Torres del Río und die Heilig-Grab-Kirche
Auf meinen Streifzügen quer durch Navarra bin ich durch zahlreiche gesichtslose Orte gekommen. Orte, ohne Ecken und Kanten, ohne spektakuläre, umwälzende historische Begebenheiten, ohne himmlische Erscheinungen oder Wunder, denen man in Spanien ansonsten so häufig begegnet.
Torres del Río ist ein solcher Ort. Ein konturloses, unaufgeregtes 150-Seelen-Dorf. Die fünf Türme, die einst der Stadt am Río Linares ihren Namen gaben und nach wie vor stolz das Stadtwappen schmücken, sind heute nicht mehr als eine wehmutsvolle Reminiszenz an die Vergangenheit. Sie haben sich praktisch in Luft aufgelöst, gleich dem Fluss, der zu einem seichten, namenlosen Wasserlauf verdunstet ist. Vielleicht auch besser so, denn „das Gewässer, das durch Torres auf navarresischen Boden fließt, tötet Pferde und Menschen, die daraus trinken“, wusste schon der berühmte Pilgerführer aus dem 12. Jahrhundert, der Codex Calixtinus, zu berichten.
Und dennoch mache ich mich an einem kalten, wolkenverhangenen Vormittag auf den Weg in die vorletzte Station auf dem Jakobsweg durch Navarra. Meine Motivation: die Heilig-Grab-Kirche, um die sich mindestens so viele Legenden ranken wie das Gebäude Ecken hat.
Eine Schnitzeljagd mit offenem Ende
Neben der Kapelle des Heiligen Geistes von Roncesvalles und der Iglesia Santa María de Eunate zählt die Iglesia del Santo Sepulcro zu den wenigen Zentralbauten Navarras.
Für ihre erste gesicherte Erwähnung sorgte kein geringerer als Papst Innozenz III. im Jahre 1215. Dies lässt vielsagende Rückschlüsse auf ihre bedeutende Rolle im Mittelalter zu, wirft allerdings im selben Atemzug genauso viele Fragen in den oktogonalen Raum.
- Was war der Bestimmungszweck der kleinen Kirche am Jakobsweg?
- Warum lenkte sie die Aufmerksamkeit des Papstes auf sich?
- Wer war(en) ihr(e) Auftraggeber?
- Weshalb wurde sie nicht als Längsbau konzipiert?
- Wieso weist sie ausgeprägte mudejare Stilelemente auf?
Fragestellungen, die bis zum heutigen Tage mangels schriftlicher Aufzeichnungen oder offizieller Dokumente, eine Antwort schuldig geblieben sind. Also genau der richtige Ort für mich!
Ich liebe es, Recherchen anzustellen, Tatsachen als auch Mythen zusammenzutragen, Theorien zu erarbeiten, um sie anschließend auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls wieder zu verwerfen. Dann heißt es weitersuchen, jeden Stein zweimal umdrehen, die einzelnen Puzzleteile zusammenfügen, damit sich, idealerweise (zumindest in meiner Vorstellungswelt), ein schlüssiges Bild ergibt. Ob ich dabei am Ende der historischen Wahrheit nähergekommen bin, liegt im subjektiven Auge des Betrachters. Angesichts der in manchen Fällen aussichtslosen Aufklärungsquote ist dies zweitrangig. Vielmehr ist in diesen Fällen der berühmte Weg das Ziel für mich.
Ofelia – 666 98 82 55
Die Anfahrt über Los Arcos ähnelt einer Achterbahn für Anfänger. Für einen kurzen Moment habe ich das vor mir fahrende Auto noch im Blick, dann wird es schon von einer Talsenke verschluckt, um nur wenige Sekunden später wie aus dem Nichts wieder vor meinen Augen aufzutauchen. Kaum hat es sich die nächste Steigung hochgearbeitet, existiert es binnen eines Wimpernschlags nur noch in meiner Fantasie. Die Strecke gestaltet sich auf diese Weise derart kurzweilig, dass ich im Handumdrehen meinen Zielpunkt erreiche.
Und dieses Mal habe ich sogar Gesellschaft. Eine kleine Menschentraube hat sich bereits vor dem Mitten im Dorfzentrum, gut versteckten architektonische Kleinod postiert.
