Buchcover Sakrale Baukunst in siebenbuergisch-saechsischen Staedten von Hermann Fabini
auf Reisen,  in Leselaune,  in Rumänien

Sakrale Baukunst in siebenbürgisch-sächsischen Städten

Sakrale Baukunst in siebenbürgisch-sächsischen Städten


Als kurz vor der Jahrtausendwende die beiden Bände des Atlas der siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen und Dorfkirchen erschienen, setzte Architekt und Denkmalpfleger Hermann Fabini völlig neue Maßstäbe bei der historischen Bestandsaufnahme des gebauten sakralen Erbes seiner siebenbürgischen Heimat. Nichtsdestotrotz stellte das 1300 Seiten umfassende Lebenswerk seinen Autor nicht vollumfänglich zufrieden. Der Grund war, dass die Stadtpfarrkirchen darin weder die ihrer Bedeutung angemessene Würdigung noch den dafür benötigten Platz fanden. Also recherchierte, schrieb, zeichnete und fotografierte Hermann Fabini unermüdlich weiter, bis 2013 die Sakrale Baukunst in siebenbürgisch-sächsischen Städten ihre Buchtaufe erlebte.

Das großformatige, 280 Seiten zählende Werk porträtiert die sieben siebenbürgischen Städte Bistritz, Hermannstadt, Klausenburg, Kronstadt, Mediasch, Mühlbach und Schäßburg unter  historischen, baugeschichtlichen, architektonischen und bauplastischen Gesichtspunkten. Damit erfüllt es auf qualitativ als auch quantitativ beeindruckende Weise den Anspruch seines Herausgebers, einen wertvollen Beitrag zum Schutz und Erhalt des sächsischen Kulturerbes zu leisten. Und dass dieser Anspruch kein geringer ist, versteht sich angesichts des Lebenslaufs von Hermann Fabini von selbst. Mit 17 Jahren schrieb er sich zum Architekturstudium in Bukarest ein, das er 1962 erfolgreich abschloss. Danach arbeitete er sechs Jahre als Stadtarchitekt in Mediasch, bevor es 1971 als Manager der Bauabteilung des Landeskonsistoriums der Evangelischen Kirche in Rumänien weiter die Karriereleiter hinaufging. Fortan rückten die Themen Konservierung und Restaurierung von Baudenkmälern verstärkt in seinen Fokus.

Sowohl in seiner späteren Funktion als Projektleiter bei der Direktion für staatliche Denkmalpflege als auch nach dem Eintritt in die Selbstständigkeit mit eigenem Architekturbüro trug der inzwischen promovierte Architekt entscheidend zur Sanierung der Stadtpfarrkirche von Hermannstadt, der Margarethenkirche in Mediasch sowie der Schwarzen Kirche in Kronstadt bei. Die so über die Jahrzehnte gesammelten Daten als auch erworbene Expertise finden nun im Buch Sakrale Baukunst in siebenbürgisch-sächsischen Städten ihre verdiente öffentliche Plattform.

Im Buch unterwegs


Zum globalen Verständnis der bild- und faktenreichen Stadt- und Kirchenporträts beleuchtet zunächst die Einführung aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln die Faktoren, die auf das Bauwesen in der Siedlungsregion Siebenbürgen Einfluss nahmen.

Als Erstes erhält der Leser Kenntnis über die allgemeine Stadtentwicklung in Siebenbürgen. Mit dem Goldenen Freibrief des ungarischen Königs Andreas II. als Garant für Autonomie und politisch-wirtschaftliche Privilegien, nahm nach den Mongolen- und Tatarenstürmen die Städtegründung ab dem 14. Jahrhundert einen beachtlichen Aufschwung. Neben dem Stapelrecht trugen vor allem die aufblühenden Handelsverbindungen zu den Fürstentümern Moldau und Walachei zum Wohlstand bei. Besonders an den logistischen Hauptrouten Hermannstadt – Kronstadt – Bistritz schlug sich dies auch im städtebaulichen Erscheinungsbild nieder.

Das streng organisierte Zunftwesen der Handwerker und Kaufleute hatte daran ebenfalls einen entscheidenden Anteil. Allerdings nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch im Rahmen der Stadtverteidigung. Dennoch erhielt die Städtedynamik bereits ein Jahrhundert später durch die wiederkehrenden Türkeneinfälle und die Erschließung maritimer Fernhandelswege einen erheblichen Dämpfer. Erst die Industrialisierung im ausgehenden 19. Jahrhundert sorgte für eine deutliche Wiederbelebung des Handels und damit auch der Städte.

Doch nicht nur im historischen, sondern vor allem im geistigen sowie religiösen Kontext lässt sich das „Wesen der siebenbürgisch-sächsischen kirchlichen Baukunst“ vollumfänglich erschließen. Prägend hierfür war der unerschütterlich verankerte christliche Glaube. Dazu hinterließ der ständige Kampf ums Überleben nach dem Motto „safety first“ gleichermaßen seine Spuren an den Kirchenbauten. 

