Blick von der Hornisgrinde auf den Mummelsee und den Schwarzwald
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Mummelsee – ein mystischer Ort im Schwarzwald


Er gilt als Superstar unter den dunklen Augen des Nordschwarzwalds. Mit über einer Million Besucher jährlich ist der größte, tiefste und höchstgelegene Karsee das touristische Aushängeschild des Ortenaukreises. Die Rede ist vom sagenumwobenen Mummelsee.

Vom Sehnsuchtsort zum Touristen-Hotspot

Bis weit in das 20. Jahrhundert hinein war der dunkle See noch ein idyllischer, wild-romantischer Sehnsuchtsort. Von dichten, hoch aufgeschossenen Fichten und Tannen umgeben, zeigt er bei tief hängenden Nebelschwaden mal sein mystisches, bei klarem Wetter und herrlichstem Sonnenschein, sein liebreizendes Gesicht. Kein Wunder, dass nicht nur der Lyriker Friedrich Hölderlin, sondern auch die berühmte Kaiserin Sissi die Stille und Abgeschiedenheit des verwunschenen Ortes suchten.

Doch nicht nur illustre Persönlichkeiten zog es auf 1030 Meter Höhe. Vor allem bei Naturliebhabern war der nur zu Fuß oder auf dem Rücken eines Vierbeiners erreichbare Mummelsee lange Zeit ein absoluter Geheimtipp. Zumindest bis mit dem Bau der Schwarzwaldhochstraße 1930 der Weg für den Massentourismus geebnet wurde. Insbesondere mit dem malerisch am Südufer des Sees gelegenen Berghotel inklusive dazugehörigem Bewirtungs- und Freizeitangebot, entwickelte sich der Mummelsee in den letzten Jahrzehnten zu den Top-Ausflugszielen des Naturparks Schwarzwald Mitte/Nord.

So auch heute. Es ist Ferienzeit, das Versprechen eines spätsommerlichen Tages liegt in der Luft, und die provisorischen Seitenstreifen-Parkplätze entlang der Schwarzwaldhochstraße sind bereits am Vormittag äußerst begehrt. Während die Holzofenbäckerei auf dem Hochplateau ununterbrochen verführerisch duftende Rauchschwaden in den noch leicht bewölkten Himmel schickt, wechseln einige Meter weiter nicht minder leckere und deftige Schwarzwälder Spezialitäten die Besitzer. Wem der Sinn eher nach einer süßen Verführung steht, findet bestimmt in der hausgemachten Schwarzwälder-Torte des Berghotels sein Glück, die ebenso begehrt ist wie die freien Plätze an den Picknicktischen neben dem Tret- und Ruderbootverleih.

Da ich mir mein mitgebrachtes Vesper erst noch verdienen muss, mache ich mich zunächst auf den barrierefreien Waldweg, der um die beliebte Naturattraktion herumführt.

Ein urzeitliches Vermächtnis

Der Mummelsee zählt zu den letzten verbliebenen Karseen des Schwarzwalds. Einst gab es ihrer über einhundert, doch viele dieser Überbleibsel aus der Würmeiszeit sind mittlerweile komplett verlandet.

Während der letzten langen Eiszeit, die sich von 100.000 bis etwa 10.000 v. Chr. erstreckte, beherrschten Gletscher, Firnschnee und Dauerfrost das Landschaftsbild. Als dann die bis jetzt fortschreitende Klimaerwärmung einsetzte, kamen die Gletscher langsam in Bewegung. Durch den ungeheuren Druck der verdichteten Eis- und Schneemassen und der freigesetzten Schmelzwasserströme wälzten sie sich wie ein riesiger Lavastrom talwärts. Dabei führten sie Massen an Geröll mit sich, die beachtliche Mulden im Buntsandsteinboden hinterließen. Besonders tiefe Becken entstanden am Fuße von Berghängen wie der Hornisgrinde. Während der Gletscher langsam weiterwanderte, blieb der mit Schmelzwasser gefüllte Karsee zurück.

Der bis zu 18 Meter tiefe, braun-trübe Mummelsee wird heute vom Quellwasser der Hornisgrinde, dem höchsten Berg des Nordschwarzwalds, gespeist. Dadurch steigt seine Temperatur selbst im Sommer kaum über 12 Grad Celsius an. Zudem ist das aus dem Hochmoor stammende Wasser extrem sauer, torfig und nährstoffarm, sodass man im See vergeblich nach Fischbeständen sucht.

Vermisst werden inzwischen auch die weißen und gelben Seerosen mit kugeliger Blüte, im Volksmund Mummeln genannt, die dem Karsee einst seinen Namen gaben. Oder waren es vielmehr die Mümmlein? Die bildhübschen, grazilen Wassergeister, die tief unten im See ihr zuhause haben?