Wie ich erfahre, warten alle ungeduldig auf das Eintreffen von Ofelia – 666 98 82 55. So steht es zumindest auf einer ausgebleichten Notiz an der Eingangstüre zur Iglesia del Santo Sepulcro. Im Sauseschritt kommt die Dame mit der Schlüsselgewalt herbeigeeilt. Die bescheidenen Zahlungsformalitäten sind schnell erledigt, sodass sich die winzige, achteckige Kapelle in Sekundenschnelle füllt. Bereitwillig verschafft uns Ofelia – 666 98 82 55 einen straffen Überblick über die kunsthistorischen Höhepunkte der Heiliggrabkirche.
Die heilige Zahl 8
Als Erstes lenkt Ofelia unsere Blicke Richtung Himmel, um das steinerne Sternenzelt über unseren Köpfen zu betrachten. Ausgehend von einem achteckigen Stern im Zentrum, ergießt sich über die Gewölbedecke eine elegante Kaskade von vierkantigen Rippen, die sich mit einer Leichtigkeit kreuzen, überlagern oder untereinander hindurchtauchen. Eine in ganz Navarra einzigartige Kuppel und ein Meisterwerk mudejarer Architektur.
Ofelia macht uns auf ein interessantes Detail aufmerksam. Ob wir, trotz des optischen Wirrwarrs das die Gewölbedecke wie in Spinnennetz überzieht, bemerkt hätten, dass hier strenge geo- und stereometrische Regeln herrschen, in denen die Zahl „8“ eine große Rolle spielt?
Acht Gewölberippen laufen in jeweils acht Rundsäulen aus, die den starken Schubkräften des Kuppelgewölbes entgegenwirken. Neben der statischen Funktion unterstreichen sie die vertikale Ausrichtung des Gebäudes. Ein typisches Charakteristikum der Mudejar-Kunst, in der alles dem Himmel entgegenstrebt, während beim romanischen Baustil Länge und Breite dominieren. Außerdem befinden sich acht kunstvoll verzierte Miniaturfenster zwischen den acht auseinanderlaufenden Bogenpaaren, die das Gewölbe mittragen.
Welchem Zweck dienten diese Gewölbeöffnungen, die allesamt von einer in Stein gemeißelten Silhouette der Heiliggrabkirche von Jerusalem gekrönt werden? Wurden sie aus praktischen oder spirituellen Erwägungen geschaffen? Ofelia erklärt uns, dass es verschiedene Theorien hierzu gibt. Möglicherweise stellten sie eine ausreichende Luftzirkulation sicher, um die Ausdünstungen verschwitzter Pilger oder aufgebahrter Leichname in einem erträglichen Rahmen zu halten. Andererseits konnte der Heilige Geist durch die Minifenster nach Belieben ein- und ausgehen und auf diesem Wege ungehindert die Seelen der Verstorbenen ins Himmelreich mitnehmen. Eine Idee, die mir trotz meiner antispirituellen Überzeugung, ganz gut gefällt.
Kunsthistorische Kleinode
Vom Kuppelgewölbe weg, weist Ofelia auf die kleine, geschnitzte Christusfigur vor dem schmalen Rundbogenfenster des Chorraums. Aus den Anfängen des 13. Jahrhunderts stammend, besitzt sie die typischen romanischen Erkennungsmerkmale. Der Gekreuzigte ist mit vier Nägeln an einem byzantinischen Holzkreuz befestigt. Als sichtbares Zeichen des Triumphes über den Tod trägt er keine Dornen- sondern eine mit aufgemalten Edelsteinen verzierte Königskrone. Sein Körper ist abgemagert, sein Haupt leicht zur Seite geneigt und die Augen friedvoll geschlossen. Seine Gesichtszüge sind entspannt. Er leidet nicht mehr. Diese Phase hat er bereits hinter sich gelassen. Zwar scheint das Blut unaufhörlich aus seinen Wunden zu fließen, doch an den Armen formt es sich zu grazilen Rankenpflanzen als Symbol für Wachstum und ewiges Leben.