Die Sakralbauten im Wandel der Zeit

Aufschlussreich liest sich auch die „zeitliche Einordnung der Sakralbauten“. Sie nahmen im Süden Siebenbürgens mit kleinen romanischen oder frühgotischen Dorfbasiliken ihren Ausgang. Die Stadtpfarrkirchen entstanden erst in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, wurden aber zeitgleich mit ihren ländlichen Vertretern zu Beginn der Türkenüberfälle auf vielfältige Weise wehrbar gemacht. Aus praktischen Gründen vollzog sich mit der Ausstattung defensiver Wehranlagen vielerorts der Umbau zu spätgotischen Hallenkirchen.

Die nächste Zäsur erfolgte mit dem geschlossenen Übertritt der Siebenbürger Sachsen zum reformatorischen Glauben. Katholische Elemente wurden aus dem Innenraum entfernt und wertvolle Wandmalereien für immer zerstört. Während der politisch instabilen Lage im ersten Quartal des 16. Jahrhunderts stagnierten die Bauaktivitäten im sakralen Sektor. Auch in den folgenden Jahrhunderten beschränkten sich die Maßnahmen der sächsischen Gemeinden auf Instandhaltungs-, Restaurierungs- oder dem Zeitgeschmack angepasste Umbauarbeiten. Nur noch selten waren Neubauten zu verzeichnen, die vielmehr dem schlechten Zustand der Vorgängerkirche als einer wachsenden Gemeinde geschuldet waren.

An die breit angelegte Einführung schließt sich die Erkundung der sieben ausgewählten städtischen Hauptdarsteller an. Sie erfolgt stets nach demselben Schema. Beginnend mit allgemeinen Daten zur geografischen Lage, Bevölkerung und ethnischen Zusammensetzung erhält die Stadtgeschichte auf einer ganzen Bildseite durch Bauplastiken unterschiedlicher Epochen ein „menschliches Antlitz“. Ihre verschiedenartigen Ausdrucksformen spiegeln die Geistes- sowie Glaubenshaltung der Einwohner im Verlauf der Jahrhunderte wieder. Weiteres Bildmaterial liefern historische Pläne und Stadtansichten, zahlreiche Außen- und Innenaufnahmen der Sakralbauten einschließlich technischer Zeichnungen.

Erstaunliche Stadtgeschichte(n)

Die mehrseitigen Abbildungen werden jeweils von einer Ortsmonografie begleitet. Bis ins kleinste Vorkommnis liefert sie einen chronologischen Abriss der Stadtgeschichte von der ersten urkundlichen Erwähnung bis ins Jahr 2011. Man durchlebt mit den Bewohnern die permanenten Hattertstreitigkeiten und leidet mit ihnen unter den feindlichen Verwüstungen gleichermaßen wie unter den Verheerungen durch Brände, Seuchen und Hungersnöte. Zum Schmunzeln regen hingegen die Stadtoberen von Mediasch mit ihrem Fischteich-Deal an. Erst die Stiftung eines Frischfisch-Paradieses vermochte offensichtlich den Pfarrer zur wöchentlichen Lesung einer Heiligkreuzmesse zu motivieren. Ebenso befremdlich mutet wenige Zeilen später die Tatsache an, dass der Unterricht von Mädchen zu den Pflichten des Glöckners gehörte.

Dagegen lesen sich die Vorkommnisse zu den Gotzmeisterischen Unruhen in Hermannstadt, die die Gerichte von 1640 bis 1646 beschäftigten, spannender als ein Kriminalroman. Es mangelt weder an Ehebruch, Unkeuschheit oder Kindesmord noch an Bestechungsversuchen bis hin zur Todesstrafe. Die Stadt am Zibin schien generell ein gefährliches Pflaster zu sein. Selbst vor angesehenen Personen in Amt und Würden machte das Henkersbeil nicht Halt. Allerdings überrascht, mit welchem Weitblick der Sachsenkomes Johann Sachs von Harteneck im Jahre 1703 sein Todesurteil kommentierte: „Es fällt mir allerdings schwer, von Euch, ihr hohen und achtbaren Herren, zu scheiden. Nichtsdestoweniger freue ich mich darüber, dass Gott mich jetzt aus dem Leben abruft und ich nicht all das Elend schauen muss, dem Ihr und dieses Land entgegengeht.“ (Teutsch Kg. II/16; S. 64).

Deutlich nüchterner als die teilweise dramatischen historischen Ereignisse nehmen sich die Angaben zur Baugeschichte sowie die detailgenauen architektonischen und bauplastischen Beschreibungen aus. Dafür finden sie in den entsprechenden Abbildungen ihre perfekte Begleitung. Es gibt keine Statue oder Konsolenfigur, kein Maßwerk, Schlussstein oder Grabstein, der nicht den Weg vor die Kamera gefunden hätte.

In Leselaune’s Schlussansichten


Während seiner erfolgreichen Laufbahn als aktiver Architekt und Denkmalpfleger leistete Hermann Fabini einen beispiellosen Verdienst für den Erhalt des gebauten siebenbürgisch-sächsischen Erbes. Neben den eingangs erwähnten Stadtpfarrkirchen verdanken unter anderen auch die Kirchenburgen von Holzmengen, Tartlau, Hamruden und Frauendorf sowie die romanische Basilika von Mönchsdorf bei Bistritz dem Wahl-Hermannstädter ihre fachmännische Instandsetzung. Mit der Restaurierung der Kirchenburg von Birthälm und der dazu angefertigten akribischen Dokumentation ebnete er sogar den Weg für den Titel „UNESCO-Weltkulturerbe“.