Die Legende vom Mummelsee

Holzskulptur Mummelseekoenig am Mummelsee im Schwarzwald

Kaum auf dem Weg begegne ich, ein wenig im Wald versteckt, dem Herrscher über den größten und tiefsten aller Karseen. Der Mummelsee-König hat vorübergehend sein nasses Reich verlassen, um aus gebührender Distanz das quirlige Getümmel an seinen Ufern zu beobachten. Man sagt über den riesenhaften König, dass er ein gar strenger Gebieter sei, der seit Urzeiten mit seinen liebreizenden Töchtern, den Mümmlein, in einem kristallenen Palast am Grunde des Sees lebt.

Von Zeit zu Zeit verließen die Seenixen ihr Schloss und halfen den armen Dorfbewohnern im Tal. Schon frühmorgens waren sie auf den Feldern beim Einbringen der Ernte zu sehen, später in den Ställen beim Heuen oder abends bei Kerzenschein am Spinnrad. Wie sie so einträchtig nebeneinander saßen und die Fäden auf die Spindeln wickelten, verliebte sich der Bauernsohn vom Deckerhof unsterblich in die Wassernymphen. Jeden Morgen sehnte er ihr Kommen herbei, und jeden Abend blieb er todtraurig zurück, denn die Mümmlein mussten unbedingt vor dem elften Glockenschlag in ihr Reich zurückkehren. Andernfalls würden sie den Tod finden.

Holzskulptur mit spinnender Seenymphe am Rundwanderweg entlang des Mummelsees

Eines Abends, erdachte sich der Bauernsohn eine List, um die Stunde des Abschiednehmens hinauszuzögern. Kaum hatten sich die Nixen ans Spinnrad gesetzt, stellte er die Uhr in der Wohnstube klammheimlich um eine Stunde zurück. Nach einer Weile wunderten sich die Schwestern, wie dunkel es draußen schon war. Da gestand der verliebte Jüngling sein Täuschungsmanöver. Voller Furcht eilten die Nymphen schnellstens den Berg hinauf, doch unterwegs hörten sie die Kirchturmuhr bereits elf Uhr schlagen. Sie wussten, damit war ihr Schicksal besiegelt. Trotzdem teilten sie, wie gewöhnlich, mit drei Schlägen einer Weidenrute den See. Die kristallene Treppe, die zu ihrem Palast hinab führte, erschien, und sie stiegen in das dunkle Reich hinab. Doch kurze Zeit später bildeten sich auf der Wasseroberfläche dunkelrote Ringe. Die Mümmlein waren fortan nie mehr gesehen.

Noch mehr Wundersames

Auf dem etwa 900 Meter langen Seerundgang unterhalb der steil aufragenden Kulisse der Hornisgrinde begegnet man noch weiteren wundersamen Anekdoten.

Kunstvoll von geschnitzten Holzfiguren in Szene gesetzt, mag man der Erzählung des skrupellosen Jägers nur zu gerne Glauben schenken. Eines Tages, auf einem seiner Streifzüge durch den dichten Wald, bemerkte der Wildhüter einen wundersamen alten Mann. Vorsichtig näherte er sich der sonderbaren Erscheinung, die sich auf einem Baumstumpf niedergelassen hatte.

Holzskulptur Jaeger mit Gewehr am Mummelsee
Holzskulptur alter Mann

Als der Jägersmann sah, dass der Alte einen Batzen Goldmünzen in der Hand hielt, brachte er sofort sein Gewehr in Anschlag. Ohne Vorwarnung zielte er auf das Männlein. Zum Glück zog dieses rechtzeitig seinen Kopf ein, nicht ohne den Jäger für seine Habgier auf ewig zu verfluchen. Danach verschwand die Gestalt im Dunkel des Walds, während die Flinte des Waidmanns nie mehr auch nur ein einziges Tier traf.

Nun, zu fortgeschrittener Mittagsstunde, wird der Mummelsee seinem Spitznamen Rummel- und Tummelsee vollauf gerecht. Leider stellt sich dabei die Corona gebotene Abstandsregelung für viele Besucher als inexistentes Fremdwort heraus. Deshalb entscheide ich mich kurzerhand, mein Picknick auf den 130 Meter höher gelegenen und bestimmt weniger überlaufenen Gipfel der Hornisgrinde zu verlegen.

Blick vom Berghotel Mummelsee auf die Hornisgrinde

Am Ende des Tages kehrt die Mystik zurück

Sobald mit dem Abzug der Tagesausflügler wieder Ruhe am Mummelsee einkehrt, kommt erneut die malerische Schönheit des Ortes zum Vorschein. Und wenn in den Abendstunden die bewaldeten Berghänge ihre langen Schatten über das undurchdringliche Dunkel des Wassers werfen, gehört der See wieder ganz allein der Natur und seinen geheimnisvollen Bewohnern.

Mummelsee mit Berghotel im Abendlicht

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