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Rembrandthaus in Amsterdam


2019! Die Niederlande feiern den 350. Todestag einer ihrer berühmtesten Persönlichkeiten: Rembrandt Harmenszoon van Rijn, kurz Rembrandt genannt.
Nicht nur in Amsterdam, sondern auch in anderen Städten seines Wirkens oder seiner Werke, ist der Terminkalender prall gefüllt mit Ausstellungen, Workshops, Rundgängen und Events. Für mich ein Grund mehr dem Rembrandthaus bzw. dem Museum Het Rembrandthuis mal wieder einen Besuch abzustatten.

Hereinspaziert in Rembrandts Reich

Wer zu Beginn des 20. Jahrhunderts am Haus in der Jodenbreetstraat 4 vorbeiging, nahm allenfalls einen heruntergekommenen Backsteinbau wahr. Kaum jemand hätte vermutet, dass der berühmteste niederländische Künstler des 17. Jahrhunderts fast 20 Jahre seines Lebens hinter der baufälligen Fassade verbracht hatte.

Von 1639 bis 1658 lebte, liebte, lehrte und arbeitete Rembrandt in dem großen Haus an der Sint Antoniesbreestraat. Als immer mehr Nichtkatholiken, darunter ein Großteil der vermögenden jüdischen Oberschicht vor der Inquisition aus Spanien und Portugal flohen und sich in Rembrandts exklusiver Nachbarschaft niederließen, wurde aus der Sint Antoniesbreestraat die Jodenbreestraat.

1658 musste Rembrandt Konkurs anmelden. Das Haus, das sich für Rembrandt als ruinöses Prestigeobjekt erwiesen hatte, wurde in zwei Wohneinheiten aufgeteilt und versteigert. Zahlreiche Besitzer kam und gingen. Jedoch setzte sich keiner von ihnen für den Erhalt des kunsthistorischen Gebäudes ein. Erst im Jahre 1906 fühlte sich die Stadt Amsterdam zum Handeln verpflichtet. Der 300. Geburtstag Rembrandts, als auch derjenige des Kanalhauses, standen vor der Tür. Die Stadt kaufte das bis dato in Privatbesitz befindliche Gebäude und leitete umfassende Instandsetzungsmaßnahmen in die Wege. Zudem wurde eine Stiftung gegründet, die sich um die Einrichtung eines Museums für Rembrandts Radierungen kümmern sollte. 1911 waren die Arbeiten abgeschlossen. Das Kaufmannhaus erstrahlte in neuem Glanz. Allerdings im gewöhnungsbedürftigen Glanze eines zeitgenössischen Hauses um die damalige Jahrhundertwende.

Ein ambitioniertes Projekt

Glücklicherweise entschlossen sich die Kuratoren in den 90er Jahren für den Erwerb des Nachbargrundstücks um das Museum zu erweitern. Gleichzeitig sollte das Kanalhaus nicht nur sein Aussehen aus dem 17. Jahrhundert zurück erhalten, sondern auch mit einem lebendigen Interior ausgestattet werden. Man wollte kein klassisches Museum, sondern eine authentische, Geschichten erzählende Rekonstruktion.

Frontansicht Museum Het Rembrandthuis in Amsterdam
Frontansicht Museum Het Rembrandthuis in Amsterdam;
© Museum Het Rembrandthuis

Seit 1999 geht nun niemand mehr achtlos an der Hausnummer 4 vorbei. Ein prachtvoller Backsteinbau mit einer auffallend grün gestrichenen Eingangstüre und rot- und grünlackierten Fensterläden springt mir sofort ins Auge. Beeindruckendes hat sich auch hinter den zeitgemäß wiedereingesetzten Butzen- bzw. Bleiglasfenstern getan.

