Höhenburg Loarre – Ein Königreich der Himmel
Baustrategische Schachzüge im 11. Jahrhundert
Angestrengt halte ich weiter Ausschau, um nur ja nicht den kurzen und vergänglichen Moment des ersten Anblicks zu verpassen. Als sich die Umrisse der Festung Loarre endlich aus der sie umgebenden bergigen Landschaft schälen, weiß ich, dass sich der magenstrapazierende Weg auf der kurvenreichen A132 entlang des Flusslaufs des Río Gállego gelohnt hat.
Zurecht trägt das auf 1070 Meter thronende aragonische Bollwerk den Namen Höhenburg. Vom grauen Felsmassiv der Sierra de Guara in einer vulkanartigen Eruption ausgespuckt, ist das Castillo de Loarre mit den zerklüfteten Felsausläufern untrennbar verwachsen. Der Feind biss sich an diesem steinigen Konglomerat alle Zähne aus. Mit den Kalksteinfelsen als Fundament konnte die Festung weder untergraben noch erobert werden. Andererseits erlaubte die natürliche, geographische Tarnung dem Burgherren überraschende Ausfälle in die Ebene zu unternehmen. Hier war wirklich ein cleverer Bauingenieur am Werk!
Ungeduldig lege ich den letzten Streckenabschnitt zurück. Trockene Felder, knochige, ausgezehrte Obstbäume und ein Schäfer mit treuem Hirtenhund an seiner Seite, ziehen an meinem Autofenster vorbei. Eine Schikane nach der anderen schraubt sich die schmale Landstraße auf das Bergplateau bis zum schattigen Besucherparkplatz hinauf . Nach der Ankunft heißt es in der frischen Nachmittagsluft erst einmal tief durchatmen. Die letzte Serpentine wäre beinahe eine zu viel gewesen.
Pünktlich nach Beendigung der Siesta taucht der Herr der Schlüssel auf. Er scheint nicht überrascht zu sein, mich allein auf weiter Flur anzutreffen. Die Einsamkeit gehört hier abseits der touristischen Hauptsaison wohl zum Tagesgeschäft. Erst als sein Spracherkennungssinn erfasst, dass ich keine spanische Touristin bin, hebt er verwundert eine Augenbraue. Respektvoll drückt er mir ein deutschsprachiges Faltblatt in die Hand und schließt das östliche Zugangstor auf.
Hollywood hält Hof
Ich betrete eine andere Welt, eine andere Zeit.
Es ist das Jahr 1020. Sancho III. „El Mayor“, König von Navarra und Aragón, gibt den Bau der Burg von Loarre in Auftrag. Sie soll ihm als Teil der Verteidigungslinie gegen die in nächster Nähe gelegenen maurischen Bastionen dienen. Nach seinem Ableben geht der Besitz an seinen Sohn Ramiro I. über. Unter dessen Herrschaft nimmt der Verteidigungscharakter der Anlage weiter Gestalt an, denn noch immer ist die muselmanische Bedrohung nicht gebannt.
Als Ramiro I. stirbt, erbt sein Sohn nicht nur den Königstitel, sondern auch die Besitztümer von Loarre. Er ist es, der mit dem Bau des Augustinerklosters und der Kirche San Pedro der Festungsanlage ihr heutiges Aussehen verleiht und der bisher fast ausschließlich militärischen Komponente eine religiöse hinzufügt. Nach seinem Tod 1094 verliert die Klosterburg alsbald an Bedeutung. Die arabische Vorherrschaft in Aragón ist ein für alle Mal gebannt und die Ordensgemeinschaft zieht weiter in die Provinz Toledo.
Danach teilt Loarre das Schicksal vieler Trutzburgen. Sie wechselt aus monetären Gründen mehrmals den Eigentümer, gerät zwischen die Fronten von Besitzansprüchen, wird geplündert, besetzt und verwüstet. Um einem weiterem Niedergang entgegenzuwirken, wird sie Lehnherren und Adligen aus der Provinz zur Verwaltung übertragen. Ein mehr oder weniger hoffnungsloses Unterfangen, da keiner der „Schutzbefohlenen“ ein überzeugendes Interesse an der Erhaltung des Kastells zeigt. Kurzum, die Klosterburg fällt in einen Dornröschenschlaf bis sie 1906 zum „Monumento Histórico Nacional“ erklärt wird.
