Innenansicht der Wehrkirche von Malmkrog / Malancrav - er Geheimtipp unter den saechsischen Kirchenburgen
Rumänien,  Unterwegs

Malmkrog / Mâlăncrav – der Geheimtipp unter den sächsischen Kirchenburgen


Der Geheimtipp unter den siebenbürgisch-sächsischen Kirchenburgen liegt abseits jeglicher Hauptverkehrsrouten im südlichen Tal der Großen Kokel (rum. Târnava mare). Die über 600 Jahre alte Wehrkirche der kleinen Ortschaft Malmkrog besitzt nämlich die schönsten und flächenmäßig größten mittelalterlichen Wandmalereien von ganz Siebenbürgen.

Und wer sich daran nicht sattsehen kann, dem stehen für einen längeren Aufenthalt gleich mehrere modern eingerichtete Gästehäuser des unter der Schirmherrschaft von Prinz Charles ins Leben gerufenen Mihai Eminescu Trust (MET) zur Verfügung.

Eine Zeitreise

Die 1000-Seelen-Gemeinde liegt zwar „nur“ 32 Kilometer vom umtriebigen Schäßburg (rum. Sighişoara) entfernt, doch die Fahrt durch die abgeschiedene, romantische Naturlandschaft erweckt den Eindruck einer hundertjährigen Zeitreise in die Vergangenheit.

Ich sehe alles in sepia.
Hoch mit Heu beladene Pferdewagen ruckeln über die unbefestigte Straße durchs Dorf, während von der Anhöhe im Westen die Kirchenglocken ihr Sechs-Uhr-Geläut vernehmen lassen. Sächsischer Dialekt klingt durch die Gassen. Aus den weit geöffneten Hoftoren strömt der Duft von frisch gebackenem Hanklich, und in der untergehenden Abendsonne warten die Alt-Bäuerinnen auf den Steinbänken vor den traufständigen Höfen auf die Rückkehr der Kühe von der Weide.

Das durchgestrichene Ortsschild reißt mich aus meinen Träumen. Die Welt ist plötzlich wieder bunt, die Hauptstraße asphaltiert und ich übers Ziel hinausgeschossen. Also heißt es Kehrtwendung und nach einer Ausschilderung oder einem verräterischen Kirchturm Ausschau halten. Beides rückt kurz vor der Brücke über das Malmkroger Bächlein in Sichtweite. Die Kirchenburg liegt folglich nicht im Ortszentrum auf dem Dorfanger, wenn es in dem Straßendorf überhaupt einen solchen gibt, sondern ein wenig abseits auf einem kleinen Hügel.

Eine eher ungewöhnliche Positionierung für eine Kirchenburg, denn im Falle eines Angriff verloren die Einwohner wertvolle Zeit, um sich hinter den schützenden Mauern in Sicherheit zu bringen.

Deshalb traf ich bei meiner bisherigen Rundreise durch die Siebenbürger Kirchenburgenlandschaft nur in Holzmengen (rum. Hosman), im Harbachtal, auf eine ähnliche geografische Außenseiterposition. Dort hatte sie allerdings einen strategischen Hintergrund. Hier, in Malmkrog, ist die Lage in zweiter Reihe vielmehr einem ungewöhnlichen, geschichtspolitischen Umstand geschuldet.

Ungarischer Adel in Malmkrog

Und dieser Umstand offenbart sich einem, sobald man den kurzen, steilen Anstieg auf die Anhöhe gemeistert hat. Direkt neben der Kirchenburg erwartet den Besucher neben der Kirchenburg nämlich noch ein beeindruckendes, ehemaliges ungarisches Adelsschloss.

Aufstieg zur Kirchenburg von Malmkrog / Malancrav

Diese seltene Konstellation von Kirchenburg und Adelssitz ergab sich durch die besondere Land- bzw. Ständeverteilung in Siebenbürgen als Bestandteil des mittelalterlichen ungarischen Königreichs. Im Gegensatz zum sogenannten freien Königsboden, der andernorts den Siebenbürger Sachsen zur Bewirtschaftung und Selbstverwaltung vom ungarischen König überlassen wurde, befand sich das Gemeindegebiet von Malmkrog seit Beginn des 14. Jahrhunderts im Besitz der Adelsfamilie Apafi.