Alle Räumlichkeiten einschließlich des Mobiliars und anderer Einrichtungsgegenstände wurden so getreu wie möglich in den Zustand zu Rembrandts Lebzeiten zurückversetzt.
Dies ermöglichte der Fund der Inventarliste aus dem Jahre 1658. Als Rembrandt sich von seinem Haus trennen musste, fertigte der Insolvenzverwalter ein detailliertes Verzeichnis aller Möbelstücke, Bilder, Haushaltsgegenstände oder Arbeitsgeräte an. Selbst die unzähligen bizarren Objekte aus Rembrandts „spezieller“ Sammlung fanden Eingang in die Aufstellung. Zusammen mit Skizzen und Zeichnungen des Meisters selbst, auf denen die verschiedenen Räume oder auch Einrichtungsgegenstände abgebildet waren, besaßen die Kuratoren und Restauratoren eine exakte Vorlage für die gelungene Restaurierung.

Ein Wiedersehen nach 10 Jahren

Vor exakt zehn Jahren stand ich schon einmal vor Rembrandts Haus. Ich muss gestehen, dass ich, abgesehen von einem dunklen Raum mit unzähligen Radierungen, nur ein vages Gefühl der Enttäuschung an meinen Besuch zurückbehalten habe. Wahrscheinlich war ich vor einem Jahrzehnt mit einer falschen Erwartungshaltung hingegangen. Ich hatte gehofft, mehr von Rembrantds großen Werken zu sehen, und musste mich mit kleinen Schwarz-Weiß-Radierungen „zufrieden“ geben. 

Das wird mir bei meinem heutigen Besuch nicht passieren. Ich freue mich schon auf eine erneute Zeitreise durch Rembrandts Leben und habe alle Zeit der Welt im Gepäck, um mit Muse für die feinen Details auch Rembrandts Radierungen schätzen zu lernen.

Ein Leben wie eine Achterbahnfahrt

Bevor es losgeht, gibt es von mir allerdings noch einen kurzweiligen Rundgang durch des Malers Leben.

Rembrandt war einer, wenn nicht der produktivste Künstler seines Zeitalters. 300 Gemälde, 290 Radierungen und über 1000 Zeichnungen werden ihm nachweislich zugeeignet. Ein immenses Schaffenspensum für einen Menschen, der nicht nur Maler, sondern auch Geschäftsmann, Sammler, Lehrmeister und Familienvater war.

1606 in Leiden geboren, verbrachte der Müllerssohn seine Kindheit und Jugend in der Hochburg der Wissenschaft und des Tuchhandels. Ein angefangenes Philosophiestudium brach er mit 14 Jahren ab, um sich als Maler ausbilden zu lassen. Er verfügte über Talent und Arbeitseifer, sodass er schon fünf  Jahre später sein eigenes Studio eröffnete. Auch wenn Leiden eine angesehene Universitätsstadt war, wer nach Ansehen und Erfolg strebte, den zog es nach Amsterdam.

Goldene Jahre in Amsterdam

Rembrandt van Rijn (1606 - 1669 ), Selbstportrait mit Saskia, 1636, Radierung, Rosenwald Collection
Rembrandt van Rijn, Selbstportrait mit Saskia, 1636, Rosenwald Collection, Courtesy National Gallery of Art, Washington

Also kehrte Rembrandt 1631 Leiden den Rücken, um in Amsterdam zu einem der berühmtesten Maler des Goldenen Zeitalters aufzusteigen. Er heiratete die vermögende Bürgermeistertochter Saskia von Uylenburgh, die gleichzeitig seine größte Muse wurde. Als erfolgreicher und viel gebuchter Porträtmaler gehörte Rembrandt bald zur High Society der Amsterdamer Gesellschaft. Je nach Größe und Aufwand verdiente er zwischen 200 und 1000 Gulden an einem Bildnis. Ein beträchtlicher Batzen Geld, wenn man bedenkt, dass ein Handwerker in der damaligen Zeit mit einem Jahresgehalt von 300 Gulden auskommen musste.

Selbstverständlich musste sich der Wohlstand auch in der Außendarstellung widerspiegeln. Deshalb kaufte Rembrandt im Jahre 1639 das große Kaufmannhaus im elegantesten Viertel der schnell wachsenden Stadt. Um den stolzen Preis von 13.000 Gulden begleichen zu können, nahm der Maler eine Hypothek auf, die er in Raten zurück zahlen musste. Trotz guter Auftragslage, dem Nebenerwerb als Lehrer und zusätzlicher Einnahmen aus dem Verkauf von Bildern aus seiner umfangreichen Kunstsammlung, stellten sich bald die ersten Zahlungsschwierigkeiten ein.