Da das Castillo von Loarre nie eingenommen, zerstört oder geschleift wurde, können sich die Instandsetzungsarbeiten überwiegend auf die Innenanlagen beschränken. Bald erstrahlt es in neuem Glanz und wird zur weltweit am besten erhaltenen romanischen Festung. Als solche rückt die Höhenburg nicht nur in den Fokus des touristischen, sondern auch des cineastischen Interesses. Millionen von Kinogängern können sie 2005 in der Ridley Scott Verfilmung „Königreich der Himmel“ bewundern.
Ein Turm im Abseits und ein klarer Auftrag an die Nachwelt
Zurück in der Gegenwart zieht, linkerhand des steilen Wegs zu den Hauptgebäuden, ein Frühwarnturm meinen Blick auf sich. Allein auf weiter Flur zwischen der von zehn markanten Wehrtürmen durchbrochenen Festungsmauer und dem eigentlichen Burgkomplex steht er auf verlorenem Posten. Für mein Dafürhalten wirkt auch gar nicht wie ein Späh- sondern vielmehr wie ein Wohnturm. Dafür sprechen mehrere bauliche Stilelemente. Auf der Südseite des Turms existieren noch Überreste eines vorgelagerten Anbaus und, anstelle einer Zinnen bewehrten Brüstung, schmückt er sich mit einer eigentümlichen Kuppel. Auch die bildhübschen Zwillingsbogenfenster haben wenig mit Schießscharten gemein. Vielmehr schwören sie das Bild eines Burgfräuleins herauf, das von hier aus Ausschau nach ihrem Traumprinzen hielt.
Unabhängig davon, welche Aufgabe dem Torre Albarrana in der Vergangenheit tatsächlich zugedacht war, eine Eigenschaft ist ihm nicht abzusprechen. Er ist standhaft geblieben, wenn auch einsam. Ein barrani eben, ein Fremder.
Alsbald stehe ich vor dem eigentlichen und einzigen Zugang zur inneren Festungsanlage, einer massiven zweiflügeligen Holztür, umrahmt von einem romanischen Bogen. Auf dem rechten Türpfosten hat der Baumeister Tuglas seine Botschaft an die Nachwelt festgehalten:
Im Namen des Herrn.
Hier ruht der Diener Gottes,
Tuglas, der am 30. November
des Jahres 1134 verstarb:
Derjenige, der
diese Inschrift liest,
möge zum Herrn beten,
damit dieser ihm das ewige Leben schenke.
Keine Burg ohne Legende
Auf halber Höhe der zum Burghof führenden Zugangstreppe öffnet sich auf der rechten Seite eine Krypta, in der ursprünglich die Reliquien des Heiligen Demetrius aufbewahrt wurden, bevor sie zu Beginn des 15. Jahrhunderts in der Pfarrkirche im Ort Loarre eine neue Heimat fanden. Doch was verbindet den aus Griechenland stammenden Märtyrer mit diesem abgeschiedenen Landstrich?
Zwei ambivalente Legenden haben sich hierzu bis heute erhalten. Unterhaltsam sind sie beide, deshalb sei es jedem selbst überlassen, welcher Erzählung er mehr Glauben schenken mag.
Ein Rosmarinstrauch wird zum Verhängnis
Der Heilige Demetrius war mit einem blinden Maultier auf dem Weg durch die Sierra de Loarre, als dieses plötzlich über einen Rosmarinstrauch stolperte und samt Heiligem so unglücklich stürzte, dass beide dabei zu Tode kamen. Bevor Demetrius verstarb, verfluchte er die Berge von Loarre und prophezeite, dass hier nie mehr auch nur ein Rosmarinstrauch wachsen werde. Und so geschah es. In den angrenzenden Ortschaften und Hügeln gedeiht Rosmarin ohne weiteres, aber in den Bergen um Loarre sucht man heute noch vergeblich danach.
Der viel bemühte Esel
Nicht minder erfindungsreich geistert nachfolgende Variante durch die lokale Geschichtsschreibung.
Zwei französische Kleriker kamen zusammen mit ihrem Maultier, welches den Reliquienschrein des heiligen Demetrius trug, auf ihrem Weg durch die Pyrenäen nach Jaca. Kaum hatten sie die Stadt betreten, fingen auf mysteriöse Art und Weise plötzlich alle Kirchenglocken an zu läuten. Beide Mönche mussten sich und ihren kostbaren Schatz zu erkennen geben, was den Neid der Einwohner Jacas hervorrief. Diese wollten die Reliquien für sich behalten. Nach langem Hin und Her einigte man sich darauf, die Entscheidung in die Hand Gottes zu legen.
