Grindenlandschaft
Heimat,  Unterwegs

Hornisgrinde – der höchste Berg im Nordschwarzwald


Hoch über dem sagenumwobenen Mummelsee bietet die Hornisgrinde als höchster Berg des Nordschwarzwalds neben einem sagenhaften Ausblick eine ungewöhnliche Naturlandschaft aus Hochmoor und Bergweide.

Hornisgrinde – der Höhenrekordhalter des Nordschwarzwalds

Nach dem entspannten Rundgang um den Mummelsee, werde ich mir jetzt meine Meriten als Gipfelstürmer verdienen. Dabei habe ich 140 Höhenmeter auf einem etwa 1,6 Kilometer langen Aufstieg bis zum Hochplateau der Hornisgrinde zu bewältigen.
Zur Zielerreichung der Bergetappe stehen zwei Optionen zur Auswahl. Entweder ein ausgeschilderter Naturpfad oder eine asphaltierte Straße, die ausschließlich von Muskelkraft angetriebenen Zweirädern oder dem zwischen Mummelsee und Hornisgrinde eingerichteten Pendelbus genutzt werden darf. Da die Sonne heute nicht mit ihrer Strahlkraft geizt, entscheide ich mich für die letztgenannte Option, die zwar weniger abwechslungsreich ist, dafür aber größtenteils durch schattige Waldabschnitte führt.

Nach etwa zwei Drittel der zurückgelegten Strecke macht ein Hinweisschild auf den Aussichtspunkt Mummelseeblick aufmerksam. Die Extraschleife lasse ich mir nicht entgehen, denn dieser Aussichtspunkt bietet ein grandioses Postkartenmotiv auf das berühmteste und größte der dunklen Löcher (check Anchorlink möglich zum Thema schwarzes Loch) im Nordschwarzwald. Dazu laden die am Berghang platzierten Holzbänke wunderbar zu einer ersten Verschnaufpause ein, um aus genüsslicher Distanz dem  emsigen Treiben um den sagenumwobenen Karsee zuzuschauen.

Von hier aus ist die restliche Steigung zum Hornisgrindegipfel auf 1164 Meter Höhe jetzt nur noch ein Kinderspiel. Oben angekommen, zieht es mich auf dem unbewaldeten Bergplateau direkt zu der auffälligen Installation eines entwurzelten und auf dem Kopf stehenden Baumes, denn direkt dahinter öffnet sich ein spektakuläres Panorama vom Schwarzwald über die Rheinebene bis zu den Ausläufern der Vogesen.

Der Hornisgrindeturm – ein wandlungsfähiges Wahrzeichen

Noch mehr Rundumblick verspricht die Aussichtsplattform des markanten Hornisgrindeturms.
Das 23 Meter hohe Bauwerk aus Buntsandstein prägt seit über 100 Jahren den Schwarzwaldgipfel. 1909 auf Initiative des Schwarzwaldvereins als Aussichtsturm errichtet, sah er sich allerdings im Laufe seiner Existenz von den unterschiedlichsten Hausherren zu den unterschiedlichsten Zwecken missbraucht.

Hornisgrindeturm

Seine exponierte Lage war besonders für die militärische Nutzung interessant. Deshalb wurde der Zugang zum Hornisgrindeturm bereits 1938 für die Öffentlichkeit gesperrt. Die deutsche Flugabwehrstellung bezog ihr Hauptquartier in dem markanten Gebäude, um eine Radarstation darin einzurichten. Nach dem II. Weltkrieg erklärte die französische Armee das Areal zum Sperrgebiet, so dass der Auslandsgeheimdienst  von hier aus ungestört seinen Aufgaben nachgehen konnte. Anschließend gab auch die Bundeswehr hier noch einige Jahre ihr Stelldichein, bevor die Schwarzwaldgemeinde Seebach zur Milleniumswende den Hornisgrindeturm zurückkaufte. Erst nach einer gründlichen Renovierung erhielt er 2006 seine ursprüngliche Bestimmung zurück.

Schade nur, dass man im Zuge der Renaissance des Tourismus auf der Hornisgrinde nicht die Gelegenheit nutzte, um den hässlichen, vor sich hin rostenden Segelfliegerhangar zu beseitigen. Die verlassene Blechhalle neben dem Hornisgrindeturm ist ein ganz und gar abscheulicher Schandfleck auf dem Gipfelplateau.