Das Jahr 1641 war ein Freudenjahr für Rembrandt. Nach drei Töchtern, die schon nach wenigen Monaten starben, schenkte ihm seine Frau den lange ersehnten Sohn. Titus ließ für kurze Zeit die finanziellen Sorgen in den Hintergrund treten zumal Rembrandts bekanntestes Gemälde, die Nachtwache, kurz vor der Vollendung stand.

Rembrandt Harmensz. van Rijn, Militia Company of District II under the Command of Captain Frans Banninck Cocq, Known as the ‘Night Watch’, 1642. Rijksmuseum, Amsterdam. On loan from the City of Amsterdam
Rembrandt van Rijn, Die Kompanie des Distrikts II von Kapitän Frans Banning Cocq und Leutnant Willem van Ruytenburgh, bekannt als „Die Nachtwache“, 1642. Rijksmuseum, Amsterdam.

Ein Lebensabend in Armut

Doch schon neun Monate später zogen wieder dunkle Wolken über dem Haus in der Sint Antoniesbreestraat auf. Saskia erkrankte schwer und verstarb kurze Zeit später. Nur acht gemeinsame Jahre waren ihnen vergönnt gewesen. Mit dem Tod seiner geliebten Frau erlosch auch Rembrandts ungebändigter Schaffensdrang.  Er musste weitere Kredite aufnehmen, um die laufenden Kosten und sein ausgeprägtes Jäger- und Sammler-Gen zu finanzieren. Das Kabinettzimmer spricht Bände davon. Außerdem investierte der Maler zunehmend Zeit in Radierungen, Selbstporträts und Zeichnungen, die er nie vorhatte zu veräußern.

Rembrandt, Lichtstudie mit Hendrickje Stoffels als Modell, ca. 1659, Öl auf Leinwand
Rembrandt van Rijn; Hendrickje Stoffels; ca. 1659, Städel Museum, Frankfurt am Main.

Summa summarum, der Künstler hatte sich mit dem Erwerb des heutigen Rembrandthuis schlichtweg finanziell übernommen. Mit 52 Jahren war Rembrandt pleite. Sein Haus mitsamt Inventar wurden 1658 versteigert. Zusammen mit Sohn Titus und Hendrickje Stoffels, die nach dem Tod Saskias als Haushälterin in den Rembrandtschen Haushalt kam, zog er in ein winziges Mietshaus in der Rozengracht im Stadtteil Jordaan.
Hendrijcke wurde die zweite Saskia in Rembrandts Leben. Sie gebar ihm eine Tochter, stand ihm Model und griff ihm finanziell unter die Arme. Noch einmal flammte sein Elan der früheren Tage auf und brachte ein beachtenswertes Spätwerk hervor.

Doch der schöpferischen Renaissance folgten erneut menschliche Tiefschläge. Sowohl Hendrickje als auch wenige Jahre später sein Sohn Titus wurden von der Pest dahingerafft.
Rembrandt selbst verstarb 1669 völlig verarmt.

Ein Blick hinter fremde Türen

Vorsicht Türsturz! Beinahe hätte ich mir den Kopf angeschlagen. Was ist diese Türe auch niedrig und das Waschbecken erst. Ganz zu schweigen vom winzigen Alkovenbett. Da müsste man heutzutage ja mit angezogenen Knien schlafen oder im Sitzen. Und in der Tat, bis vor ein paar Jahrhunderten legte man sich zum Schlafen nicht hin, aus Angst, das Blut würde einem dermaßen zu Kopf schießen, dass man daran sterben könnte.

