Die Bildteppiche des Strassburger Münsters – Szenen aus dem Leben der Jungfrau Maria (Teil II)
Alle Jahre wieder… Pünktlich vor dem ersten Adventssonntag öffnete der Straßburger Weihnachtsmarkt mit dem traditionellen Christkindelsmärik seine Pforten. Ein gigantischer Tannenbaum überragt seitdem festlich geschmückt den Place Kléber und aus den über die Altstadt verteilten Chalets duftet es verführerisch nach weihnachtlichen Gewürzen, Lebkuchen und Glühwein. Mein Lieblingsort in der Capitale de Noël, der selbst ernannten Weihnachtshauptstadt, ist in dieser besonderen Zeit des Jahres das Straßburger Münster. Abseits der kunsthandwerklichen und kulinarischen Angebote findet sich hinter den schweren Türen der dezent illuminierten Kathedrale noch der Zauber der Weihnacht. Dabei zieht mich nicht nur die berühmte Krippe in ihren Bann, sondern vor allem die 14 kostbaren Marien-Bildteppiche.
Ihre spannende Vergangenheit habe ich bereits im Blogbeitrag „Die besondere Geschichte der Bildteppiche des Straßburger Münsters (Teil I)“ gelüftet. Nun setze ich meine Entdeckungsreise der Tapisserien mit den Bildinhalten und ihrer künstlerischen Umsetzung fort. Aber keine Angst. Es gibt weder eine Lektion in Sachen Heilige Schrift noch Kunstgeschichte. Vielmehr schenke ich mein Augenmerk anachronistischen Eigentümlichkeiten, Auswüchsen des Zeitgeschmacks und jeder Menge künstlerischer Freiheiten. Halten wir uns also nicht lange auf, denn nach dem Fest der Heiligen Drei Könige am 6. Januar tritt das gewirkte Marienleben wieder seinen Weg in die Schatzkammer des Liebfrauenmünsters an. Bis zum nächsten Advent.
Die Geburt der Jungfrau Maria – Bildteppich 1
Ganz anders als erwartet, spielt sich die Szene der Geburt Marias nicht in dem schlichten Heim des Schäfers Joachim im vorchristlichen Palästina ab, sondern in einem nobel ausgestatteten Patrizierhaus des 17. Jahrhunderts. Hohe Fenster lassen die letzten wärmenden Herbstsonnenstrahlen herein, im prunkvollen Kamin lodert zusätzlich ein wohliges Feuer (wohlgemerkt es ist der 8. September!), eine goldene Kanne und kupferne Wanne stehen im Vordergrund für ihren Einsatz bereit.
Wir platzen mitten hinein ins Geschehen. Die Heilige Anna hat soeben entbunden. Wir sehen, wie eine Dienerin durch eine Hintertüre davoneilt, um die gebrauchten Laken zu entsorgen. Zwei Freundinnen kümmern sich um die erschöpfte Wöchnerin in ihrem prächtigen Baldachinbett. Eine Hebamme ist ebenfalls schon zur Stelle. Solange sie noch nicht gebraucht wird, stillt sie ungeniert einen anderen Säugling. An der Türschwelle verharrt in Ehrfurcht erstarrt der überglückliche Vater Joachim. Vierzig Jahre zählt er und sieht doch aus wie ein Greis. Das Hauptgeschehen spielt sich jedoch im linken Bildabschnitt ab. Maria hat nach sieben Monaten das Licht der Welt erblickt. Ein ganzer Hofstaat an reinen Frauen umsorgt und bestaunt das Baby im Strahlenkranz. Dazu begrüßt eine aufgeregt herumtollende Engelschar die spätere Gottesgebärerin und bringt ihr die Krone der Himmelskönigin dar.
Darstellung Mariä im Tempel – Bildteppich 2
Drei Jahre sind vergangen. Joachim und Anna lösen ihr Gott gegebenes Versprechen ein. Inmitten einer zeitwidrigen, griechisch-römischen Tempellandschaft übergeben sie ihre Tochter dem Hohepriester zur Erziehung in der Gemeinschaft anderer Jungfrauen. Erwartungsfroh blickt Maria ihrem zukünftigen Lebensabschnitt entgegen. Ihre Körperhaltung verrät kein Zögern, keine Traurigkeit, keine Angst im Stich gelassen zu werden. Die großgewachsene Dreijährige blickt sich nicht einmal zu ihren Eltern um.