Es wurde vereinbart, dem Maultier die Augen zu verbinden und es mit den Reliquien alleine auf die Reise zu schicken. Wo immer der Muli als erste anhalten würde, dort sollten die Reliquien ihre endgültige Heimat finden. Natürlich hofften die listigen Jacatener, dass sich der Esel, verunsichert durch die Augenbinde, nicht weit von der Stelle bewegen würde. Doch weit gefehlt. Das Maultier durchquerte forschen Schrittes die Sierra de la Peña und das Tal von Rasal bis es in der kräftezehrenden Sierra de Loarre auf Höhe der Burg tot zusammenbrach. Getreu der getroffenen Abmachung übergaben die beiden französischen Geistlichen den Reliquienschrein der Burgkirche San Pedro zur Aufbewahrung. Die Jacatener schauten in die Röhre, während die dankbaren Bewohner des kleinen Ortes Loarre an der Stelle, an der der Muli seinen letzten Atemzug aushauchte, eine Kirche errichteten.
Achtung Augenkontakt!
Am Eingang zur Krypta begrüßt mich ein kleiner, in Stein gemeißelter Hund. Mit erhobener Pfote, ein wenig tapsig, war er kaum dafür geeignet, die Reliquien des Heiligen Demetrius zu beschützen. Vielleicht vertrieb sich der wachhabende Soldat, dessen Rückzugsort sich auf der gegenüberliegenden Seite der Zugangstreppe befand, mit ihm die eintönigen Stunden?
Nur wenige Schritte weiter auf der rechten Seite gibt es ein weiteres bildhauerisches Kleinod zu entdecken. Zwei Basilisken haben das dritte Kapitell der Bogenfenster für sich beansprucht. Leider kann ich auf den ersten Blick nicht beurteilen, ob sie sich liebevoll zugetan sind und das Ei in ihrer Mitte, das ihren Fortbestand sichert, sorgsam beschützen oder rivalisierend darum kämpfen. Einen zweiten Blick wage ich nicht, denn es heißt, wer einem Basilisk zu tief in die Augen schaut, der läuft Gefahr, dem Fabelwesen versteinert bis in alle Ewigkeit Gesellschaft leisten zu müssen.
Zurück über die offizielle Zugangstreppe führt mich der Weg hinauf zur Hauptkirche. Der Geheimgang, der die Krypta direkt mit der Oberkirche verbindet, ist für die Öffentlichkeit leider gesperrt. Er ist so schmal, dass die Verantwortlichen offenbar das Risiko scheuen, dass der ein oder andere nicht vollschlanke Zeitgenosse steckenbleiben und erst nach einer notgezwungenen Hungerkur wieder befreit werden kann.
Ein beeindruckender Rundgang
Die dem Heiligen Petrus (San Pedro) geweihte Oberkirche fällt in die zweite, von König Sancho Ramirez initiierte Bauphase. Das Gotteshaus ist ein besonders sehenswertes Exemplar romanischer Baukunst. Dazu tragen die monumentalen Ausmaße des Langhauses, die 26 Meter hohe Rundkuppelkonstruktion und die über vierzig Kapitelle mit ihren zum Teil herrlich phantasmagorisch-biblischen Darstellungen bei. Nicht zu vergessen die formvollendet gestaltete „doppelstöckige“ Apsis, eine bauhandwerkliche Meisterleistung für die damalige Zeit.
Beim Verlassen der Kirche steuere ich zunächst den alles überragenden Bergfried, den Torre del Homenaje, an. Dieser Hauptturm erstreckt sich über fünf Stockwerke und weist mit zwei Metern Mauerdicke einen klaren Verteidigungscharakter auf. Im Falle einer kriegerischen Auseinandersetzung, die Loarre aber nie gesehen hat, konnte der Turm mittels einer hölzernen Zugbrücke komplett vom Rest der Anlage isoliert werden. Da neben den Wohn- und Schlafräumen der königlichen Familie auch die Küchen- und Lagerräume im Bergfried untergebracht waren, hätten die Bewohner problemlos einer längeren Belagerung standhalten können.
Am Bergfried entlang schlendernd, nähere ich mich den Überresten der Soldatenunterkünfte und späteren Schlafsäle der Mönche. In den Ruinen des langgestreckten, wahrscheinlich zweigeschossigen Saales mit dem fehlenden Gewölbe kann ich das frühmittelalterliche Leben am Deutlichsten spüren: zuerst das Klirren der Waffen der Garde des Königs, die Befehlsrufe und Hufgetrappel. Später übergehend in die schlurfenden Schritte der Mönche in ihren Ledersandalen, das leicht scheuernde Rascheln, wenn der Saum ihrer schweren, kratzenden Kutten über den Steinboden streifte, bis zum unisono Sprechgesang ihrer Stundengebete. Noch eingelullt vom imaginären, stimmreichen Gemurmel der Klosterbrüder begebe ich mich zum Burghof zurück.