Ansonsten ist die Küche im Untergeschoss riesig. Ein Traum für jede Frau.
Zu Rembrandts Zeiten  bildete sie das Herz der kleinen Familie. Hier traf man sich zum Essen, Reden und gemütlichen Beisammensitzen. Ich kann mir gut vorstellen, wie das Feuer im Kamin prasselte, das Dienstmädchen, das immer Gewehr bei Fuß stand und deshalb auch in dem Schrankbett schlief, mit den Töpfen auf dem Herd hantierte. Gelächter hallte durch den Raum und der Pumpenschwengel quietschte. Kein Wunder war die Stimmung so gut: Da das Wasser aus der Pumpe keine Trinkwasserqualität hatte, trank man eben Bier :-)).

Küche mit Kamin im Museum Rembrandthaus in Amsterdam
Museum Het Rembrandthuis, Rembrandts Küche; Foto:©Kirsten van Santen

Business, Bilder, Bluff

Rembrandt war nicht nur ein begnadeter Maler, sondern auch ein umtriebiger Kunsthändler. Für seine potentiellen Kunden richtete er deshalb speziell die Eingangshalle und den sich daran anschließenden Empfangs-bzw. Ausstellungsraum ein. Die beiden Showrooms hingen bis unter die Decke voller Kunstwerke, die zum Verkauf standen. Dabei stammten die wenigsten von Rembrandt selbst, sondern hauptsächlich von Malerkollegen seiner Epoche.

In einer Ecke direkt neben der Eingangstüre, befindet sich auf einem Podestplatz am Fenster ein bequemer Ledersessel. Saß hier Rembrandt und hielt Ausschau nach dem nächsten Käufer? Wie eine Spinne, die geduldig auf ihr nächstes Opfer wartete?

Auch wenn Rembrandt immer um einen schnellen Geschäftsabschluss bemüht war, zogen sich manche Verhandlungen doch etwas länger hin. Auch für diesen Fall war vorgesorgt. Im Verhandlungszimmer stand dem Gast ein eigenes Schrankbett zur Verfügung. Apropos Schrankbett, ich habe zweimal hinschauen müssen, um festzustellen, dass die schwarzen Intarsien nicht aus Ebenholz, sondern nur aufgemalt sind. Auch bei Kaminumbau und Türrahmen wurde geschummelt. Von wegen Marmor, alles nur Fake!

Noch einen Fensterguckplatz gibt es gegenüber der grünen Eingangstüre. Von einem kleinen Büro aus, das der Buchhaltung und der Erledigung offizieller Korrespondenz diente, geht ein Fenster direkt auf die Eingangshalle. Ich male mir aus, wie der Meister hier saß und seine Kunden beobachtete. Er schätzte ihre Reaktionen beim Betrachten der Bilder ab, um seine Verkaufsstrategie festzulegen. Anschließend trug er den Kaufabschluss in einem großen Kassenbuch.

Rembrandts kleines Buero im Museum Het Rembrandthuis in Amsterdam
Ziemlich dunkel in dem kleinen Büro, kein Wunder fehlte Rembrandt der finanzielle Durchblick.

Rembrandts kleine große Leidenschaft

Rembrandt machte sich einen Namen durch seine Auftragsarbeiten. Meist großformatige Ölgemälde, in denen wohlhabende Bürger, Kaufleute, Würdenträger oder Ehepaare Porträt standen. Mal einzeln, mal zu zweit oder ganze Gilden in der Gruppe. Diese Bildnisse stellten seine Haupteinkommensquelle dar, von der er mehr als gut hätte leben können. Dass er allerdings ein schlechter Finanzmanager war, über seine Verhältnisse lebte und bei der Bezahlung seiner Schulden die falschen Prioritäten setzte, steht auf einem anderen Blatt.

Tief in Rembrandts Brust schlugen zwei kreative Herzen. Eines für die Ölmalerei und eines für die Kunst der Radierungen. Die Motive, die er auf die Druckplatten bannte, waren vielfältig. Angefangen bei der Darstellung von Landschaften, Alltagsszenen und Nacktmodellen, über biblische Themen und Charakterstudien bis hin zu Porträts und Selbstbildnissen.

Radierungen waren im 17. Jahrhundert ausgesprochen in Mode. Deshalb bediente Rembrandt viele Kunden, die sich seine großformatigen Ölgemälde nicht leisten konnten, mit seinen Drucken. Für eine Radierung musste weniger tief in die Tasche greifen.