An den Rand gerückt und dennoch nicht zu übersehen sind sowohl die Opferlämmer als auch der in Rot gekleidete Geldwechsler. Diese Berufsgruppe hatte damals ihren festen Platz im Tempel. Sie tauschten nicht nur die fremdländischen Münzen von Pilgern und Kaufleuten in heimische Währung um, sondern kassierten auch die jährliche Tempelsteuer von einem halben Schekel. Diese Münze galt als heiliges Geld, weshalb auch nur mit ihr die angebotenen Opfertiere, zumeist Tauben und Lämmer, bezahlt werden konnten. Da die Geldwechsler ihre offizielle Funktion ausnutzten, um in ihre eigenen Taschen zu wirtschaften, warf Jesus sie im Matthäus- und Markusevangelium hochkant aus dem Tempel. Das Haus des Herrn war keine Räuberhöhle!
Die Hochzeit von Maria und Josef – Bildteppich 3
Ein weiterer Zeitensprung. Maria ist zu einer jungen Frau herangewachsenen. Je nach apokrypher Quelle muss sie mit 12 bzw. 14 Jahren die Obhut des Tempels verlassen, bevor sie ihn menstruierend verunreinigt. Dies versteht sich natürlich symbolisch. Der Hohepriester macht sich deshalb auf die Suche nach einem geeigneten Mann, dem er die Jungfräulichkeit Marias anvertrauen kann. Er lässt alle Witwer des Landes zusammenrufen, damit das Staborakel den Auserwählten zu erkennen gibt. Der letzte Trumpf sticht. Nur der Stab des Zimmermanns Josef erblüht und eine Taube schwingt sich daraus gen Himmel empor. Damit ist die Heirat beschlossene Sache.
Auf dem Wandbehang übergibt der Hohepriester vor dem Tempel die keineswegs mehr mädchenhaft wirkende Jungfrau dem Nachfahren Davids. Erbost darüber, nicht das große Los gezogen zu haben, zerbricht ein weiterer Heiratsanwärter seinen verdorrten Stab. Josef dagegen, immer noch das blühende Beweismittel in der linken Hand haltend, streift Maria den Vermählungsring über. Allerdings nach jüdischer Tradition am falschen Finger. Hatte der Maler etwa seine Hausaufgaben nicht gemacht?
Ein Wandteppich voller Rätsel
War ihm mehr daran gelegen, anhand der bis zum Horizont reichenden Tempelkulisse und dem korinthischen Säulendekor sein perspektivisches Können unter Beweis zu stellen? Und welche Rolle gedachte der Künstler der knienden Frau mit der unzüchtig entblößten Brust zu? Hatte die Hochzeitszeremonie sie beim Stillen des Säuglings unterbrochen? Sollte sie andeuten, welche Aufgabe Maria in Kürze erwarten würde? Ebenso kryptisch erweist sich das Erscheinungsbild der danebenstehenden Frau mit pompöser Schleppe und einer aus dem 17. Jahrhundert zeitgereisten Hochsteckfrisur.
Ein noch größeres Rätsel bleibt jedoch die Frage, warum die Brabanter Manufaktur bei ihrer Wirkarbeit sowohl farblich als auch im Detail von der gemalten Vorlage abwich? War ihr das rote Garn ausgegangen? Im Vergleich zu Jacques Stellas Gemälde besitzt der gelbstichig blasse Wandteppich leider nichts von der Strahlkraft, die dem Anlass angemessen wäre. Dafür ist der Putto, der sich von der unteren Bordüre vorwitzig-neugierig in das Geschehen hineinlehnt, schlichtweg unbezahlbar.
Mariä Verkündigung – Bildteppich 4
Kurz nach ihrer Hochzeit erhält Maria Besuch vom Engel Gabriel. Auf einer Wolke kommt er durch das offene Fenster in ihr Zimmer hereingeschwebt. Mit der Lilie als Symbol der Reinheit in der ausgestreckten Hand verkündet er ihr die Empfängnis des Gottessohns. Mit dem rechten Arm macht er auf seinen himmlischen Auftraggeber aufmerksam, der im selben Moment den Heiligen Geist in Form einer Taube auf Maria hinabsendet. Demütig nimmt die Heilige Jungfrau ihre Rolle als Gottesgebärerin an.
Mariä Heimsuchung – Bildteppich 5
Bereits schwanger, begibt sich Maria auf eine beschwerliche Reise in die Berge zu ihrer Cousine. Geteiltes Glück ist doppeltes Glück, zumal die betagte Elisabeth ebenfalls ein Kind unter ihrem Herzen trägt. Beim Anblick Marias erkennt Elisabeth in ihr sofort die Mutter Gottes und kniet mit den berühmten Worten nieder: „Gesegnet bist du unter den Frauen und gesegnet ist die Frucht deines Leibes. Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?“. Daraufhin stimmt Maria das Magnifikat an, einen Lobpreisgesang auf Gott, dessen Wortanfang die Engel auf einem Spruchband anstelle einer Sprechblase kundtun.