Normalerweise lädt das Wahrzeichen des höchsten Berges des Nordschwarzwalds auf seiner Aussichtsplattform zu einem unvergleichlichen Fotoshooting ein. Doch nicht in Corona-Zeiten. Da die Einhaltung und Überwachung der vorgegebenen Hygienemaßnahmen nicht gewährleistet werden kann, ist der Hornisgrindeturm derzeit für Besucher gesperrt.

Ein hochsensibler Landschaftsraum

Dann mache ich mich eben direkt an die Erkundung der Hornisgrinde-Hochebene. Im Südosten des langgestreckten Bergrückens wartet nämlich eine einmalige Naturlandschaft aus Grinde und Hochmoor schon darauf, entdeckt zu werden.  Um die Natur bestmöglich vor dem regen Besucherstrom zu schützen, wurde der Grindenpfad angelegt. Der teils naturbelassene, teils auf Holzbohlen verlaufende Rundgang verspricht auf etwa drei Kilometern Länge einen entspannten als auch lehrreichen Ausflug in die wilde Flora und Fauna der Moor- und Heidelandschaft.

Bohlenweg auf der Hornisgrinde

Das Hochmoor entstand gegen Ende der letzten Eiszeit, also vor etwa 10.000 Jahren. Konstant hohe Niederschlagsmengen und ein feucht-kühles Klima sorgten bei gleichzeitiger Gletscherschmelze dafür, dass sich durch den zurückbleibenden Wasserüberschuss dieser hochsensible Landschaftsraum herausbildete.

Leider wurden große Teile des einstmals intakten Hochmoores in den letzten Jahrhunderten unwiederbringlich zerstört. Allein 2800 Hektar vernichtete ein über zwei Wochen andauernder Großbrand im Jahr 1800. Noch verheerender wirkten sich allerdings die menschlichen Eingriffe aus. Mit Entwässerungsgräben legte man weite Teile des Hochmoores trocken, um nach anschließender Brandrodung den Torf zu stechen. Durch die immer weiter voranschreitende Industrialisierung entwickelte sich der Torf zum nachfragestarken Brennmaterial. Nicht nur für den Hausgebrauch.

Zusätzlichen Schaden verursachte die militärische Nutzung der Hornisgrinde seit den 1940er Jahren, als weitere Hochmoorflächen nicht nur der Installation einer Flugabwehrbatterie sowie mehrerer Bunkeranlagen zum Opfer fielen, sondern auch dem Bau entsprechend tragfähiger und asphaltierter Zufahrtswege.

Inzwischen hat sich glücklicherweise die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Hochmoor in vielerlei Hinsicht ein schützenswertes Biotop darstellt. Nicht nur dass es Heimat vieler seltener als auch gefährdeter Tier- und Pflanzenarten ist, sondern es leistet, durch die Fähigkeit enorme Mengen des klimaschädlichen Kohlendioxids zu binden, zudem einen essenziellen Beitrag zum Klimaschutz.

Die Grinde – mehr als nur ein kahler, schwäbischer Kopf

Neben der typischen Flora des Hochmoors, bestehend aus Torfmoos und Wollgras, prägt vor allem die Grinden-Vegetation mit Rasenbinsen, Heidekraut, Latschen und Pfeifengras den Schwarzwaldgipfel.

Die Grinde ist eine Feuchtheide in der Nähe von Hochmooren.
Ihren Namen verdankt sie der charakteristischen, baumfreien Landschaftsform, die offensichtlich viel Ähnlichkeit mit einem kahlen Kopf hat. Aus dem schwäbischen Grind entstand so im 17. Jahrhundert die Bezeichnung Hornisgrinde für den Bergrücken, der auf seiner Höhe ein Moor trägt. Dementsprechend bilden Hochmoor und Grinde oftmals einen fließenden Übergang.

Grindenlandschaft

Für die ursprüngliche Entstehung der Grinden auf den Höhen des Nordschwarzwalds zeichnen in erster Linie unsere Vorfahren verantwortlich. Die dichten Wälder stellten im Mittelalter eine kostengünstige, relativ einfach zu gewinnende und beinahe unerschöpfliche Ressource für Brenn- und Bauholz dar.