Zurück auf Anfang
Ich spüre, dass ich den Überblick verloren habe. Mehrmals kreuze ich denselben Weg, dieselben Treppenstufen, dasselbe lombardisch-romanische Portal, bis ich schließlich im obersten Stockwerk angelangt bin mit dem unbehaglichen Gefühl, nicht alles gesehen zu haben. Vielleicht sollte ich nun doch die kleine Broschüre zu Rate ziehen, die ich zusammen mit der 2 € Eintrittskarte erhalten habe. Auch wenn ich nicht gut im Kartenlesen bin, vor allem, wenn die Karte mehr als eine Dimension aufweist, erkenne ich doch auf Anhieb, dass der vorgeschlagene Rundgang genau hier oben auf der dritten Ebene beginnt und dann absteigend durch die einzelnen Stockwerke alle zugänglichen Räumlichkeiten einschließt. Na, dann kann es ja noch mal von vorne losgehen, diesmal in umgekehrter Reihenfolge.
Ein Ausblick ins Paradies
Artig dem Plan folgend, starte ich meine zweite Besichtigungsrunde in der südwestlichen Ecke der obersten Ebene.
An dieser Stelle bilden die Festung und der senkrecht abfallende Kalksteinfelsen eine untrennbare Einheit. Hier verschmelzen Natur und von menschlicher Hand Geschaffenes zu einem einzigen Bollwerk. Vom „Balkon der Königin“, einem großen Bogenfenster, genieße ich völlig ungestört einen fantastischen Ausblick über das fruchtbare Tal „Hoya de Huesca“ in die Unendlichkeit Aragóns. Und schon gerate ich wieder ins Philosophieren. Was mögen die ehemaligen Monarchen und Besitzer von hier aus gesehen haben? Die ständig lauernde Gefahr der arabischen Eroberer? Treue Untertanen, die ihre Felder und fruchtbaren Ebenen bestellten? Oder auch einfach nur die friedvolle Landschaft mit ihrem farblichen Nuancenreichtum?
Doch zurück zum Aussichtsfenster der Königin. Es gehörte in den Zeiten von Sancho Ramírez zu einem riesigen, sich über die komplette Westseite des Komplexes erstreckenden Raumes. Aufgrund seiner immensen Ausmaße handelte es sich um den Kapitelsaal oder das Refektorium der Mönche. Durch die darunter liegenden Stallungen profitierten sie von einem natürlichen Wärmespeicher. Wer hätte gedacht, dass man schon im Mittelalter auf ökologisch nachhaltige Energiequellensetzte?
An den Aussichtsplatz schließt sich die für die Königin bestimmte Kapelle an. Klein aber fein ist das Gebetshaus, das zeitweilig als Kirche für alle Bewohner der Burganlage dienen musste. Angesichts des schmalen Grundrisses der Kapelle war dann wohl Gottesdienst im Schichtbetrieb angesagt. Ebenfalls der Königin gewidmet ist die „Torre de la Reina“. Der dreistöckige Turm zieht seine Ästhetik aus den schlanken und leicht asymmetrischen Zwillingsfenster im obersten Geschoss. Je weiter ich mich im Turm nach unten bewege, desto weniger werden die Maueröffnungen dem Namen „Fenster“ gerecht. Bald sind es nur noch schmale Schlitze. Also galt auch für die Königin: Sicherheit vor Schönheit.
Condé Julían und das Schicksal Spaniens
Dann lotst mich der papierne Führer hinab zur zweiten Ebene, die ich nun aus einer völlig anderen Perspektive kennenlerne. In einer Nische gegenüber dem Eingang zur San Pedro Kirche stoße ich auf die Überreste eines Grabes. Es wird dem Grafen Julían zugeschrieben, der Gegenstand einer sehr umstrittenen und inzwischen als unzutreffend erwiesenen Geschichtsschreibung war. Und da Geschichte immer auch als Inspiration für Geschichten dient, fand der Graf mal als Held, mal als Verräter Eingang in die Novellen namhafter Schriftsteller wie Washington Irving, Sir Walter Scott oder Juan Goytisolo.