Das Thema Kreuzigung führt das außergewöhnlich gut erhaltene Kapitell linker Hand der halbkreisförmigen Apsis fort. Es zeigt die Kreuzabnahme durch Josef von Arimathäa flankiert von Maria, die den Arm ihres toten Sohnes hält und Nikodemus, der damit beschäftigt ist, den Nagel aus der anderen Hand Jesu zu entfernen.
Und wo Jesus ist, können auch die 12 Apostel nicht weit sein. Ungewöhnlich ist nur, dass sie in Torres del Río ihrem Lehrmeister nicht figürlich zur Seite stehen. Vielmehr haben sie sich auf den Rippenbögen der Kuppel handschriftlich verewigt. Zumindest bei Petrus, Paulus, Andreas, Iacobus, Iohanes und Tomas kann man von der Ewigkeit sprechen. Die Namen der übrigen Jünger sind nicht mehr als ein Schatten ihrer selbst.
Die Ritter vom Heiligen Grab
Abschließend stellt uns Ofelia noch die beiden aufmerksamen Hüter der Heilig-Grab-Kirche von Torres del Río vor. Es handelt sich um zwei wahrlich monströse Kreaturen am Eingangsbogen zum Chor, die noch Spuren des einstigen polychromatischen Farbüberzugs tragen.
Während die Bestie auf dem rechten Kragstein mit gespitzten Ohren, weit aufgerissenen Augen und einem riesigen, geöffneten Schlund noch auf der Suche nach seinem nächsten Opfer ist, war das Ungeheuer auf der linken Seite bei seiner Jagd nach Frischfleisch bereits erfolgreich. Zwischen den scharfen Reißzähnen gibt es für das Opfer kein Entkommen mehr. Blutunterlaufene Augen zeigen an, dass der Hunger des Karnivors noch längst nicht gestillt ist. Besser ich mache mich wieder auf den Weg nach draußen, bevor das Monster seine Vorspeise verschlungen hat und sich auf die Suche nach einem geeigneten Hauptgericht macht.
Durch das nach Süden gerichtete Portal verlasse ich Santo Sepulcro. Dabei fällt mir oberhalb des Türsturzes eine Variante des Patriarchenkreuzes auf. Das Doppelkreuz lässt sich mit keinem der beiden Ritterorden in Zusammenhang bringen, die als potenzielle Eigentümer der Kirche gehandelt werden. Die Rede ist von der Bruderschaft vom Heiligen Grab zu Jerusalem und den Tempelrittern.
In zwei Niederschriften aus dem Jahre 1258 bzw. 1325 werden die Ritter vom Heiligen Grab zu Jerusalem als Besitzer der Kapelle erwähnt. Die papiernen Zeitzeugen bestätigen damit, was die zahlreichen Abbildungen der Grabkirche von Jerusalem im Innern der Kapelle schon vermuten ließen. Gleichzeitig liefern sie die Erklärung zur Rolle des Papstes in der Geschichte der kleinen Kirche, da der christliche Orden seit Gründung unter päpstlichem Patronat stand und immer noch steht.
Damit mache ich für mich einen Haken hinter die zeitweilige Eigentümerfrage. Aber kommt die Ritterschaft vom Heiligen Grab auch als Bauherr in Frage? Ich hege meine Zweifel, denn die ersten Kreuzfahrer trugen das Jerusalemkreuz auf ihrem Habit.
Die Tempelritter-Theorie
Ich bin nicht wirklich überrascht, dass die Iglesia del Santo Sepulcro in einem Atemzug mit dem Templerorden genannt wird. Denn sobald es geheimnisvoll und mystisch wird, sobald es auf zu viele Fragen keine befriedigenden Antworten gibt, werden die Tempelritter auf den Plan gerufen. Natürlich spielt die achteckige Konstruktion der Kirche dieser Hypothese ebenfalls in die Karten. Denn die Zuordnung oktogonaler Bauten zum Templerorden hält sich hartnäckig, obwohl mittlerweile nachgewiesen wurde, dass die wenigsten achteckigen Bauten in Spanien auf den Kreuzritter-Orden zurückgehen.
Wesentlich mehr Potenzial für die Templer Theorie liefert dagegen die Interpretation des bereits erwähnten Kapitells mit der Kreuzabnahme Jesu. Josef von Arimathäa agiert als zentrale Person dieser Szene.
In seinem Felsengrab wurde Jesus beigesetzt und er war auch derjenige, den man wegen Diebstahl des Leichnams Jesu zu 40 Jahren Haft verurteilte. Im Gefängnis erschien Jesus dem zu Unrecht Verurteilten. Er lieferte Josef von Arimathäa damit den Beweis für seine Auferstehung und überreichte ihm zudem den Heiligen Gral, also den Kelch, in dem Josef das Blut Jesu nach dessen Kreuzigung aufgefangen hatte.
Aus der Haft entlassen, machte sich Josef auf den Weg nach England. Er verscharrte den Heiligen Gral in der Nähe eines kleinen Gotteshauses in der Grafschaft Somerset. An dieser Stelle entsprang später die Quelle Challice Well, aus der seither rötlichfarbenes Wasser sprudelt. Zumindest besagt dies die Legende. Und ich möchte an dieser Stelle kein Spielverderber sein, und die Illusion bzw. das Geheimnis um die rote Wasserfärbung lüften.
Nun, da die Templer bekanntermaßen als Hüter des Heiligen Grals auftraten, wäre dies ein plausibler Brückenschlag zwischen dem populären Ritterorden und der Kapelle in Torres del Río. Zugegebenermaßen ist diese These über acht Ecken gedacht und über eintausendfünfhundert Kilometer weit hergeholt. Und da keine weiteren Indizien für eine Templerzugehörigkeit existieren, heißt es schweren Herzens von dieser Vorstellung Abstand nehmen.
Ein Erklärungsversuch – oder der dritte Unbekannte
Folglich muss noch eine dritte Partei mit von der Partie gewesen sein, die alle erforderliche Kriterien für einen Besitzanspruch der Heiliggrabkirche in Torres del Río erfüllt. Sie muss zur Entstehungszeit der Kapelle, im ausgehenden 12. Jahrhundert, aktiv gewesen sein, einen Bezug zur namengebenden Grabeskirche in Jerusalem haben und sich mit dem Patriarchenkreuz identifizieren.
Bingo! In diesem Fall führen nicht alle Wege nach Rom, sondern zu den Chorherren vom Heiligen Grab. Eine Laienbruderschaft, die sich durch ihre Verehrung für das Heilige Grab hervorhob, Pilgern medizinische und seelische Hilfe zukommen ließ und auch in Spanien tätig war.
Manchmal kann die Lösung derart einfach sein, dass man den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Für mich persönlich ist damit die Frage nach der Patenschaft des architektonischen Juwels am Jakobsweg geklärt. Möglich, dass meine Version nicht die ganze Wahrheit enthält, aber sie ist auf jeden Fall ein vielversprechender Ansatz für weitere Thesen und Antithesen.
Die Schnitzeljagd geht weiter
Zurück im Tageslicht gilt es weitere Antworten auf die eingangs gestellten Fragen zu finden. Vielleicht hilft eine eingehende architektonische Begutachtung dem Bestimmungszweck des kleinen Gotteshauses auf die Spur zu kommen?
Zunächst die Fakten.
Der Bau der Kapelle wird auf das ausgehende 12. Jahrhundert geschätzt. Hierfür gibt es gleich mehrere Anhaltspunkte. Erstens, das eingangs erwähnte päpstliche Dokument aus dem Jahre 1215. Zweitens, das beinahe schmucklose Äußere als deutliche Anlehnung an die strenge Zisterzienserarchitektur, die damals ihrem Höhepunkt zustrebte. Und dazu die mudejare Stilelemente mit dem Kuppelgewölbe, den von Säulen getragenen Rundbögen und den vergitterten Fensteröffnungen.
Während ich also die Fassade aus allen Blickwinkeln in Augenschein nehme, fällt mir auf, dass mir nichts auffällt. Es fehlt etwas. Und dieses Fehlen beweist mehr als sein mögliches Vorhandensein. Es ist die fast völlige Abstinenz von Steinmetzzeichen. Ein Indiz, dass maurische Baumeister in Lohn und Brot für christliche Auftraggeber standen. Die Muselmanen bevorzugten die umgehende Entlohnung nach geleistetem Tagewerk. Damit erübrigte sich die übliche Markierung der verarbeiteten Steine.
Diese Erklärung liefert allerdings immer noch keine Antwort auf die Frage nach dem achteckigen Grundriss, der sich bis unter das Dach des turmartigen Aufsatzes fortsetzt. Schon die Schlüsselherrin von Santo Sepulcro, Ofelia, machte uns auf die heilige Zahl „8“ aufmerksam, die sich wie ein roter Faden durch die Kapelle zieht. Vielleicht doch ein subtiler Hinweis auf Neubeginn und Unendlichkeit, die Sinnbilder der Zahl „8“? Santo Sepulcro, eine Taufkirche ohne Taufbecken und mit einem Namen der vielmehr dem Lebensende als einem neuen Leben huldigt?
Die Heilig-Grab-Kirche – eine Begräbniskirche?
Es gibt noch eine heilige Zahl, die mir bei genauem Hinschauen ins Auge springt. Das Gebäude lässt sich in drei Teile gliedern: den Zentralbau, den Treppenturm und die Apsis. Drei Weisen aus dem Morgenland brachten drei Geschenke, Petrus verleugnete Jesus dreimal, dieser ist am dritten Tage auferstanden von den Toten und die Welt wäre eine bessere, wenn jedermann die drei göttlichen Tugenden Glaube, Liebe, Hoffnung leben würde.
Aber es kommt noch besser. Das Hauptgebäude als auch die Kuppel werden ihrerseits durch schmale Gesimsbänder in zweimal drei horizontale Abschnitte getrennt. Setzt man die Ziffer „3“ zweimal hintereinander, erhält man die Zahl 33, das Todesjahr Jesu. Liegt hier der Schlüssel zum Weihenamen und dem Bestimmungszweck der Kirche? Santo Sepulcro eine Begräbniskirche und der Kuppelaufsatz zur Aufbewahrung des Ewigen Lichts für die Seelen der Verstorbenen?
Immerhin beförderten Ausgrabungen mehrere äußerst wohlhabend gekleidete Leichname zu Füßen des Kirchenfundaments zu Tage. Fragt sich nur, wer war zuerst hier? Die Toten oder die Kapelle? Die Henne oder das Ei?
Möglicherweise war der Turmaufsatz, die sogenannte Laterne, primär zur Rettung verirrter Seelen gedacht. Und dies nicht im spirituellen, sondern ganz praktischem Sinne. Ein Leuchtturm, ein Orientierungspunkt in der Dunkelheit der Nacht für vom Weg abgekommene Pilger. Nicht umsonst öffnen sich die vier Rundbogenfenster exakt in die vier Himmelsrichtungen. Allerdings liegt Santo Sepulcro nicht auf einer Anhöhe, sodass die Laterne tatsächlich weithin sichtbar gewesen wäre. Und weshalb finden sich keinerlei Spuren von Ruß an der Turmdecke?
Die Iglesia del Santo Sepulcro bleibt ein Mysterium
Als ich auf dem Rückweg den letzten Streckenabschnitt meiner Anreise von Los Arcos nach Torres del Río Revue passieren lasse, erkenne ich plötzlich dessen Symbolträchtigkeit. Die sich in langen, mäanderförmigen Wellen dahinziehende Landesstraße verkörpert weit mehr als ein infrastrukturelles Bindeglied zwischen zwei Punkten auf der Landkarte Navarras. Das alternierende Auf und Ab war eine Vorwegnahme. Ein Abbild der obskuren Geschichte der Iglesia del Santo Sepulcro mit ihrer geringen Bandbreite an greifbaren Tatsachen und einem großen Raum für Spekulationen.
Und so stehe ich wieder ganz am Anfang meiner Überlegungen. Der Fragenkatalog ist nicht kleiner geworden. Im Gegenteil. Ich gebe mich geschlagen. Frustriert ziehe ich weiter. Nein, ich gehe nicht über Los und ziehe auch keine 4000 Euro ein.
Torres del Río (Comunidad Foral de Navarra), April 2011