Radierungen im Scheckkartenformat

In der Druckerwerkstatt erhält man einen umfassenden Einblick in die Kunst der Radierungen. Eine Eichenpresse steht im Raum, eine Kupferplatte in der Ecke, während auf einem langen Schreibtisch am Fenster die wichtigsten Gravierwerkzeuge wie Radiernadeln, Feilen, Schaben und Messer ausgebreitet liegen. Verschiedene Papierarten, die vor dem Druck befeuchtet werden müssen, sind ausgestellt, wobei Rembrandt, neben Büttenpapier und Pergament, sehr gerne teures Japanpapier verwendete. Die fertigen Drucke wurden an zwei Wäscheleinen, die durch den Raum gespannt sind, zum Trocknen aufgehängt.

290 Radierungen fertigte Rembrandt Zeit seines Lebens an. Einige davon nicht größer als eine Scheckkarte oder ein Taschenbuch. Das Museum Het Rembrandthuis ist im Besitz von 260 dieser Druckgraphiken sowie von vier Original-Druckplatten. Eine kleine und, wegen der Lichtempfindlichkeit, ständig wechselnde Auswahl wird in einem abgedunkelten Raum im Zwischengeschoss präsentiert.

Rembrandt van Rijn (Dutch, 1606 - 1669 ), The Windmill, 1641, etching, Rosenwald Collection
Rembrandt van Rijn, Die Windmühle, 1641, Radierung, Rosenwald Collection. Courtesy National Gallery of Art, Washington.
Viele Motive für seine Radierungen fand Rembrandt bei seinen Spaziergängen rund um Amsterdam. So auch die kleine stinkende Mühle, so genannt wg. des üblen Geruchs von Gamsleder, das hier verarbeitet wurde.

Der Geist Rembrandts liegt in der Luft

Gegenüber dem Empfangsraum liegt der Salon, das private Reich der Familie Rembrandt. Ein großzügig geschnittenes Wohn- und Schlafzimmer mit einem Kastenbett neben der Tür und einem großen Kamin. Die Wände zieren zahlreiche Gemälde von Künstlern aus seinem näheren Umfeld.

Salon und Schlafzimmer Rembrandts im Museum Rembrandthaus in Amsterdam
Museum Het Rembrandthuis, Salon Foto:©Kirsten van Santen

Um Rembrandt noch näher zu kommen, heißt es erneut Treppensteigen. Der Geruch von Leinöl, Terpentin und Leim steigt mir in die Nase. Schon stehe ich im lichtdurchfluteten großen Studio, dem künstlerischen Schaffenszentrum Rembrandts. Hier, ja genau hier, in diesem Raum entstanden unzählige seiner Meisterwerke. Allen voran das Gruppenporträt der Bürgerwehr des Kapitän Frans Banning Cocq, bekannter unter dem Namen die Nachtwache.

Das größte und hellste Zimmer im Haus war mit Bedacht als Atelier gewählt. Die riesigen Fensterfronten weisen nach Norden, sodass ein gleichmäßig kühles Licht einfiel. Heller Leinenstoff verdeckte eine untere Fensterhälfte, damit der Künstler nicht geblendet wurde. Das Torffeuer brannte in der Ecke, um die Hände des Malers geschmeidig und das Modell bei Laune zu halten. Die Staffelei mit der aufgezogenen Leinwand als auch der Malstock standen bereit. Die Farben waren angerührt, und auf der Palette verteilt. Die Pinsel standen griffbereit im Glas auf dem Tisch. Waren auf der Treppe nicht gerade die Schritte des großen Meister zu hören gewesen?

Rembrandts großes Atelier im Museum Rembrandthaus in Amsterdam
Museum Het Rembrandthuis, Rembrandts Atelier Foto:©Kees Hageman

Rembrandts finanzielle Sickergrube

Gegenüber Rembrandts Arbeitszimmer stolpert man direkt in ein Panoptikum natürlicher und künstlicher Artefakte. Ein Kuriositätenkabinett par excellence! Auf dem Boden, an den Wänden, an der Decke, im Regal tummeln sich Muscheln, Korallen sowie ausgetrocknete Jungalligatoren neben Gipsbüsten römischer Kaiser und griechischer Philosophen. Schildkrötenpanzer, Schmetterlinge, ein Kugelfisch als auch ein Gürteltier kokettieren mit Helmen, Brustpanzern, Degen, afrikanischen Schildern und buntem Federschmuck. Die ganze Welt ist vertreten im Kabinett des großen Historienmalers.