Der König hatte, neben dem Weiler Halbcragen (der sich im Laufe der Zeit linguistisch zu Malmkrog entwickelte), auch die benachbarten Orte Peschendorf (Stejărenii), Neudorf (Noul Săsesc), Kreisch (Criş), Rauthal (Roandola) und Felsendorf (Floreşti) dem ungarischen Adelsgeschlecht als Entlohnung für seine treuen Dienste übereignet. Demzufolge waren die auf den Landgütern wohnenden Sachsen Leibeigene der Fürstenfamilie.

Nachdem das Adelsgeschlecht Apafi im 18. Jahrhundert ohne direkte Nachkommen ausgestorben war, gingen die Besitztümer zunächst an die verwandte Aristokratenfamilie Bethlen und später an das Haus Haller über. Mit der Abschaffung der Leibeigenschaft Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Bauern ein neues Selbstverständnis zu entwickeln, das sich im dörflichen Erscheinungsbild von Malmkrog widerspiegelte. Prägten in der Vergangenheit Holz- und Lehmhütten das Straßenbild, wichen diese recht zügig soliden Hofbauten mit steinernen Wohnhäusern und Scheunen.

Als Gräfin Susanne Haller, die letzte Besitzerin des Landguts Malmkrog, ihre riesigen Grund- und Ackerflächen 1920 an die Gemeinde verkaufen musste, um die Spielschulden der Familie zu tilgen, bedeutete dies für die Einwohner der endgültige Befreiungsschlag von den aristokratischen Macht- und Besitzverhältnissen.

Vom Adelsschloss zum luxuriösen Gästehaus

Anstelle des Adels kamen 1947 die Kommunisten und beschlagnahmten den ehemaligen Stammsitz der Apafi. Als die diktatorische Ära 1989 das Zeitliche gesegnet hatte, zogen alsbald die neuen Schlossbewohner namens Verwahrlosung und Verfall ein. Zur Jahrtausendwende erkämpfte sich die evangelische Gemeinde erfolgreich das Landgut samt herrschaftlichem Gebäude aus Staatsbesitz zurück. Jedoch verfügte sie über keinerlei finanzielle Mittel, um der Baufälligkeit Einhalt zu gebieten.

Apafi-Schloss in Malmkrog, Siebenbuergen

Zum Glück konnte die Sachsengemeinde den Mihai Eminescu Trust (MET) für das Grundstück mit dem einst so prächtigen Herrenhaus begeistern. Die gemeinnützige Organisation, die sich seit 1990 in unzähligen Projekten für den Schutz und Erhalt des kulturellen Erbes Transsylvaniens einsetzt, erwarb das ruinöse Schloss inklusive Obstgärten. Über vier Jahre zog sich die detailgetreue Sanierung hin, um dem Adelssitz sein glanzvolles Aussehen des 18. Jahrhunderts wiederzugeben. 2007 war es dann soweit. Das außen charmante und innen komfortable Gästehaus konnte endlich der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Direkt neben der Kirchenburg gelegen, verspricht das Bed & Breakfast Idylle und Erholung pur. Und mit der angrenzenden Apfelplantage fühlt man sich dem Paradies schon ziemlich nahe. Da fällt es angesichts der vollbehangenen Bäume schon schwer, nicht von den ertragreichen Früchten des MET-Paradieses zu naschen. Aber selbst wenn man der Versuchung der Batullen, Goldparmänen oder Schöner aus Boskoop nicht widerstehen kann, ist es sicherlich nicht weiter schlimm. Denn gleich nebenan, in der Marienkirche, lässt sich ja vortrefflich Buße tun.

Suedfassade der Wehrkirche von Malmkrog / Malancrav - der Geheimtipp unter den saechsischen Kirchenburgen

Vorsicht ist besser als Nachsicht

Hat man nichts zu beichten, nimmt Hilde Kraft, eine alteingesessene Sächsin, jeden Besucher ihrer Kirchenburg herzlich gerne in Empfang. Mit Hingabe weiß sie alles Wissenswerte zur Geschichte ihres Geburtsorts und der Kirche der heiligen Maria zu berichten.

Malmkrog stand nie ernsthaft im Fokus kriegerischer Auseinandersetzungen. Die Lage im Niemandsland erwies sich als Segen für das verträumte Dorf. Dennoch setzten die Malmkroger im 15. Jahrhundert lieber auf das Motto Vorsicht ist besser als Nachsicht. Die Schreckensnachrichten über die verheerenden Einfälle von Tataren und Türken in den benachbarten Gebieten Siebenbürgens hatten auch im hintersten Tal der Großen Kokel die Runde gemacht. Also erhielt zuerst die Kirche im Bereich des Chores ein Wehrgeschoss, welches allerdings dem großen Brand von 1857 zum Opfer fiel. Einzig das adrette Treppentürmchen neben der Sakristei erinnert heute noch an den Zugang zum überdachten Verteidigungsgang.

Anschließend umgab man die aufgerüstete Wehrkirche mit einem einfachen Mauerring und drei Türmen. Davon wacht heute nur noch der Torturm im Südosten über den Zugang zur Kirchenburg. Die beiden anderen wurden im 19. Jahrhundert abgetragen.

Als markanteste Überbleibsel aus den wehrhaften Zeiten hielt der über 600 Jahre alte Glockenturm bisher allen Widrigkeiten stand. Komplett in das Mittelschiff integriert, bekam er ein auf Hängeböcken ruhendes Wehrgeschoss. Darüber hinaus wurden die Schallfenster der darunter liegenden Glockenstube zu Schießscharten verengt und das spätgotische Spitzbogenportal sicherheitshalber zugemauert.

Glockenturm der siebenbuergisch-saechsischen Wehrkirche von Malmkrog

Vielleicht halfen bereits diese minimalen prophylaktischen Maßnahmen, dass der Kelch der osmanischen Raubzüge an Malmkrog schadlos vorbeiging. Ganz nach dem Regenschirm-Prinzip. Hat man ihn dabei, regnet es garantiert nicht. Aber wehe, man hat ihn vergessen. Dann steigt die Niederschlagswahrscheinlichkeit um 100 Prozent.
Wie auch immer, Fakt ist, dass der Sakralbau über all die Jahrzehnte und Jahrhunderte nur durch Witterungseinflüsse oder Brände Schaden genommen hatte.  

Patronats-, Vasallen und Wallfahrtskirche in Einem

Dank zuletzt in den Jahren 2012-2013 fachmännisch durchgeführten Restaurationsarbeiten besitzt das auffällig lang gestreckte Bruchsteingebäude immer noch das jugendlich-frische Aussehen seiner Entstehungszeit. Initiiert von der Adelsfamilie Apafi erfolgte die Grundsteinlegung der dreischiffigen Basilika um das Jahr 1350. Zunächst entstanden das Hauptschiff samt Chor, während die beiden Seitenschiffe erst ein halbes Jahrhundert später hinzugefügt wurden. Deutlich dominieren bereits gotische Stilelemente wie Spitzbogen, Maßwerk- und Vierpassfenster die Fassade.

Suedfassade der Wehrkirche von Malmkrog / Malancrav - der Geheimtipp unter den saechsischen Kirchenburgen

Die ungewöhnliche Größe des 36 Meter langen Gotteshauses lässt vermuten, dass die Stifterkirche der Apafi, nicht ausschließlich als Gemeindekirche gedacht war. Vielmehr gibt es Hinweise darauf, dass sie als Wallfahrtskirche zu Ehren der ihr geweihten Jungfrau Maria regen Zulauf fand. So haben Pilger im Jahr 1405 ihren Besuch auf der Chorwand eingeritzt. Trotz des geschlossenen Übertritts der sächsischen Gemeinde zum evangelischen Glauben zur Mitte des 16. Jahrhunderts, behielt die Marienkirche den Status einer katholischen Wallfahrtsstätte noch mindestens 200 Jahre bei.

Ich bin jetzt schon angetan von der schmucken, gepflegten Kirchenburg, bevor ich überhaupt nur einen Fuß über die Schwelle der Wehrkirche gesetzt habe. Und nicht minder begeistert bin ich von Hilde Kraft. Die Erzählungen sprudeln nur so aus ihr heraus. Als müsste alles gesagt sein, bevor es zu spät sein könnte.

Das Fresken-Superlativ Siebenbürgens

Während die Kirchenburgen in Birthälm und Tartlau mit immer neuen Besucherrekorden von über 70.000 Touristen von sich reden machen, gehört die Wehrkirche von Malmkrog eher zu den Schlusslichtern der Besuchsstatistik. Nur etwa 500 Besucher finden jährlich den Weg ins abgelegene Mălâncrav. Dabei ist das Schmuckkästchen im Kokelland ein echter Geheimtipp. Ein absolutes Muss für alle Liebhaber gotischer Wandmalerei. Denn gleich zwei Superlative hat die Malmkroger Wehrkirche davon zu bieten.

Innenraum der Wehrkirche von Malmkrog - der Geheimtipp unter den saechsischen Kirchenburgen

Zum einen das 20 Meter lange Fresko im Hauptschiff, bei dem es sich um die größten zusammenhängenden Wandmalereien der siebenbürgisch-sächsischen Kulturlandschaft handelt. Zum anderen der besonders auffällige Wandschmuck, der die komplette Chorwand einschließlich des wunderschönen Steinrippengewölbes bedeckt. Da die Ausmalung des Chores noch vor Beginn des 15. Jahrhunderts vollendet war, wird es von Experten als das älteste Wandgemälde in Transsylvanien angesehen, welches deutliche Stilelemente der höfischen Gotik zeigt.

Insbesondere die Fresken im Chor sind also eine wahre kunstgeschichtliche Offenbarung. Sowohl in Technik, Farbgebung als auch in ihrem narrativen Gehalt. Die Künstler, die vermutlich aus dem Südtiroler Raum stammten, verstanden ihr Handwerk meisterlich.
Für die größeren Flächen und Konturen der Figuren setzten sie die Fresko-Technik ein. Bei der Frischmalerei wurden die zuvor in Wasser aufgelösten Farbpigmente direkt auf den noch feuchten Kalkputz aufgetragen. Dies hatte den Vorteil, dass sich die Farbpigmente bei der Trocknung mit dem Kalkputz verbanden und damit resistenter gegen Verwitterungserscheinungen waren. Nur für die Details benutzten die Kunstmaler das Secco-Verfahren. Der Farbauftrag erfolgte hierbei auf dem trockenen Verputz, wodurch Korrekturen möglich waren. Allerdings blättern die Secco-Malereien viel leichter ab.

bemalte Gewölbedecke der Wehrkirche von Malmkrog - der Geheimtipp unter den saechsischen Kirchenburgen

Ein Traum in Türkis

Die Beherrschung der anspruchsvollen Fresko-Technik leistete sicherlich einen entscheidenden Beitrag zum erstaunlich guten Erhaltungsgrad der Wandmalereien bis zum heutigen Tag. Entscheidend für ihr Überleben war jedoch der Status der Wehrkirche als Wallfahrtsort. Der Respekt vor der Heiligen Maria und den tiefgläubigen Pilgern rettete die grandiosen Fresken vor der obligatorischen Übertünchung während der Reformation. Die überwiegende Mehrheit der ehemals katholischen Kirchen Siebenbürgens hatte hier leider weniger Glück. Immerhin konnten, unter anderen, in den Kirchenburgen von Honigberg (rum. Hărmăn), Dersch (rum. Dârjiu) oder Petersberg (rum. Sânpetru) inzwischen wertvolle Teile dieser kulturgeschichtlichen Zeugnisse wieder ans Tageslicht befördert werden.

Die Ausmalungen im Chor werden von einem kräftigen Türkis dominiert. Farbenfroh, auffallend, edel. Man sagt der türkisen Farbe nach, dass sie viele positive Eigenschaft auf sich vereinigt. Im Blauanteil steckt Verlässlichkeit, die Unendlichkeit des Himmels, Friedfertigkeit und Inspiration. Das Grün fördert hingegen die emotionale Ausgeglichenheit, das Gefühl der Hoffnung und den Kreislauf des Lebens. Türkis besitzt also eine starke psychologische Symbolik, die für einen Kircheninnenraum nicht passender hätte gewählt sein können. Ob sich die Künstler dessen bewusst waren? Oder hatte das ungarische Adelsgeschlecht der Apafi einfach ein Faible für diese ungewöhnliche Farbe?

Chorraum mit Altar in der Wehrkirche von Malmkrog in Siebenbuergen

Geschichten und Heilige zum Nimmersattsehen

Im Chorgewölbe gehen die vier Evangelisten fleißig ihrer Arbeit in ihrer Schreibstube nach. Moralische Unterstützung erhalten sie dabei von ihrem jeweiligen Alter Ego, dem Löwen, Stier, Adler und Engel. Damit sie das Thema ihrer Niederschrift nicht aus den Augen verlieren, spielen sich in unmittelbarer Nähe Szenen aus dem Neuen Testament wie die Verkündigung Mariae, die Geburt Jesu im Stall, das letzte Abendmahl und die Fußwaschung ab. Natürlich dürfen auch die Darstellung der Dornenkrönung und Geißelung sowie die Kreuztragung und Kreuzigung nicht fehlen.

Die Künstler sparten nicht mit Details. Man beachte die kunstvolle, mittelalterliche Rüstung des schlafenden Soldaten, der nicht bemerkt, wie Jesus aus dem offenen Grab aufersteht. Oder die zeitgenössischen Schnabelschuhe des anderen Wächters. Besonders eindrücklich ist auch das Schicksal Judas wiedergegeben. Nachdem er Jesus für 30 Silbergroschen an die jüdischen Hohepriester verraten hatte, setzte er seinem Leben selbst ein Ende. Aufgehängt an einem Baum, kämpfen drei widerwärtige Teufel um die Seele des ehemaligen Jüngers Jesu.

Der Heilige Ladislaus, Stefan und Ludwig IV. - Detail des Freskos an der Chorwand der sächsischen Wehrkirche von Malancrav

Rund um die Lebens- und Leidensgeschichte Christus haben sich zahlreiche Märtyrerinnen, Kirchenväter und Heilige zu Ehren der Heiligen Maria eingefunden. Selbst der französische Monarch Louis IX. hat den weiten Weg an die Chorwand der Wallfahrtskirche in Malmkrog gefunden. Wie auch die beiden heiliggesprochenen ungarischen Könige Ladislaus I. und Stephan I. Selbst wenn die drei Staatsoberhäupter zu unterschiedlichen Zeiten lebten, kämpften sie doch einen gemeinsamen Kampf für den christlichen Glauben. Der religiöse Eifer und die Frömmigkeit des Kreuzfahrerkönigs Ludwig des Heiligen reichten sogar bis in seinen Tod hinein. Es heißt, er soll in derselben Stunde wie Christus gestorben sein.

Die Bilderbibel für Spezialisten

Eine zweite biblische Bildergeschichte bekommen die regelmäßigen Kirchgänger erst seit Beginn des 20. Jahrhunderts wieder zu Gesicht. Die Wandmalereien an der Nordwand des Hauptschiffs waren über drei Jahrzehnte unter einer dicken weißen Kalkschicht versteckt. Zum eigenen Schutz und eigentlich nur für die Dauer notwendig gewordener Instandhaltungsarbeiten im Innenraum. Aber dann gerieten die Fresken aus dem 15. Jahrhundert anscheinend in Vergessenheit. Erst die nächsten Renovierungsmaßnahmen beförderten sie wieder ans Tageslicht. Allerdings büßten sie dabei viel von ihrer ursprünglichen Schönheit und Strahlkraft ein.

53 Einzelbilder, verteilt auf fünf Reihen bringen dem Betrachter die Schöpfungsgeschichte näher. Für ein besseres Verständnis muss das überdimensionale Fresko in Schlangenlinien gelesen werden. Nur so erschließt sich Bibelkundigen die Symbolik der quasi bewussten horizontalen Gegenüberstellung von Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. An dieser Stelle muss ich passen. Mit augenzwinkerndem Verweis auf den schlechten Erhaltungsgrad dieser Wandmalereien.

Die Jungfrau Maria und ihre tapferen Komparsen

Noch mehr Gotik bietet der beeindruckende Flügelaltar eines unbekannten Meisters.
Er gilt als ältester Altar Siebenbürgens, der seit seiner Vollendung 1495 seinen Originalplatz nie verlassen hat. Zentrales Thema ist die Jungfrau Maria, deren Leben und Wirken auf den einzelnen Bildtafeln gewürdigt wird. In den unteren Ecken des Hauptgemäldes verewigte der Künstler das Stifterpaar, Michael und Clara Apafi, zusammen mit ihren Schutzpatronen, dem Erzengel Michael und der Heiligen Clara von Assisi. Auch Maria erhält zu beiden Seiten Unterstützung von vier der mutigsten christlichen Märtyrerinnen, der Heiligen Katharina, Barbara, Agnes und Margareta.

In den Fastenzeiten, also vor Ostern und Weihnachten, wird der Malmkroger Flügelaltar um 180 Grad gedreht. Dann überlässt die prächtige Festtagsseite das Rampenlicht der selten wahrgenommenen Werktagsseite. Sozusagen eine Enthaltsamkeit spiritueller Art. Nur wenige Wochen dürfen die beiden christlichen Drachentöter, der Heilige Georg und der Heilige Michael, ihren großen Leinwandauftritt genießen, bevor sie den Rest des Jahres der Jungfrau Maria im wahrsten Sinnes des Wortes wieder den Rücken vor möglichen Bösewichtern und Ungläubigen freihalten.

Das Heimweh war zu groß

Bevor sich mein Besuch in der Kirchenburg dem Ende zuneigt, erfahre ich von Frau Kraft, dass Malmkrog prozentual zur Einwohnerzahl gesehen, aktuell eine der größten, wenn nicht sogar die größte sächsische Gemeinde von ganz Siebenbürgen ist. Offenbar haben die Malmkroger eine besonders enge Bindung zu ihrem Heimatdorf.

Die Liebe zur Heimat ist eine Sache, erklärt mir Frau Kraft. Aber ebenso wichtig ist das Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Pflege sächsischer Traditionen, der gemeinsame Glaube und die gegenseitige Unterstützung. Dies macht alles ein wenig einfacher. Eine intakte Gemeinschaft gibt Halt. Man kennt sich, man schätzt sich, man kann auf die Menschen zählen. Sicher, in Deutschland locken Wohlstand und Karriere. Aber es ist eben keine Heimat. Ich kann Frau Kraft verstehen.

Selbstverständlich ließen sich nach dem Sturz des kommunistischen Regimes auch zahlreiche Malmkroger von dem Deutschland-Fieber anstecken und zogen weg. Allerdings längst nicht so viele wie in anderen Dörfern, wo 90 % der Sachsenhäuser vom einen auf den anderen Tag verwaist waren. Mittlerweile kehrten einige der Deutschlandabenteurer sogar wieder in ihr geliebtes Tal zurück. Das Heimweh war zu groß…

Herbstwald im Tal der Großen Kokel in Siebenbuergen

Chancen und Perspektiven

Malmkrog besitzt immer noch eine aktive Kirchengemeinde, zu der mittlerweile auch viele eingeheiratete Rumänen bzw. Rumäninnen zählen. Das Erntedankfest steht vor der Türe, und der Kirchenraum ist überaus liebevoll geschmückt. Es gibt einen aktiven Kirchenchor, einmal wöchentlich wird die Messe in deutscher Sprache gefeiert, und die Gemeinde hat ihren eigenen Pfarrer. Noch erstaunlicher finde ich allerdings, dass unter den etwa 70 Malmkroger Sachsen und Sächsinnen, eine junge Generation heranwächst. Stolz erzählt mir Hilde Kraft, dass deshalb noch jedes Jahr eine Konfirmationsfeier stattfindet.

Erntedankschmuck in der Wehrkirche von Malmkrog in Siebenbuergen

Sicherlich werden viele der Heranwachsenden ihr Studium später im Westen absolvieren. Doch das bedeutet nicht, dass sie für immer in Deutschland bleiben wollen. Ihre Wurzeln sind in Siebenbürgen und dahin zieht es bestimmt einige wieder zurück. Zumindest diejenigen, die für sich und ihre Heimat eine Perspektive sehen. Möglichkeiten und Chancen gibt es genug. Sowohl in Siebenbürgen als auch in Malmkrog.


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Verein Kulturerbe Kirchenburgen e.V.

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