Doch der Holzschlag war nicht die einzige Methode, um die Hochflächen für die zunehmende Beweidung baumfrei zu halten. Vor mehr als 500 Jahren nahm durch den konstanten Anstieg der Bevölkerungszahlen die Bedeutung der Viehwirtschaft deutlich zu. Ziegen, Schafe und Rinder fanden auf den Bergheiden ausreichend Nahrung, solange der natürliche Baumwuchs mittels regelmäßiger Brandrodung erfolgreich verhindert werden konnte. Allerdings entzog die intensive Weidetierhaltung dem Boden immer mehr Nährstoffe, bis er langsam vermoorte. Als sich im 20. Jahrhundert unter den Landwirten die bequemere Stallhaltung durchsetzte, eroberten sich auf den Grindenhochflächen Büsche und Bäume ihr Territorium zurück. Bald blieben von dem einst 2000 Hektar kahlen Kopf nur noch ein Zehntel übrig.

Eigentlich nicht weiter schlimm, sollte man meinen. Andernorts ist man auch über jeden Baum froh, der wächst. Nicht jedoch auf der Hornisgrinde. Die ungestörte Verbuschung zerstörte das Gleichgewicht der Koexistenz von Grinde und Hochmoor und brachte damit die einzigartige Biodiversität ihrer Fauna und Flora in ernsthafte Gefahr.

Naturlandschaft auf der Hornisgrinde

Die unentbehrlichen Hinterwäldler

Es galt zu handeln.
Als Erstes stellte man 1992 die Hochebene des Nordschwarzwalds unter Naturschutz. Danach musste eine nachhaltige und umweltschonende Lösung gefunden werden, um die Feuchtheide zukünftig wieder baumfrei zu halten. Als ideale Kandidaten kamen hierfür nur natürliche Rasenmäher in Frage. Genauer gesagt vierbeinige. Damit war die Wiederbelebung einer moderaten Weidetierhaltung mit Schafen, Ziegen und Rindern schnell beschlossene Sache.

Besonders bei der Auswahl der Rinderrasse gingen die Naturschützer mit Bedacht vor. Die Entscheidung fiel zugunsten des Schwarzwälder Hinterwäldler Rinds. Eine in ihrem Fortbestand bedrohte Rinderrasse. Mit einer Schulterhöhe von nur 120 Zentimetern zählt sie zu den kleinsten Rinderrassen Mitteleuropas. Damit ist sie hinsichtlich Milch- und Fleischertrag wenig attraktiv für die landwirtschaftlichen Großbetriebe, in denen XXL großgeschrieben wird. Allerdings besitzt die langlebige, widerstandsfähige und geländesichere Schwarzwaldrasse mit ihrer genügsamen Art, die besten Voraussetzungen, um mit der kargen Vegetation auf der Bergweide zurechtzukommen. Und noch einen entscheidenden Vorteil besitzt die leichtkalbige Kuh. Durch ihr geringeres Gewicht, im Vergleich zur ihrer Vorderwälder Verwandtschaft, hinterlässt sie auf der empfindlichen Heidevegetation kaum Trittschäden.

Mittlerweile beteiligen sich etwa 40 Hinterwäldler an der kontinuierlichen Grindenpflege. Ein geglückter Nebeneffekt des Naturschutzprogramms.

Atemberaubende Ausblicke

Auch die sensible Hochmoor-Kulturlandschaft kann Erfreuliches vermelden. Durch die Offenhaltung der Hochflächen fühlen sich mittlerweile wieder zahlreiche tierische Überlebenskünstler auf der Hornisgrinde heimisch. Mit ein wenig Glück und Geduld kann man die Bekanntschaft blindschleichender Echsen, eleganter Flugkünstler wie den Moorlibellen, des farbauffälligen Zitronengirlitz oder der Gallionsfigur des Schwarzwalds, des Auerhahns, machen.

Mir ist Fortuna heute nicht hold. Weder die scheuen Kleinstbewohner, noch die Hinterwäldler oder gehörnten Heidschnucken in Begleitung von störrischen Ziegen lassen sich blicken. Dafür kann ich mich von der Effizienz der Vierbeiner-Arbeit überzeugen. Der wunderbaren, baumfreien Aussicht. Speziell von den Bänken entlang des Bohlenwegs.

Die ganze Schönheit des Schwarzwalds breitet sich hier zu meinen Füßen aus. Der eiszeitliche Biberkessel mit den dunkelgrünen, sich bis zum Horizont mäandernden Berghängen und den tief hineingeschnittenen Tälern, in die sich kaum ein Sonnenstrahl verirrt.
Hier könnte ich noch stundenlang verweilen.


Gut zu wissen

Steckbrief Grindenpfad

In der Nähe

In eigener Sache – das liegt mir am Herzen

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert