Museum Centre Juno Beach im französischen Courseulles-sur-Meer an  die unterschätzte, aber letztendlich mit kriegsentscheidende Rolle der Frauen während des II. Weltkriegs.

Sehnsuchtsziel Normandie

Die Normandie gehört zu den Reiszielen, von denen ich nie genug bekommen werde.
Der beinahe immergrüne Landstrich im Norden Frankreichs sendet in regelmäßigen Abständen seinen unwiderstehlichen Lockruf an mein Unterbewusstsein aus. Dann ist Kopfkino angesagt. Das Rauschen und der Geruch des Meeres, endlose Sandstrände, braun-schwarz gefleckte „Brillen“-Kühe, charmante Dörfer mit den typisch normannischen Fachwerkhäusern oder die roten Farbtupfer der Apfelplantagen ziehen an meinem inneren Auge vorbei. Nicht zu vergessen, die berühmten drei „C“, Camembert, Cidre und Calvados .

Und das ist längst nicht alles, was die Normandie zu bieten hat. Von den weißen Kreidefelsen im  östlichsten der fünf normannischen Départements bis zum sagenumwobenen Mont Saint-Michel im südwestlichen Zipfel an der Grenze zur Bretagne reihen sich in der sanft hügeligen Landschaft unzählige Sehenswürdigkeiten wie an einer Perlenkette aneinander.

Doch neben den vielgepriesenen touristischen Highlights, ist die Normandie für mich  jedes Mal aufs Neue ein hoch-emotionales Erlebnis. Besonders wenn ich auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in Colleville-sur-Mer zwischen den 9.387 weißen Grabsteinen stehe oder von der Anhöhe über Arromanches hinab auf die türkisfarbene Bucht mit den stählernen Überresten des künstlichen Hafens schaue.

Blick auf die unzaehligen weißen Kreuzes des amerikanischen Soldatenfriedhofs in Coleville sur Mer, Normandie

Trotz der bedrückenden Impressionen zieht es mich immer wieder an die D-Day Landungsstrände.
Das Wissen, dass an diesen heute so friedlich und idyllisch anmutenden Küstenstreifen, Tausende von alliierten Soldaten den Tod fanden, ist mir persönlich eine moralische Verpflichtung. Mit meinen immer wiederkehrenden Besuchen zolle ich den Gefallenen, Vermissten sowie den Kriegsveteranen, Tribut für ihre beispiellose Aufopferung im Kampf für die Freiheit. Ihrer, meiner und derjenigen aller nachfolgenden Generationen.

Historisches Erbe hautnah – das Juno Beach Centre

Selbst 75 Jahre nach dem D-Day am 6. Juni 1944 stehen die fünf Landungsstrände in der Normandie, Sword, Juno, Gold, Omaha und Utah Beach, stellvertretend für die menschenverschlingende, aber schlussendlich erfolgreiche Befreiungsaktion Europas von der Diktatur des Hitlerregimes durch die alliierten Streitkräfte.

An vielen ehemaligen Kriegsschauplätzen erinnern heute Mahnmale, Gedenkstätten, Friedhöfe und Museen an die erbitterten und blutigen Kämpfe. So auch in Courseulles-sur-Mer. In unmittelbarer Nähe zum Juno Beach, dem Landungsabschnitt der kanadischen Truppen, eröffnete 2003  in Gedenken an die 45.000 kanadischen Soldaten, die im II. Weltkrieg ihr Leben ließen, ein von kanadischen Veteranen und ihren Familien initiiertes Dokumentationszentrum seine Pforten.

Das Juno Beach Centre zeichnet, im Rahmen einer umfassenden, multimedialen Dauerausstellung, den Weg Kanadas von den 30-er Jahren bis zum Kriegseintritt und über die Landung in der Normandie bis zum Siegeszug durch Europa nach. In einem atmosphärisch bedrückenden Raum wird in sehr persönlichen Rückblenden an die unzähligen Kriegsopfer erinnert, bevor abschließend ein vielversprechender Blick auf die multi-ethnische Gesellschaft des heutigen Kanada erfolgt.

Sonderausstellung 2019-2020
Great Women During The War

Wenn von der Invasion der alliierten Streitkräfte die Rede ist, denkt man in erster Linie an die 836.000 Soldaten, die an der Operation Overlord beteiligt waren. Man hat die Filmszenen aus „Der längste Tag“ oder „Der Soldat James Ryan“ vor sich: die unzähligen Landungsboote, die nacheinander ihre lebende Fracht ausspuckten, die mutigen Soldaten, die über die minenverseuchten Strände stürmten oder die Pointe du Hoc erklommen, um sich anschließend im Heckenkampf aufzureiben.

Nur zu gerne vergisst man dabei, dass auch das weibliche Geschlecht einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen der größten militärischen Operation des 20. Jahrhunderts leistete.

Seit dem 1. März diesen Jahres widmet nun das Juno Beach Centre der unterschätzten Rolle der Frauen während des II. Weltkriegs einen eigenen Ausstellungsraum. Die Sonderausstellung, unter dem Motto „Grandes Femmes Dans La Guerre – Great Women During The War“, porträtiert mehr als ein Dutzend Frauen, die, jede auf ihre Weise und im Rahmen ihrer gegebenen Möglichkeiten, die Kriegsanstrengungen ihres Heimatlandes unterstützten. 

Blick in den Ausstellungsraum der Sonderausstellung Great Women at War 1939 - 1945 im Juno Beach Centre

Die vorgestellten Einzelschicksale stehen stellvertretend für alle Frauen während des II. Weltkriegs. Frauen, die sich an der Heimatfront als Heldinnen des Alltags bewährten, Frauen, die in Uniform oder Undercover ihren Mann standen, oder Frauen, die einfach ihre Sorgen und Verluste miteinander teilten.

Doch unabhängig davon, ob es sich um Hausfrauen, Fabrik- oder Landarbeiterinnen, Krankenschwestern, Widerstandskämpferinnen oder Angehörige paramilitärischer Einheiten handelte, Eines ist allen gemein:
sie waren mutig, tapfer und patriotisch. Und dennoch fanden sie selbst und ihre Verdienste bis heute viel zu wenig Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Umso erfreulicher ist deshalb, dass die temporäre Ausstellung im Centre Juno Beach den heimlichen Heldinnen des II. Weltkriegs ein Gesicht und eine Stimme gibt.

Wie heißt es so schön: „Hinter jedem großen Mann steht eine starke Frau“. Besser ist die Rolle der Frauen im II. Weltkrieg nicht zu beschreiben.

Die Rolle der Frau im Wandel

Werbeplakat der US Regierung während des II. Weltkriegs, um Frauen für Maennerjobs zu rekrutieren

Anhand der Protagonistinnen der Ausstellung erfährt man viel über das gesellschaftliche Selbstverständnis der Frau zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Über die sozialen Veränderungen, die die Mobilmachung mit sich brachte, den Wandel des Frauenbilds und die persönlichen Opfer, die der Krieg einforderte.

Werbeplakat der US Regierung aus dem II. Weltkrieg, das Frauen für die Munitionsindustrie anwirbt

Es ist kein Geheimnis, dass Frauen multitasking-fähig sind. Anders hätten sie die Strapazen des Kriegsalltags kaum meistern können. Die Männer wurden eingezogen und plötzlich standen sie alleine da. Die Kinder mussten versorgt, Haushalts- und Erziehungsfragen alleine gelöst, der Familienbetrieb am Laufen gehalten oder die Ernte eingebracht werden. Neben den organisatorischen und körperlichen Herausforderungen hatten die Frauen gleichzeitig den psychischen Belastungen standzuhalten. Die Angst um das Leben bzw. den Verlust des Manns, des Sohns, Enkels oder des Verlobten war stets präsent. 

Damit die heimische Wirtschaft nicht zusammenbrach, tauschten viele Frauen ihre Rolle am heimischen Herd mit dem Fließband in der Kriegsindustrie, dem Bürostuhl in der Telegrafenzentrale oder gar mit dem Schweißgerät in der Hand in den Maschinenfabriken. Der Krieg verschaffte ihnen ungewollt Zugang zu bisher ungeahnten beruflichen Möglichkeiten. Dass sie unterbezahlt wurden und ihnen die entsprechende Anerkennung und Aufstiegschancen verwehrt blieben, nahmen sie billigend in Kauf.

Nach Kriegsende verloren viele Frauen zwangsweise wieder ihren Job. Die Männer, die heimkehrten, wurden wieder in Anstellung genommen und die Frauen mussten weichen. Von den einst 3000 weiblichen Mitarbeiterinnen in einer kanadischen Flugzeugfabrik behielten nach dem Krieg nur drei (!) ihren Arbeitsplatz.

Kanadische Frauen am Fließband in einer Maschinenfabrik 1942

Dennoch hatten die Frauen auf lange Sicht als zuverlässige, fleißige und vielseitig einsetzbare Arbeitskräfte überzeugt. Der Weg zu neuen beruflichen Perspektiven und zur Akzeptanz des veränderten gesellschaftlichen Rollenbildes der Frau war geebnet. 