Rembrandts wertvolle Sammlung mit Zeichnungen und Radierungen italienischer und hollaendischer Meister im Museum Het Rembrandthuis in Amsterdam

Rembrandt gab ein Vermögen aus für die  exotischen und zum Teil sehr seltenen Gegenstände. Sein wertvollster Besitz waren jedoch seine Kunstbücher. An die 8000 Zeichnungen holländischer und ausländischer Künstler nannte er sein eigen. Darunter diejenigen namhafte Maler wie Rafael, Tizian und Michelangelo. Allerdings waren die wenigsten Werke für den Verkauf bestimmt. In erster Linie dienten sie Rembrandt und seinen Schülern als Vorlage und Inspirationsquelle. 

Rembrandts lukratives Nebeneinkommen

Ganz oben, unterm Dach, befand sich Rembrandts drittes finanzielles Standbein, das Arbeitszimmer für seine Schüler. Im kleinen Studio, so benannt wegen seiner niedrigen Deckenhöhe, konnten bis zu 5 Lehrlinge gleichzeitig angeleitet werden. Maler war im Goldenen Zeitalter ein angesehener Beruf, weshalb es keine Nachwuchssorgen gab. An die 50 Schüler soll Rembrandt hier unterwiesen haben, was ihm bei einer Jahresgebühr von 100 Gulden einen beträchtlichen Nebenverdienst einbrachte.

Anfänger nahm Rembrandt nicht auf. Das wäre Ressourcenverschwendung für ihn gewesen. Zu den bekanntesten seiner Eleven gehörten sowohl Samuel van Hoogstraten als auch Carel Fabritius, dessen berühmtestes Werk „Der Distelfink“ im Mauritshuis in Den Haag ausgestellt ist.

Carel Fabritius The Goldfinch, 1654 Mauritshuis, The Hague
Carel Fabritius; Het puttertje, 1654; Mauritshuis Den Haag

In 30 Minuten durch Rembrandts Farbpalette

Donnée Festen gibt den Besuchern des Rembrandthauses einen umfassenden Einblick in die Herstellung der Farben im 17. Jahrhundert

Im großen Atelier steht auf einem Tisch ein buntes Arrangement aus Schüsseln und Töpfchen mit den vielfältigsten Farbpigmenten.
Alle Blicke der Besucher sind gebannt auf Donnée Festen gerichtet. Selbst leidenschaftliche Malerin mit Atelier auf der NDSM-Werft, gibt sie heute einen kundigen Einblick in die Welt der Farbzubereitung im 17. Jahrhundert.

Die Herstellung einer Farbpalette war zeitaufwendig. Es gab keine Hobbygeschäft oder professionellen Malerbedarf um die Ecke, wo man fertige Farbtuben kaufen und zuhause direkt loslegen konnte. Zuerst musste sich der Künstler über sein Tageswerk Gedanken machen. Welchen Abschnitt, welche Szene wollte er heute malen? Welche Farben würde er dafür benötigen? Zwar war eine Anfertigung von Farben auf Vorrat möglich, doch eher die Ausnahme als die Regel. Planung war gefragt. Der Maler musste seine Gesamtkomposition stets vor Augen haben. Es war eher ungewöhnlich, dass er an einem Tag alle Farben für eine Szene mischte. Vielmehr entschied er sich für eine oder zwei Farben und stellte dann davon die unterschiedlichsten Schattierungen her. Entschied er sich zum Beispiel für ein grünes Pigment, wurden an diesem Tag eben nur Bäume, Sträucher, Wiesen oder Gegenstände, die einen grünen Touch hatten, gemalt.