Besagter Conde Julían schrieb die Geschichte der Eroberung Spaniens durch die Araber insofern neu, indem er aus rein persönlichen Rachegelüsten sein Heimatland verraten und somit den Muslimen die Tür nach Spanien geöffnet haben soll. Dies geschah im Jahre 711. Die Westgoten unter König Rodrigo (Roderich) herrschten über die iberische Halbinsel. Graf Julían, ein Gefolgsmann Rodrigos und Statthalter der spanischen Enklave Ceuta, schickte seine Tochter an den Königshof nach Toledo, um ihr dort die beste Bildung und Erziehung zukommen zu lassen. Eine verhängnisvolle Entscheidung, denn der König beobachtete die verführerische Schönheit bei einem Bad im Fluss Tajo. Da die junge Frau nicht bereit war, sich dem König freiwillig hinzugeben, vergewaltigte dieser sie.
Rächer oder Verräter?
Aus Zorn und von Rachsucht innerlich vergiftet, ermöglichte Julían dem Berber und Gouverneur von Tanger, Tarik ibn-Ziyad, von Ceuta aus mit 7000 Mann über die Straße von Gibraltar ins das Westgotenreich einzufallen. In einer mehr als einwöchigen Schlacht schlug Tariq das westgotische Heer vernichtend. Mit dem Tod König Rodrigos auf dem Schlachtfeld brach das komplette Westgotische Reich zusammen. Dadurch war der Weg für das arabische Vordringen bis zu den Pyrenäen geebnet.
Der weitere Lebensweg des spanischen Hochverräters bleibt mysteriös. Einigen Quellen zufolge, hat er seinen Lebensabend, nachdem er von den Arabern wie vereinbart mit Ländereien beschenkt worden war, in Einsamkeit und von Schuldgefühlen geplagt auf der Burg Loarre verbracht. Andere besagen, dass er unmittelbar nach seiner ruchlosen Tat von den Muslimen selbst auf der Burg in Ketten gelegt wurde und hier verstarb.
Ein letztes Zeugnis über den Verbleib der sterblichen Überreste des Conde Julían vermochte der aragonische Historiker Ramón de Huesca abzugeben. Er behauptete, die Grabstätte mit eigenen Augen an besagter Stelle vorgefunden zu haben. Allerdings wurde sie samt Inhalt im Jahre 1796 von durchziehenden Vagabunden geplündert. Damit blieb der Grabinhalt, nämlich ein Skelett, ein Schwert und ein Pergament bis heute unbestätigt und unauffindbar.
Standhafte Riesen
Wie schnell die Zeit doch vorangeschritten ist. Bereits mehr als zwei Stunden habe ich in aller Seelenruhe zwischen den alten Gemäuern vertrödelt, mich im Labyrinth der verschiedenen Stockwerke, Treppen und Gänge verloren und wiedergefunden. Es wird Zeit, mich auf den Rückweg zu machen.
Er beschert mir eine zauberhafte Sicht auf das Panorama der Mallos Riglos, die im Abendlicht feuerrot erstrahlen. Diese gigantischen, bis zu 300 Meter hohen geologischen Formationen bildeten sich bereits im Miozän, also vor 5 bis 23 Millionen Jahren. Der Río Gallégo, einer der größten Nebenflüsse des Ebro, lagerte auf seinem Weg von den Pyrenäen zur zentralen Ebrosenke kiesel- und lehmhaltiges Geröll ab, welches anschließend durch feinsten Kies und Sand zementiert wurde. Durch weiteres Erodieren und Auffalten nahmen die Mallos Riglos ihre heutige Gestalt an.
Die titanenhaften Schuttkegel geben heutzutage der größten Gänse- und Bartgeierkolonie Europas eine Heimat. Hoffentlich gewinnen sie auf lange Zeit den Wettstreit gegen die immer zahlreicher einfallenden Freikletterer.
Gut zu wissen
Adresse
Castillo de Loarre
22809 Loarre
Provinz Huesca
Spanien
Besichtigung
Die Burg kann individuell besichtigt werden.
Ein Audioguide auf Deutsch steht gegen eine kleine Gebühr zur Verfügung.
Die Eintrittskarte für die Burg gilt gleichzeitig für die Kirche San Esteban im Dorf Loarre.
P.S.: Beim aktuellen Stöbern auf der Website des Castillo habe ich einen neuen Faltplan zum Herunterladen entdeckt. Darauf startet der Rundgang erwartungsgemäß im Erdgeschoss und arbeitet sich nach oben durch. Wahrscheinlich hätte ich mich damit bei meinem Besuch auf Anhieb zurecht gefunden ;-).