Uniformed Service – kanadische Frauen in Uniform

Im Verlauf des II. Weltkrieges traten über 50.000 Kanadierinnen den Streitkräften ihres Landes bei. Die Beweggründe von Seiten des weiblichen Geschlechts den Dienst in Uniform anzutreten, waren vielfältig. Patriotismus und ein bezahltes Jobangebot zählten wahrscheinlich zu den Hauptmotivationen. Viele Frauen nutzten aber auch die Chance auf ein wenig mehr Anerkennung ihrer Leistungen oder den Respekt, der einer Frau in Uniform entgegen gebracht wurde. Für andere wiederum war das Zusammengehörigkeitsgefühl ausschlaggebend. Manche suchten aber auch nur das Abenteuer oder wollten aus der traditionellen Hausfrauenrolle ausbrechen.

Bei Kriegseintritt war der Widerstand in der reinen Männerdomäne gegen die Aufnahme von Frauen in militärische Dienste enorm groß. Doch mit fortschreitendem Kriegsverlauf erkannte die Führungsspitze des Landes, dass ohne das weibliche Geschlecht die Kriegsanstrengungen nicht zu meistern sind. Erst im August 1941 reagierte die Heeresführung und rief als erste Einheit das Canadian Women’s Army Corps ins Leben.

Personal des Canadian Women’s Army Corps 1944
Personnel of the Canadian Women’s Army Corps at №3 CWAC (Basic) Training Centre (April 1944)

Zwar war den Frauen grundsätzlich der Dienst an der Waffe oder die Teilnahme an Kampfhandlungen untersagt, dafür wurden sie mit Tätigkeiten betraut, die bis dahin von Männern erledigt wurden. Somit konnten weitere Soldaten für den Fronteinsatz freigestellt werden.

Zunächst stellte die Army nur ledige, weiße Frauen ein. Erst als sich die Lage über die Kriegsjahre zuspitzte, hatten auch verheiratete und schwarze Frauen sowie andere Minderheiten Zugang zum Dienst in den kanadischen Streitkräften. 

Nachdem sich die ersten Frauen im Militärdienst bei den Landstreitkräften bewährt hatten, zogen auch die anderen Einheiten mit der Gründung einer Frauen-Division nach. Somit gab es in Kanada die CWAC, die RCAF und die WRCNS.

CWAC – Canadian’s Women’s Army Corps

Für die Aufnahme in das CWAC gab es klare Vorschriften.
Die Bewerberinnen mussten mindestens 18 und durften höchstens 45 Jahren alt sein. Wer kleiner als 152 cm  war oder weniger 48 kg wog, hatte keine Chance angenommen zu werden. Gleichfalls wurde ein gewisser Grad an Bildung vorausgesetzt. Wer nicht mindestens acht Schulklassen vorweisen konnte, wurde abgelehnt.

Der Heeresdienst sah für die Frauen überwiegend administrative und organisatorische Routine-Aufgaben vor. Neben den klassischen Einsatzgebieten als Sekretärin, Köchin oder Telefonistin hatten sie jedoch auch die Möglichkeit, sich zur Mechanikerin oder Fahrerin ausbilden zu lassen.

Von 22.000 Mitgliedern des CWAC dienten über 3.000 in Europa.

RCAF-WD – Royal Canadian Air Force Women’s Division

Laura Bagby von der Royal Canadian Air Force Women's Division am Steuer ihres Traktors, der ein Flugzeug zieht,

Die kanadischen Luftstreitkräfte zogen zwei Monate nach dem Heer mit der Gründung einer Frauen-Einheit nach. Die Ausbildung bei der Luftwaffe umfasste vielfältigere und teilweise ungewöhnliche sowie deutlich anspruchsvollere Aufgaben als bei den Landstreitkräften. Die Einsatzmöglichkeiten der Frauen bei der Air Force reichten von der Flugzeug-Anstreicherin oder Näherin von Fallschirmen über die Werkzeugmacherin bis zur Schweißerin. Außerdem setzte man sie als Fotografin bei der Luftaufklärung oder zur Nachrichtenentschlüsselung und Identifizierung der Feindflugzeuge ein.

Von den 17.000 Frauen in der RCAF wagten sich auch einige Hundert mutige, intelligente und Technik-affine Frauen hinter den Steuerknüppel eines Jägers oder Bombers, um die Flugzeuge aus Kanada zu ihrem Einsatzort in Europa zu überführen.