Mühsame Handarbeit

Farbe für Farbe musste sorgfältig in mühsamer Handarbeit hergestellt werden. Donnée Fessen demonstriert, wie zunächst das ausgewählte Pigment auf einem Steinsockel mit tropfenweise zugefügtem Leinöl vermischt wird. Dazu verreibt sie die Masse mit einem breiten Stößel solange, bis sie eine geschmeidig-cremige Konsistenz erhält. „Es ist ein bisschen wie Kochen. Man muss ein Gefühl für das Produkt und die Dosierung entwickeln. Und Erfahrung sammeln, viel Erfahrung“, erklärt die Museumsmitarbeiterin den umstehenden Zuschauern.

Donnée Festen ruehrt das Farbpigment mit Leinoel an, genau so machten es die Maler im 17. Jahrhundert

Ein Maler war Künstler, Chemiker und Handwerker in einem. Er musste wissen, wie die verschiedenen Pigmente auf chemische Prozesse reagieren oder dass sie z. B. durch Zufügen des Leinöls dunkler wurden. Auch seine Pinsel fertigte er selbst. Hierzu verwendete er zugeschnittene Gänsefederkiele und je nach gewünschtem Härtegrad Pferde- oder Dachshaare bzw. Schweinsborsten. Dann musste die Leinwand zugeschnitten und mit Kordeln auf einen Holzrahmen gespannt werden. Jetzt erst konnte die Grundierung erfolgen. Es gab also sehr viel zu tun in einem Atelier, bevor überhaupt der erste Farbtupfer auf die Leinwand aufgetragen werden konnte. Glücklicherweise war Rembrandt über Jahrzehnte ein erfolgreicher Künstler und konnte sich Lehrlinge oder Assistenten leisten, die ihm diese Arbeit abnahmen“.

Zwischenzeitlich ist die rote Farbe fertig. Jetzt kann sie auf die Malerpalette aufgetragen werden. Alternativ lässt sie sich in einer Schweinsblase, die in ein Gefäß mit Wasser gehängt wird, für eine spätere Verwendung konservieren.

Im Goldenen Zeitalter Rembrandts galt Holland als Zentrum der „industriellen“ Pigmentherstellung. Die auf dem heimischen Markt nicht verfügbaren Farben wie Ocker, Siena oder Umbra, importierte man überwiegend aus Italien. Verwendet wurden sowohl organische als auch anorganische Pigmente, wobei die natürlichen Erdfarben deutlich günstiger waren als diejenigen mineralischer Herkunft wie z. B. Malachit oder Azurit. Die wohl bekannteste Farbe tierischen Ursprungs war karminrot. Sie wurde aus der Schildlaus gewonnen, wohlgemerkt nur aus der trächtigen, weiblichen Schildlaus.

Maler im 17. Jahrhundert – kein ungefährlicher Beruf

„Der Umgang mit Farben war im 17. Jahrhundert keine ungefährliche Angelegenheit. Viele der gebräuchlichsten Pigmente waren giftig“, erklärt Donnée. „So erhielt man Zinnober aus Quecksilbererz, während das strahlende Weiß oder das intensive Gelb Blei enthielt.“
Ich ziehe fragend meine Augenbrauen nach oben. Seit wann war Blei gelb? Ganz einfach. Man stellte eine Bleiplatte in ein Gefäß mit Essig, wickelte es in Pferdemist ein und wartete mehrere Wochen. Durch die Essigsäure, den Ammoniak und das Kohlendioxid entstand eine chemische Reaktion. Auf den Platten lagerte sich ein weißes Pulver ab. Mischte man anschließend dem sogenannten Bleiweiß Zinn bei, entstand das beliebte Bleizinngelb.

Rembrandts Farbpalette war limitiert. Er bevorzugte seine Werke durch Licht-Schatten-Effekte in Szene zu setzen. Neben dem erwähnten Bleiweiß, Bleizinngelb und Zinnoberrot, arbeitete er vor allem mit den Erdfarbtönen. Dunklere Farbakzente setzte der Maler mit gebrannten Farben. Darunter knochenschwarz, das, wie der Name vermuten lässt, aus verkohlten Tierknochen bestand. Dagegen finden sich kräftige Blau- oder Grüntöne in seinen Werken eher selten.