Daneben hat es sich Hermann Fabini  mit der Gründung der Stiftung Patrimonium Saxonicum zur Aufgabe gemacht, die vom Verfall bedrohten, jahrhundertealten sakralen als auch profanen sächsischen Bauwerke in das Bewusstsein eines breiten Publikums zu rücken. Als ideale Multiplikatoren dienen der Stiftung hierzu die im hauseigenen Monumenta-Verlag erscheinenden Publikationen.

Zeichnungen der schwarzen Kirche Kronstadt aus dem Buch Sakrale Baukunst in siebenbuergisch-saechsischen Staedten von Hermann Fabini

Zwar mag Sakrale Baukunst in siebenbürgisch-sächsischen Städten auf den ersten Blick den Eindruck eines Dokumentations- und Nachschlagewerks eines Fachmanns für ein Fachpublikum erwecken. Die in über 20 Jahren zusammengetragenen Dokumente, Pläne und Werkzeichnungen lassen in Anbetracht der hochsegmentigen Preisgestaltung durchaus diesen Rückschluss zu.

Dennoch ist die Datenfülle zu politischen, wirtschaftlichen und städtebaulichen Ereignissen nicht nur für Siebenbürgen-Historiker eine wahre Fundgrube. Auch für den Laien bietet sie einen ungeahnten sozialgesellschaftlichen Unterhaltungswert so dass es sich lohnt, jeden Eintrag der sieben Stadtchroniken mit viel Sorgfalt zu lesen. Ich kann deshalb an dieser Stelle der Versuchung nicht widerstehen, ein weiteres Mal aus dem Nähkästchen der Stadtgeschichte von Mediasch zu plaudern: „Die Mediascherinnen will ich die Französinnen Siebenbürgens nennen, denn sie sind häuslich, arbeitsam und schick. […] Sie bleiben ganz der Welt der Frau verhaftet: den Kindern, der Küche, dem Ball und dem Bett.“ (Otto Folberth 1928; S. 183).

Ein aufwendiger Dokumentationsband mit vielseitigem Leserpotenzial

Als inhaltlich außergewöhnlich wertvoll empfinde ich die Kurzbeschreibung nicht mehr existenter Kirchenbauten. Zumindest auf dem Papier entgehen so die aufopferungsvollen menschlichen Bauleistungen dem gänzlichen Vergessen. Dazu gesellt sich als weiterer Pluspunkt die Ausgewogenheit von Bild- und Textmaterial. Wenngleich ich als Nicht-Architektur-Koryphäe ein entsprechendes Glossar vermisse, erfährt das enorme Fabini-Fachwissen mit dem Reichtum an Hochglanzabbildungen ein plastisches Gegengewicht. Sie dokumentieren einerseits die kunstgeschichtliche Bedeutung für die Nachwelt, während sie andererseits an den sinngebenden Zweck der Sakralgebäude erinnern.

Ausschnitt Chronik und historische Stadtbilder von Hermannstadt aus Sakrale Baukunst in siebenbuergisch-saechsischen Staedten von Hermann Fabini

Anerkennenswert ist zudem Fabinis Blick über den Tellerrand hinaus. Ganz der Tradition der siebenbürgischen Toleranz in Glaubensfragen verbunden, sind in Sakrale Baukunst in siebenbürgisch-sächsischen Städten die Kirchengebäude der anderen in Siebenbürgen präsenten Konfessionen gleichfalls vertreten.

All diese Aspekte tragen dazu bei, dass sowohl Architekturexperten, Historiker, Kunstliebhaber als auch Heimatforscher, Ortsverbundene oder Siebenbürgen-Interessierte ihren ganz besonderen Gefallen an dem hochwertig aufgemachten Buch im Leineneinband mit Schutzumschlag finden werden.


Buchcover Sakrale Baukunst in siebenbuergisch-saechsischen Staedten von Hermann Fabini

Sakrale Baukunst in siebenbürgisch-sächsischen Städten

Kategorie: Dokumentations- und Bildband
Autor: Hermann Fabini
Verlag: Monumenta-Verlag & AKSL
Erscheinungsjahr: 2013; 1. Auflage
Ausgabe: Hardcover
Umfang: 280 Seiten
ISBN: 978-973-7969-15-6
Preis: 69,00 €

Die Publikation ist auch über den Schiller Verlag Hermannstadt-Bonn bzw. das Erasmus Buchercafé beziehbar.

Das Cover als auch die Bilder aus dem Buch sind Eigentum des Verlags, Fotografen bzw. sonstigen Rechteinhabers. Die Buchvorstellung ist unbezahlt und unbeauftragt. Das Rezensionsexemplar wurde mir freundlicherweise vom Autor zur Verfügung gestellt. Ein herzliches Dankeschön hierfür. Meine Rezension wurde davon nicht beeinflusst.

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