Frau der Royal Canadian Air Force Women's Division beim Streichen eines Flugzeugs

WRCNS – Women’s Royal Canadian Naval Service

Signalgeberinnen des Women's Royal Canadian Naval Service 1944

In der Navy waren die Vorbehalte gegenüber dem weiblichen Geschlecht wesentlich größer. Erst im Oktober 1942 brach der Widerstand und die WRCNS wurde ins Leben gerufen. Vielleicht lag es an der Angst vor den männlichen Vorurteilen, dass sich schlussendlich „nur“ 7.000 Frauen den Seestreitkräften anschlossen, denn die Tätigkeitsfelder waren durchaus attraktiv (mal abgesehen von der schnittigen Uniform).

Signalgeberinnen des Women's Royal Canadian Naval Service 1944

Die WRENS, wie die weibliche Navy-Belegschaft der Einfachheit halber genannt wurde, denn WRCNS konnte niemand aussprechen, betraute man mit anspruchsvollen Aufgaben. Sie hatten die Kommandozentrale und den Nachrichtendienst zu unterstützen, mussten Flottenbewegungen erfassen, Codes entschlüsseln, Signaltürme bedienen oder Schiffe in den Heimathafen einweisen. Wer es weniger aufregend mochte, konnte die Navy als Versorgungsassistentin, Telefonistin, Fahrerin oder Seilmacherin unterstützen.

Auch wenn die Navy in vielen Bereichen, was die Emanzipation betraf, als sehr rückständig galt, in einem Punkt war sie jedoch Vorreiter: sie war die erste Einheit, deren Frauen-Division zeitweise auch von einer Frau geführt wurde.

Die Schwesternuniform

Nicht unerwähnt bleiben dürfen die 4.500 Kranken- und Operationsschwestern, die während des II. Weltkrieges ihren Dienst in der Marine, Luftwaffe oder beim Heer versahen. Zwei Drittel von ihnen leisteten ihren Freiwilligendienst fern des Heimatlandes. Doch nur wer ledig war und keine Kinder hatte durfte nach Europa.

Im Gegensatz zu den anderen alliierten Nationen, konnten die Kanadierinnen in Schwesternuniform in den Rang eines Offiziers aufsteigen. Damit standen einige Frauen rangmäßig deutlich über den von ihnen behandelten Soldaten.

Kanadische Krankenschwestern in Arromanches, Normandie, 1944

Fehlender Dank und Anerkennung

Diejenigen, die der Kriegsindustrie aus Alters- oder familiären Gründen nicht zur Verfügung standen, leisteten dennoch ihren Beitrag zu den alliierten Kriegsanstrengungen. Sei es mit freiwilligen Diensten beim Roten Kreuz, bei Kollekten von dringend benötigten Ressourcen oder bei der Umsetzung von Spendenaufrufen. So sammelten die kanadischen Frauen umgerechnet 3,1 Milliarden Euro durch den Verkauf von Spar-Briefmarken. Man half sich gegenseitig wo Not am Mann und Vaterland war. Und das ganz ohne finanzielle Entlohnung, ohne Auszeichnungen oder Verdienstmedaillen, dafür mit umso mehr Engagement und Herzblut.

In einigen Städten organisierten sich die Frauen in der sogenannten „Housewives‘ League“, der Hausfrauen-Liga. Man traf sich regelmäßig, um für die Soldaten an der Front Socken, Strümpfe, Rollkragen, oder Ohrenschützer zu stricken. Man schrieb Briefe und schnürte Pakete mit Zigaretten, vom eigenen Mund abgesparten oder selbst gebackenen Leckereien oder anderen, die Moral der Soldaten stärkenden Kleinigkeiten.

Frauen der Vancouver Hausfrauen Liga beim Stricken 1942

Selbstverständlich waren die Aufgaben und Tätigkeiten, die die Frauen während des II. Weltkrieges ausübten nicht kriegsentscheidend, aber entscheidend für den Verlauf und die Dauer des Krieges waren sie allemal. Und auch wenn die Frauen nicht an vorderster Front mit der Waffe in der Hand kämpften, riskierten viele selbstlos ihr eigenes Leben, um ihren Anteil zur Befreiung Europas von der nationalsozialistischen Tyrannei zu leisten.

Ich muss gestehen, dass auch mir bisher wenig Gedanken über die Rolle und den Beitrag der alliierten Frauen im II. Weltkrieg gemacht habe. Diese Sonderausstellung im Juno Beach Centre hat mir dankenswerter Weise die Augen geöffnet.