„Natürlich“, so verrät uns Donnée, „kommen heute neben den nach wie vor sehr beliebten Erdfarben Ocker, Umbra und Siena überwiegend synthetische Farben zum Einsatz. Diese sind untoxisch und, ganz nebenbei bemerkt, zudem noch 40mal günstiger. Außerdem kann man diese sozusagen direkt vor der Haustür kaufen. Keine 20 Kilometer von Amsterdam entfernt, im Museumsdorf Zaanse Schans, befindet sich nämlich de Kat. Die weltweit einzige Mühle, die noch Farben mahlt“.

Eine lebendige Renaissance des Goldenen Zeitalters

Ich habe meinen erneuten Besuch im Rembrandthaus nicht bereut.
Das Museum lässt das Goldene Zeitalter wieder auferstehen. Es wirft einen vielschichtigen Blick hinter die Kulissen von Rembrandts vielschichtigem Leben. Dabei zeigt es sowohl den Alltag des Privatmenschen als auch der öffentlichen Person. Außerdem macht das Museum Lust auf mehr. Zum Glück gibt es in Amsterdam reichlich von dem „mehr“.

Müsste ich eine TOP-5-Liste meiner bevorzugten Maler aufstellen, wäre Rembrandt nicht dabei. Nichtsdestotrotz bin auch ich der Meinung, dass der Lebemann mit der enormen Schaffenskraft und der breiten Palette an Motiven und Techniken, zurecht als größter Künstler des Barock gilt.

Eine Zeitlang wurden seine Bilder als unfertig, rückständig, von grober Hand ausgeführt, beurteilt. Die Kritiker vermissten die Raffinesse, die Idealisierung des Objekts. Dafür schenkte Rembrandt Emotionen, Dynamik, Tiefenschärfe, Realität. In seinen letzten Lebensjahren erhielt der Maler kaum noch Aufträge. Er traf den Geschmack der Zeit nicht mehr.

Einer, der sich nicht verbog

Rembrandt, Selbstportrait, 1669. Das Gemälde gehört zur Sammlung des Mauritshuis, The Hague Fotograf: Ivo Hoekstra
Rembrandt; Selbstportrait, 1669; Mauritshuis Den Haag. Fotograf: Ivo Hoekstra

Keine Frage, Rembrandt war ein Egoist, ein gnadenloser Selbstdarsteller. Kein anderer Künstler fertigte 100 Selbstporträts an. Aber er verbog sich nicht. Er betrieb keine Schönmalerei. Vielmehr zeigte er die Menschen, wie sie waren. Schonungslos, aber authentisch. Auch sich selbst. 

Heute sind die Kritiker verstummt. Rembrandts Werke sind international anerkannt und erzielen, sofern überhaupt ein Gemälde zum Verkauf ansteht, Millionenbeträge.
So wurden beispielsweise die beiden Porträts von Marten Soolmans und Oopjen Coppit 2016 für 160 Millionen Euro versteigert. Da der Kaufpreis für ein Museum zu hoch war, legten der Louvre und das Rijksmuseum zusammen. Nun pendelt das niederländische Brautpaar aus dem Goldenen Zeitalter regelmäßig zwischen Paris und Amsterdam.

Rembrandt Harmensz. van Rijn, Isaac und Rebecca, bekannt als "Die Judenbraut"1665-1669. Rijksmuseum, Amsterdam
Rembrandt Harmensz. van Rijn, Isaac und Rebecca, bekannt als „Die Judenbraut“1665-1669. Rijksmuseum, Amsterdam. On loan from the City of Amsterdam (A. van der Hoop Bequest).

Vincent van Gogh besaß keine Millionen, um ein Werk Rembrandts zu kaufen. Stattdessen war er bereit, nachdem er in Amsterdam das Bildnis „die Judenbraut“ zu Gesicht bekam, 10 Jahres seines Lebens zu opfern. Nur um noch vierzehn Tage vor diesem Bild zu sitzen. Mit nichts als einer Kruste trockenen Brotes zum Essen.


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