Um der zwar bedeutungsvollen, aber inhaltlich dürftigen Szene ein wenig mehr Gestalt zu verleihen, griff der Barockmaler Poerson auf eine gute Portion Einfallsreichtum zurück. Er schickt Josef als Beschützer Marias mit auf den Weg, was ihm erlaubt, eine Begegnung unter Männern zu inszenieren. Allerdings bleibt unklar, auf welche Art und Weise sich Zacharias mit Josef austauscht. Seit er von den anderen Umständen seiner Frau erfuhr, hat es ihm aus Ungläubigkeit die Sprache verschlagen. Erst nach der Geburt seines Sohnes Johannes des Täufers kommt er wieder zu Wort. Zusätzlich schenkt der Maler dem treuen tierischen Begleiter des Paares seinen wohlverdienten Auftritt. Sogleich macht sich das langohrige Lasttier über die karge Vegetation her, während in der Bilddiagonalen eine Dienerin vor lauter Staunen den Mund nicht mehr zubekommt.
Die Geburt Christi – Bildteppich 6
Höhle oder Stall? Evangelium oder Apokryphen? Eine Entscheidung, die dem Maler bei der Geburt Jesu offensichtlich schwerfiel. Das Ergebnis ist ein symbiotisches Setting mit klassizistischen Stilelementen. Eine Art Tempelruine in einer weitläufigen Höhle mit Ausblick auf eine bergige Landschaft, dazu ein Stallambiente mit Ochs und Esel.
Derweil Maria und eine kleine Schar Engel in Vertretung des himmlischen Vaters dem Jesuskind auf dem strohbedeckten Futtertrog huldigen, gibt sich Josef nachdenklich. Er führt im wahrsten Sinne des Wortes nur ein undankbares Schattendasein. Dabei ist er doch der heimliche Held der Geschichte oder etwa nicht? Er war es doch, der Maria nicht fortschickte, obwohl sie nicht von ihm schwanger war. Bewahrte er sie und ihr Ungeborenes dadurch nicht vor der Steinigung? Anstandslos hatte er ebenso die Demütigungen erduldet, das Prüfungswasser getrunken und sich sogar in die Wüste schicken lassen, nur um zu beweisen, dass er die Jungfrau nicht angerührt hatte. Und was hatte er nun davon?
Selbst die herbeieilenden Hirten dürfen sich im Scheinwerferlicht sonnen. Sie wurden extra von den Engeln des Herrn gerufen, um den Heiland zu sehen. Doch warum gerade diese sozialen Absteiger ohne Bleibe, ohne Leumund? Nur weil sie viel herumkommen? Ideale Multiplikatoren der Frohen Botschaft sozusagen? Vielleicht geht Josef bald ein Licht auf, sodass er seine düsteren Gedanken abschütteln kann: Jesus, der Erlöser, ist für alle Menschen da. Und nur wer Gutes tut, ohne etwas zu erhoffen, dessen Lohn wird groß sein.
Die Anbetung der Heiligen drei Könige – Bildteppich 7
Anstelle der Hirten, auf die der Evangelist Lukas setzte, rief Mätthaus die Sterndeuter zu Jesu Krippe. „Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar“. Drei Geschenke, also drei Weisen, ergab die Schlussfolgerung im 3. Jahrhundert. Um die drei Magier nicht namenlos durch die Weihnachtsgeschichte reisen zu lassen, gab man ihnen dreihundert Jahre später die Namen Kaspar, Melchior und Balthasar. Doch war ihr Schicksal noch längst nicht besiegelt. Aus den Sterndeutern wurden im Laufe der Zeit Weisen, dann Könige und zu guter Letzt Heilige Könige, obwohl sie nie offiziell kanonisiert wurden. Laut Matthäus kamen die Sterndeuter aus dem Osten, dem Morgenland. Dennoch scheute man nicht, sie und damit ihr Aussehen vor den Karren der damals bekannten Erdteile Europa, Asien und Afrika zu spannen. Bis heute herrscht allerdings immer noch Uneinigkeit darüber, welcher König nun welchen Kontinent vertritt.