Damit die „Großen Frauen des Zweiten Weltkriegs“ noch ein wenig mehr Aufmerksamkeit erfahren, möchte ich meinen Blog-Beitrag nutzen, um Euch einige der bemerkenswerten Heldinnen näher vorzustellen.

Inge Oswald – ein Stadtmädchen als Farmerette

Inge Oswald links im Bild, in ihrer Unifrom als Farmerette
Inge Oswald links im Bild

Mit ihren 16 Jahren besuchte Inge Oswald noch die High School, als sie zusammen mit 10.000 anderen jungen Mädchen der kanadischen Farm Service Force beitrat. Dieser staatlich organisierte Freiwilligendienst sollte den durch den Kriegseintritt Kanadas entstandenen Arbeitskräftemangel  in den Landwirtschaftsbetrieben und der Lebensmittelindustrie kompensieren. 

Alle Mädchen und junge Frauen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr  konnten sich freiwillig melden, um die dringend zu erledigenden Aufgaben auf Farmen und Obstplantagen oder in Weinbergen und Konservenfabriken zu übernehmen. Die Farmerettes, wie man sie später liebevoll nannte, wurden anfangs zumeist belächelt. In der Stadt aufgewachsen hatten sie bisher wenig Erfahrung noch Berührungspunkte mit der schweren körperlichen Arbeit auf dem Lande. Für einen Stundenlohn von 25 Cent wurden die Farmerettes in erster Linie zum Aussäen des Saatguts oder als Erntehelferinnen eingesetzt.

Die aus Ontario stammende Inge Oswald verschlug es im Rahmen ihres Arbeitseinsatzes zunächst in die fruchtbare Niagara Region, wo Unmengen von Pfirsichplantagen abgeerntet werden mussten. Sehr bald stellte sich jedoch heraus, dass Inge allergisch auf die Flaumhärchen der Pfirsiche reagierte. Die euphorische Farmerette wurde daraufhin für die Arbeit an einer Abfüllmaschine in einer Tomaten-Konservenfabrik eingeteilt. Ein Job, der ihr verhasst war, den sie aber dennoch mit viel Patriotismus ausfüllte.

Molly Lamb Bobak – die erste offizielle Kriegskünstlerin

Bereits 1942 trat Molly Lamb dem CWAC bei und wurde zunächst für die üblichen Routineaufgaben eingesetzt. Da sie eine Ausbildung an der Vancouver Schule der Bildenden Künste vorweisen konnte, hoffte sie natürlich auf eine Nominierung zur offiziellen Kriegskünstlerin. Aber auch in diesem Bereich tat sich die Army schwer, Frauen einen entsprechenden Stellenwert einzuräumen.

Als die 24-jährige Molly 1944 dann den 2. Platz im ausgeschriebenen Kunstwettbewerb der Armee belegte, schien sich ihr Traum endlich zu erfüllen. Doch erst ein Jahr später war es soweit. Molly durfte als erste und einzige offizielle, kanadische Kriegskünstlerin den Weg über den großen Teich, nach Europa, antreten.

Molly Lamb Bobak, die erste offizielle kanadische Kriegskuenstlerin

Ihre erste Station war London, wo sie sich das Studio mit einem männlichen Kollegen teilen musste. Anfangs war dieser nicht gerade angetan von der Anwesenheit der weiblichen Kollegin. Ebenfalls mit reichlich Vorurteilen ausgestattet, errichtete er im Arbeitszimmer eine provisorische Trennwand aus herumliegenden Kisten. Doch die Abtrennung und der jüngste Kriegskünstler Kanadas, Bruno Bobak, hielten dem Charme von Molly nicht lange stand. So entwickelte sich eine Liebesgeschichte, die Hollywood nicht hätte besser schreiben können. Irgendwann fiel die Mauer, und kurz darauf läuteten die Hochzeitsglocken.

Perspektivwechsel

Mit ihrer Ernennung zur offiziellen Kriegskünstlerin war Molly angehalten, den Krieg aus ihrer Sicht zu dokumentieren. Sie tat dies nicht, wie viele ihrer Kollegen mit der Kamera, sondern mit Block und Bleistift oder Pinsel. Und sie wählte Motive, die ihre männlichen Mitstreiter, gar nicht oder nur ganz am Rande ins Auge fassten. Molly begleitet die Truppenbewegungen quer durch Europa, wo sie auf ihren Bildern den Kriegs- und Nachkriegsalltag der Kanadierinnen im Frauen-Armeekorps festhielt. Sie porträtierte ihre Kolleginnen bei den beschwerlichen Tätigkeiten in der Wäscherei oder der Küche, bei der Pflichterfüllung während des Dienstes in der Telefonzentrale oder der Postverteilung, als auch beim entspannten Zusammensein in der Offiziersmesse.

Als Molly Lamb Bobak Jahre später zu Gedenkfeierlichkeiten nach Apeldoorn in die Niederlande zurückkehrte, teilte sie die bittere Erfahrung vieler weiblicher Mitglieder der kanadischen Streitkräfte. Kaum jemand erinnerte sich an die Frauen des CWAC. Nur die kanadischen Soldaten, die zur Befreiung der Niederlande beigetragen hatten, wurden als Helden gefeiert.

Molly Lamb Bobak verstarb 2014 im Alter von 94 Jahren als letzte der insgesamt 32 Kriegskünstler Kanadas.

Madelaine Verly – eine Bahnbeamtin als Undercover-Agentin

Als der II. Weltkrieg ausbrach und die deutschen Truppen in Frankreich einmarschierten, war Madeleine Verly nichts anderes als eine loyale und pflichtbewusste, 41-jährige Sachbearbeiterin bei der staatlichen Französischen Nationalbahn. Niemand, und am allerwenigsten die deutschen Besatzer ahnten, dass die unscheinbare Französin ihren Passierschein, der ihr erlaubte, sich auf den verschiedenen Bahnstrecken in der Normandie frei zu bewegen, nutzte, um für die Résistance wertvolle Informationen zu sammeln und weiterzugeben.

Madeleine Verly, eine franzoesische Widerstandskaempferin

Bereits 1942 schloss sich Madeleine Verly der französischen Widerstandsbewegung an. Ihre berufliche Reisefreiheit prädestinierte sie dafür, nicht nur die deutschen Truppenbewegungen als auch die Entwicklungen beim Bau des Atlantikwalls im Auge zu behalten, sondern auch Kurierdienste für die Résistance zu übernehmen. Und das direkt unter der Nase der Deutschen und ohne großes Aufsehen zu erregen. Es genügte, dass sie mit dem Zug kreuz und quer durch die Normandie reiste und ihre Augen und Ohren offen hielt.

Nach der Landung der Alliierten in der Normandie half sie als Mitglied der französischen Streitkräfte des Innern, deren Transporte und Logistik mit zu organisieren.

Für ihren Mut und ihr Heldentum wurde Madeleine Verly nach Kriegsende mit dem Croix de Guerre und der Medaille de la Résistance ausgezeichnet.

Louise (Boitard) Gille – von der Lehrerin zur Widerstandskämpferin

Die im Jahr 2001, im Alter von 94 Jahren, verstorbene Louise Boitard war eine der am höchsten dekorierten Frauen Frankreichs. Besser bekannt unter ihrem Decknamen Jeanine, wurde diese außergewöhnliche Heldin des II. Weltkriegs nicht nur mit nationalen Ehren, wie dem Croix de Guerre, der Medaille de la Résistance oder der Ernennung zum Ritter der Fremdenlegion dekoriert, sondern fand auch bei anderen Nationen mit der Verleihung der Amerikanischen Medal of Freedom und dem israelischen Ehrentitel „Juste parmi les nations“ (Gerechter unter den Völkern) die größte Anerkennung.

Louise Boitard Gille, eine franzoesische Widerstandskaempferin

1940 gab Louise Boitard ihre Anstellung als Lehrerin in Honfleur auf, um nach Caen zu ziehen und als Sekretärin in der Anwaltskanzlei ihres späteren Ehemannes, Léonard Gille, zu arbeiten.
Zu dieser Zeit war sie bereits Mitglied der ersten französischen Widerstandsbewegung, der Armée des Volontaires. Zwei Jahre später, schloss sie sich der französischen Geheimarmee (Armée secrète) an, in der ihr Mann an oberster Stelle aktiv war.
Alias Jeanine verhalf sie während des II. Weltkriegs mehr als 68 alliierten Fliegern sich in Sicherheit zu bringen. Sie fälschte Ausweispapiere und Passierscheine,  gewährte Angehörigen der Résistance Unterschlupf und versteckte zwei jüdische Mädchen bei einer Bauernfamilie auf dem Land vor dem Zugriff der Deutschen. Die Unkosten für die Versorgung der Mädchen und das „Schweigegeld“ bezahlte sie aus eigener Tasche.

Soziales Engagement über den Krieg hinaus

Veteranenausweis von Louise Boitard Gille, einer franzoesische Widerstandskaempferin

Auch nach Kriegsende galt ihr Einsatz denjenigen, die am meisten ihre Hilfe benötigten. Nicht nur Tausende von Kriegswaisen in Not konnten auf ihre Hilfe zählen, sondern sie half ebenfalls die durch den Krieg zerstreuten Familien wieder zusammen zu führen. In Caen gründete sie vier Kindertagesstätten und engagierte sich neben ihren sozialen Aktivitäten auch politisch. Sie war die erste Frau, die einen Sitz im Generalrat des Départments Calvados inne hatte.

Eine unvergängliche und vielleicht weitaus wertvollere Auszeichnung als alle Orden und Ehrentitel war die Aufnahme ihrer Figur im amerikanischen Kriegsfilm „Der längste Tag“. Die in der Kinoproduktion mit Irina Demick besetzte Rolle verhalf dem französischen Fotomodell zum Durchbruch als Schauspielerin und Janine Boitard zu internationaler Anerkennung. 

Dorothy Mulholland – Dienst im Bombenhagel

Dorothy Mulholland war eine der bewunderungswürdigen Frauen, die den Dienst am Menschen und für das Vaterland über ihr persönliches Glück stellten. Und trotz ihrer Opferbereitschaft meinte das Schicksal es nicht gut mit der kanadischen Krankenschwester.

Molly, wie sie von Freunden gerne gerufen wurde, hatte sich gerade frisch verlobt, als sie mit 26 Jahren freiwillig der RCAF beitrat. Die Heirat wurde auf Wunsch von Molly erst einmal auf Eis gelegt, denn nur ledige Frauen durften in Europa ihren Dienst versehen. Und dahin wollte sie unbedingt, denn Robert McKillip, ihr Verlobter, befand sich dort bereits als Pilot Im Kriegseinsatz.

1942, Molly war gerade dabei nach England aufzubrechen, erreichte sie die Nachricht vom Abschuss ihres Verlobten über dem Mittelmeer. Sie sollte Robert nie wiedersehen. Über zwei Jahre versah Molly ihren Dienst in London mit der Pflege von Verletzten, die von der Front in die Heimat zurückgebracht wurden.

Eine der Ersten

Trotz oder vielleicht gerade wegen des persönlichen Schicksalsschlages, meldete sie sich 1944 zum Einsatz in der Normandie. Sie war eine der ersten Frauen, die keine zwei Wochen nach dem D-Day, die Landungsstrände betrat und mit der Sanitätseinheit die vorrückenden alliierten Truppen begleitete.

Dorothy Molly Mulholland rechts im Bild, eine der 4500 kanadischen Krankenschwestern mit zwei Kolleginnen in einem Feld voller Mohnblumen in der Normandie
Rechts im Bild Dorothy „Molly“ Mulholland

Auch wenn sie als Krankenschwester nicht an den Kampfeinsätzen beteiligt war, müssen die Erfahrungen, die sie in ihrem mobilen Feldlazarett direkt hinter der Fronlinie machte, erschütternd gewesen sein. Granaten und Bomben schlugen ununterbrochen neben dem in einem Zelt provisorisch eingerichteten Operationssaal ein. Aufgrund der ständigen Lebensgefahr und der starken psychischen und körperlichen Belastung (72 Stunden Schichten waren keine Seltenheit) war Molly’s Dienst direkt hinter der Front auf drei Monate begrenzt, doch die Ablösung kam nie. So folgten sie und ihre Einheit den Truppenbewegungen bis zur Ardennnen-Offensive.

Dorothy Mulholland mit zwei Kolleginnen vom kanadischen Schwesternkorps, die sich in einem Schuetzengraben ausruhen.
Dorothy Mulholland mit zwei Kolleginnen, die versuchen in einem Schützengraben ein wenig Schlaf zu finden.

Im November 1945 wurde Molly ehrenhaft aus der RCAF entlassen. Sie kehrte nach Kanada zurück, nahm aber ihren Beruf als Operationsschwester nicht wieder auf. Sie heiratete auch nie.
Zeitlebens litt sie an Angstattacken und Albträumen. Albträumen von Soldaten, deren Leben sie nicht retten konnte.

Sonya (Butt) d’Artois – von der Schulbank zur Spionin

Sie war 17 1/2 Jahre alt, jung, unerfahren und unerschrocken.
Später attestierten ihre Vorgesetzten der Engländerin, die am 14. November 1941,  kaum dass sie das notwendige Mindestalter erreicht hatte und in die Women’s Auxiliary Air Force (WAAF) aufgenommen wurde, Entschlossenheit, Erfindungsreichtum und Mut.

Sonya (Butt) d'Artois, eine englische Spionin waehrend des II. Weltkriegs

Nach zwei Jahren administrativen Routinetätigkeiten in der WAAF wechselte Sonya zur FANY, der First Aid Nursing Yeomanry, einer britischen, paramilitärischen Organisation, die Frauen in medizinischen und pflegerischen Diensten, bei Kommunikationseinheiten und im Transportwesen beschäftigte. Sonya hatte keine Ambitionen langfristig den regulären Aufgaben innerhalb der FANY nachzukommen. Diese sollten nur als Deckmantel für ihre Spionage-Tätigkeiten für die SOE, die Special Operation Executive, dienen.

Sonya’s Einsatzgebiet war die Normandie.
9 Tage vor dem D-Day sollte sie hinter den feindlichen Reihen abspringen, doch zuvor musste sie noch ein Fallschirmtraining im Schnelldurchlauf absolvieren. Bei ihrem allerersten Trainingssprung lernte sie ihren späteren Ehemann Guy kennen. Guy war ihr Instruktor und mit im Trainingsflugzeug. Unbedarft und ihrem Vorgesetzten zuwinkend, sprang sie aus dem Flugzeug. Da war es um Guy geschehen. Beide heiraten noch bevor Sonya die Reise über den Ärmelkanal antrat.

Sonya (Butt) d'Artois mit ihrem Mann Guy 1945

Auf gefährlicher Mission

Ihre Mission, wie die ihrer anderen 50 weiblichen Mitstreiterinnen, war sowohl streng geheim als auch lebensgefährlich. Von den 39 Frauen der SOE, die nach Frankreich entsandt wurden, kehrten 13 nicht mehr in ihr Heimatland zurück. Sie wurden von der Gestapo gefasst, enttarnt und hingerichtet. Auch Sonya wurde eines Tages verhaftet und mit vorgehaltener Pistole verhört. Doch ihr Auftreten, ihre ausgezeichnete Beherrschung der französischen Fremdsprache sowie ihre Geschichte hielten der Befragung stand. Sie wurde wieder frei gelassen.

Neben ihrer Spionage-Tätigkeit übernahm die erst 19-Jährige Kurierdienste, rekrutierte und bildete Résistance-Kämpfer an der Waffe aus oder leitete Sabotage-Aktionen. Wo immer Jemand gebraucht wurde, sprang Sonya ein. Nach erfolgreicher Mission kehrte Sonya im Oktober 1944 nach England zurück und wurde für ihren heldenhaften Einsatz als eine der jüngsten Frauen überhaupt zum Mitglied des Most Excellent Order of the British Empire ernannt.

Ihr Leben nach dem Krieg war nicht weniger abwechslungsreich und herausfordernd. Sonya und Guy zogen nach Montreal, und die ehemalige Geheimagentin wurde stolze Mutter von sechs Kindern. Sie nahm ihr Hausfrauendasein mit Humor. Früher präparierte sie explosive Stoffe, nun eben Babynahrung.

2014 starb mit Sonya Butt d’Artois die letzte überlebende britische Spionin des II. Weltkriegs.

Es gäbe noch so viele Schicksale zu erzählen

Beim Schreiben dieses Beitrags wächst bei mir von Zeile zu Zeile die Faszination für die selbstlose Aufopferung und die Courage dieser Frauen. Jede hat auf ihre eigene Weise den II. Weltkrieg erlebt und ihr Schicksal angenommen oder aktiv gestaltet. Und jeder dieser Frauen verdanken wir die Freiheit, in der wir heute in unserer demokratischen Gesellschaft leben können.

Krankenschwestern des No. 10 Canadian General Hospital, R.C.A.M.C. 23 July. 1944
Nursing sisters of No. 10 Canadian General Hospital, R.C.A.M.C. 23 July. 1944.

Deshalb habe ich mir fest vorgenommen, diesem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen.
Es gibt noch so viele weitere bemerkenswerte Heldinnen , deren Geschichte erzählt werden muss. So hätten auch die beiden kanadischen Krankenschwestern Mary Pauline Montgomery und Mary Adelaide Cooney eine Erwähnung in einem Blogpost verdient, ganz zu schweigen von Jaye Edwards, der unerschrockenen britischen Pilotin oder der US-amerikanischen Kriegsberichterstatterin, Lee Miller .

Der Plan steht für einen neuen Menüpunkt bei in Reiselaune. Jetzt ist es nur noch eine Frage der Zeit.


Gut zu wissen

Adresse

Centre Juno Beach
Voie des Français Libres
F-14470 Courseulles -sur-Mer

Die Sonderausstellung im Juno Beach Centre ist bis zum 31.12.2020 zu sehen.

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