Zur Halbzeit des Wandteppich-Zyklus bringen die drei Weisen erwartungsgemäß ihre Geschenke dar. Weihrauch als Symbol der Göttlichkeit Jesu, Myrrhe für den Triumph über den Tod und Gold, wie es für einen König angemessen ist. Dann gehen dem Künstler einmal mehr die Gäule durch. Das 13 Tage alte Jesuskind sitzt bereits aufrecht auf seiner Mutter Schoß und nimmt freudig die Gaben entgegen. Maria lächelt nachsichtig, indes Josef in manieristisch vollendeter Verrenkung ihr den Rücken stärkt, obwohl die Bibel seine Anwesenheit verschweigt. In den Kulissen der Tempelruine herrscht ein diffuses Getümmel. Der Begleitschutz der Sterndeuter prescht hoch zu Ross mitten in die Anbetung hinein. Eine riesige, gestreifte Standarte oder ist es ein Vorhang (?) zieht den Blick des Betrachters auf sich. Alle übrigen Figuren inklusive Hintergrund bleiben seltsam vage und unfertig, so als ob dem Maler die Muse abhandengekommen wäre.
Mariä Lichtmess – Bildteppich 8
Der Horror vacui, die Angst des Malers vor der Leere, setzt sich nach 40 Tagen fort. Es ist Zeit für die rituelle Reinigung Mariä nach der Geburt sowie die Darstellung des Erstgeborenen im Tempel. Als Opfergabe hält Josef zwei Tauben in einem geflochtenen Korb bereit. Der Prophet Simeon erkennt in Jesu den verheißenen Erlöser, nicht ohne kryptische Vorhersagen über dessen Lebensweg und das damit einhergehende Leid Marias zu treffen. Auch die Prophetin Hanna ist entsprechend der Tradition des Lukasevangeliums anwesend. Außerdem bevölkern zahlreiche Statisten den korinthischen Säulenwald. Nicht zu vergessen, der beinahe allgegenwärtige Hund. Selbst Bettler erweisen sich als geeignete barocke Lückenfüller.
Die Flucht nach Ägypten – Bildteppich 9
Josef erschien im Traum ein Engel, der ihm empfahl, sich mit Maria und dem Neugeborenen unverzüglich nach Ägypten zu begeben. Aus Furcht, ein Nebenbuhler könnte ihm seinen Thron streitig machen, hatte König Herodes seine Schergen ausgesandt, um alle Knaben unter zwei Jahren in Bethlehem und Umgebung zu massakrieren. Man sollte also meinen, dass Aufbruch und Flucht in großer Ungewissheit, Zukunftsangst und Panik erfolgen. Doch weit gefehlt. Die kleine Familie gönnt sich unterwegs eine kurze Rast. Von Hektik keine Spur, dafür Idylle pur. Ein entspanntes Familienpicknick mit Engeln, die frische Früchte herbeibringen, und Josef, der nebenbei einige Verse aus dem Alten Testament vorliest. So beruhigend kann Gottvertrauen sein.
Jesus und die Schriftgelehrten sowie die Hochzeit zu Kana – Bildteppich 10 und 11
Ich erlaube mir einen kleinen Schnellvorlauf.
Maria nimmt weder beim Auftritt ihres zwölfjährigen Sohnes im Tempel noch bei seinem ersten öffentlichen Auftritt anlässlich der Hochzeit zu Kana eine zentrale Rolle ein. Vielmehr erhält sie von ihrem Sohn zunächst eine dezente Zurechtweisung und Jahre später bei den Hochzeitsfeierlichkeiten sogar eine herbe Abfuhr. Jesu harsche Worte „Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau?“ verletzen, selbst wenn sie nur als Beleg dienen, dass seine Beziehung zu Gott über allem Irdischen steht.
Dennoch möchte ich ein besonders anachronistisches Detail auf dem zehnten Wandbehang nicht unterschlagen. Als Jesus im Tempel die Schriftgelehrten um ihren Verstand argumentiert, ziehen diese zur Überprüfung der Weisheiten nicht die Schriftrollen zurate. Vielmehr liegen mehrere ledergebundene Bücher lieblos auf dem Boden verstreut. Welch hellseherische Vorwegnahme der Buchdruckkunst, die sich erst im 15. Jahrhundert durchsetzte. Damit wäre Gutenberg endgültig raus aus dem Wettlauf um die ersten Inkunabeln.
Mariä Entschlafung – Bildteppich 12
Mit den verbleibenden drei Bildteppichen kehren wir aus dem Neuen Testament zurück zu den Erzählungen der Goldenen Legende. Das Bedürfnis Marias Schicksal über ihren letzten biblischen Auftritt bei Christi Himmelfahrt hinaus bis zu ihrem Tod weiterzuspinnen, kam erst um 500 n. Chr. Auf. Mit Verbreitung der Legenda aurea gewann diese Vorstellung zunehmend an Popularität. Dabei ist es eigentlich nicht richtig, vom Tod der Heiligen Jungfrau zu sprechen. Vielmehr lautet der korrekte Terminus: Entschlafung.
Und tatsächlich, wie sie so auf dem Baldachinbett sitzt, mit friedlichen Gesichtszügen und immer noch jugendlich frischem Aussehen, scheint sie sich nur einen kurzen Moment der Ruhe zu gönnen. Um sie herum haben sich die zwölf Apostel versammelt. Von Wolken getragen, eilten sie aus allen Ecken des Erdenrunds herbei, um Maria auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Die einen wehklagend, sich in tiefer Trauer gegenseitig tröstend, die anderen mit erhobenen Händen im Wissen um ihre Aufnahme in den Himmel. Im Vordergrund verlesen Petrus und Pauls aus ihren aufgeschlagenen Büchern die Sterbegebete, dazwischen steht das Weihwassergefäß zur Segnung bereit. Der obligate Palmzweig und die Sterbekerze, weitere beliebte Attribute bei der Dormitio Mariae, fehlen jedoch.
Mariä Himmelfahrt – Bildteppich 13
Papst Pius XII. erklärte 1950 zum Dogma der katholischen Kirche, „dass die unbefleckte, immer jungfräuliche Gottesmutter Maria nach Vollendung ihres irdischen Lebenslaufes mit Leib und Seele zur himmlischen Herrlichkeit aufgenommen worden ist.“ Von Engeln begleitet, schwebt Maria dem ewigen Leben bei Gott entgegen. Die zwölf Apostel und mehrere fromme Frauen sind Zeuge ihres Heimgangs. Aus ihrem nun leeren Grab sprießt eine Rose als Zeichen ihrer Reinheit und spirituellen Teilhabe am dornigen Leidensweg Jesu.
Die Krönung der Heiligen Jungfrau – Bildteppich 14
Die dank der Gnade Gottes mit Leib und Seele aufgefahrene Maria wird durch die Dreieinigkeit Gott, Jesus und der Heiligen Geist (die Taube im Strahlenkranz) zur Himmelskönigin gekrönt. Im überfüllten Tapisseriehimmel jubilieren die himmlischen Heerscharen, die sogar ein Orchester aus musizierenden Engeln aufgeboten haben, um das Ereignis zu feiern.
Auch an Mariensymbolen mangelt es nicht. Zwischen den bauschigen Wolken finden sich Lilien, Rosen, ein Ölzweig und der makellose Spiegel für die Jungfrau ohne Sünde. Der Reigen setzt sich am unteren Bildrand in der irdischen Landschaft fort. Zypresse, Palme, Zeder bilden den Rahmen für die Himmelspforte, die versiegelte Quelle, den Brunnen des lebendigen Wassers und den alles überstrahlenden Morgenstern. Selbstredend dürfen der Turm Davids und der Hortus conclusus, der geschlossene Garten, das beliebteste Motiv in der christlichen Kunst für Marias Unbeflecktheit nicht fehlen.
Ein gewirktes Spalier barocker Glückseligkeit
Ein überaus würdiger Abschluss des Bildzyklus, der zum Finale noch einmal eine Lehrstunde barocken Überschwangs aufbietet. In dieser Lobpreisung des Lebens der Heiligen Jungfrau haben deshalb auch traurige, tragische Momente nichts zu suchen. Keine Kreuzigung, keine Kreuzabnahme, kein Bildmotiv einer Pietà oder Mater Dolorosa, ausschließlich ein schwergewichtiges Spalier fünf auf sechs Meter großer Glückseligkeit zwischen Narthex und Chorraum. Und warum auch nicht? Schließlich steht das Weihnachtsfest mit der Geburt Jesu vor der Tür. Wenn das kein Grund zur Freude ist?
Gut zu wissen
Adresse
Cathédrale Notre Dame de Strasbourg / Liebfrauenmünster Straßburg
Place de la Cathédrale
F-67000 Strasbourg
Öffnungszeiten und Eintritt
Der Zutritt zum Straßburger Münster ist kostenfrei.
Aktuelle Informationen zu den Öffnungszeiten finden sich auf der Website der Kathedrale.
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Quellen
La Cathédrale Notre-Dame de Strasbourg – 1000 Ans de Parole; Michel Wackenheim et Bernard Eckert; 2014
- Die Bildteppiche des Strassburger Münsters von André Lienhart und Philippe Fleck; 1999
- Notre-Dame de Strasbourg – Du Genie Humain à l’Éclat Divin; Fabien Baumann et Claude Muller; 2014
- La Cathédrale Notre-Dame de Strasbourg – 1000 Ans de Parole; Michel Wackenheim et Bernard Eckert; 2014